Gerichtsurteil schuld

Muss Berlin zahlen, weil Polizei Klimakleber von der Straße löste?

Es geht um über 300.000 Euro. Das Land Berlin hatte massenweise Gebührenbescheide für das Lösen von der Fahrbahn an die Klimaaktivisten verschickt, die nun teilweise rechtswidrig sein könnten.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Polizisten holen im September 2023 einen Klimakleber der „Letzten Generation“ von der Autobahnausfahrt an der Friedenauer Brücke in Berlin. Dafür bekamen die Aktivisten eine Gebühr aufgebrummt.
Polizisten holen im September 2023 einen Klimakleber der „Letzten Generation“ von der Autobahnausfahrt an der Friedenauer Brücke in Berlin. Dafür bekamen die Aktivisten eine Gebühr aufgebrummt.Emmanuele Contini

Massenweise holte vergangenes Jahr die Polizei Klimakleber von der Straße, die Fahrbahnen blockiert hatten. Viele der Aktivisten der „Letzten Generation“ bekamen Strafgebühren von jeweils 214 Euro aufgebrummt. Doch nun droht dem Land Berlin eine Rückzahlung an die Klimakleber – bis zu 300.00 Euro! Denn die Gebührenscheide sollen teilweise rechtswidrig gewesen sein.

Schuld ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg, das in der vergangenen Woche erging. Dort wurde der Fall eines Klimaklebers verhandelt. Er hatte an einer Straßenblockade teilgenommen und sich mit der Hand auf die Fahrbahn geklebt. Für das Ablösen seiner Person und das Wegtragen von der Straße durch die Polizei musste er eine Gebühr von 214 Euro zahlen.

Dagegen klagte der Aktivist, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Und er bekam im September 2023 recht. Gegen den Gerichtsbeschluss legte nun das Land Berlin Beschwerde ein und scheiterte damit jetzt vor der nächsten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht. Denn die Richter entschieden, dass die Gebührenbescheide der Berliner Polizei gegen Klima-Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ zum Teil rechtswidrig sind.

Das Land Berlin muss also die Gebühr und auch die Gerichtskosten an den Klimakleber zurückzahlen. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes ist endgültig und könnte nun dazu dienen, dass auch in anderen Fällen bereits gezahlte Strafgebühren an die Aktivisten der „Letzten Generation“ erstattet werden könnten.

Gebührenbescheide gegen Klimakleber rechtswidrig? Land Berlin droht Rückzahlung von bis zu 300.000 Euro

Davon geht jedenfalls der Verein „Rückendeckung für eine aktive Zivilgesellschaft“ (RAZ) aus, der in diesem Fall den Klimakleber unterstützte und die Klage vor Gericht brachte. „Bereits im Beschluss vom September 2023 wurde argumentiert, dass der Erhebung der Kosten keine geeignete Rechtsgrundlage zugrunde liege“, schreibt Lilly Schubert vom Verein.

So sah es offenbar auch nun das Oberverwaltungsgericht. In dem verhandelten Fall wurde die Gebühr zu Unrecht gegen den Klimaaktivisten erhoben, weil der Bescheid auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt war, sagte eine Gerichtssprecherin. Also ein Formfehler war schuld.

Der Verein RAZ geht nun davon aus, dass dieser Fehler nun auch auf andere Fälle zutreffen könnte, in denen Klimakleber bei ihren Blockaden von der Polizei von der Straße geholt wurden. Laut Senatsinnenverwaltung wurden bis September 2023 über 1300 Gebührenbescheide in Höhe von je 214 Euro an Klimakleber verschickt.

Sollten diese nun alle rechtswidrig sein, müsste das Land aufgrund des aktuellen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichtes die kassierten Gebühren an die Aktivisten zurückzahlen. Rechnet man noch eventuell anfallende Gerichtskosten dazu, würden die Rückzahlungen bis zu 300.000 Euro betragen, erklärt der Verein.

Rückzahlung an Klimakleber: Geld bekommt in den meisten Fällen die „Letzte Generation“

Allerdings würden die meisten betroffenen Klimakleber das Geld gar nicht bekommen, sondern die Kassen der „Letzten Generation“  füllen. Denn diese hatte in den meisten Fällen die Gebührenbescheide, die an ihre Klientel gingen, aus Spendengeldern bezahlt. Auch wenn die Klimakleber gegen die Gebührenbescheide Beschwerde eingelegt haben, mussten sie den Betrag von je 241 Euro zunächst zahlen, da der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hatte, berichtet Schubert vom RAZ-Verein.

Die Senatsjustizverwaltung hofft indes, dass das Land Berlin nicht alle Gebühren anhand des Gerichtsbeschlusses an die Klimakleber erstatten muss. Der aktuelle Fall sage noch nichts über andere Gebührenbescheide aus, erklärte eine Sprecherin dem RBB. Sollten diese allerdings mit der gleichen Begründung ergangen sein, wären auch sie rechtswidrig. ■