Seit fünf Jahren wird hinter dem Roten Rathaus im Herzen der Stadt gebuddelt. Der Molkenmarkt, einer der ältesten Plätze Berlins, soll dort als neues Quartier wieder entstehen. Doch bevor es ans Bauen geht, müssen erst einmal die Forscher ran. Denn tief unter der Erde liegen so manche Schätze. Und so fördern nun die Archäologen nach und nach den alten Kram der Berliner wieder zu tage.
Die Experten schürfen fleißig im Erdreich und sind mit ihrer Buddelei bisher recht erfolgreich. Seit Grabungsbeginn wurden über 600.000 Fundstücke geborgen – Münzen, Hausrat, Kleidungsstücke. Sogar eine alte Toilettenanlage war dabei. Sie sollen nun den Forschern Aufschluss geben, wie die Berliner in den vergangenen Jahrhunderten gelebt haben.

Dazu zählen auch Ofenkacheln, Trinkgläser, Lederschuhe oder Reste von Tongefäßen, die im Mittelalter zum Kochen oder zum Aufbewahren von Lebensmitteln genutzt wurden. Als einer der ungewöhnlichsten Funde gelten die Reste eines Bohlenwegs aus der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt um 1230. Die Teile, die man quasi als eine der ersten befestigten Straße der Berliner bezeichnen könnte, werden bereits konserviert, damit sie dauerhaft erhalten bleiben.
Nach und nach taucht das Ur-Berlin wieder auf. Denn nicht weit vom Molkenmarkt entfernt liegt der Ursprung Berlins – mit einer der ersten mittelalterlichen Siedlung an der Spree. Die Bebauung des Platzes aus dem 18. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Große Teile des zwei Hektar großen Areals wurden nach Kriegsende zugeschüttet. Daraus entstand zwischen Rathaus und Stadthaus die Grunerstraße, die zu DDR-Zeiten gebaut wurde.

Buddeln in der Mitte Berlins: Archäologen finden die verschollenen Figurenköpfe vom Roten Rathaus
Und so stießen die Archäologen auch auf Stücke, die nach dem Krieg als verschollen galten. Sie legten die Teile des Terrakotta-Frieses am Roten Rathaus frei, der in den letzten Kriegsmonaten zerstört wurde. Etliche Elemente, darunter Figurenköpfe, landeten im Nachkriegsschutt auf dem Molkenmarkt und wurden nun erst Jahrzehnte später wieder entdeckt. Der Fund ist schon eine kleine Sensation.

Die Grabung am Molkenmarkt gilt als größte innerhalb eines Stadtkerns in ganz Deutschland. „Jede Woche tut sich etwas“, sagte Rauhut. Etwa 15.000 Quadratmeter Fläche wurden bisher von den Archäologen unter die Lupe genommen. Zuletzt wurde die Ausgrabung des Elektrizitätswerks beendet, das 1889 dort eröffnet worden war und für die Elektrifizierung Berlins einst eine wichtige Rolle spielte.

Seit dem Frühjahr wird in dem 6.500 Quadratmeter großen Bereich unter der alten Grunerstraße gegraben, so Rauhut. Das Team legte unter anderem Fundamentreste etlicher Häuser frei. Brunnen und sogar mittelalterliche Toilettenanlagen wurden entdeckt. Gerade sie sind für den Landesdenkmalchef hoch interessant. „Da ist auch ganz viel Müll reingekommen, der viel über die Zeit erzählen kann“, sagt er.

„Die zahlreichen Funde geben einen Einblick in das Leben der Altstadtquartiere, die es bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gegeben hat“, sagt Bausenator Christian Gaebler. Die geplante Umgestaltung des Molkenmarktes bietet die Chance, bei den Grabungen zu sehen, was im Boden davon erhalten geblieben sei. „Unser Ziel ist, das wieder erlebbar zu machen“, sagt Gaebler.

Molkenmarkt: Nach dem Buddelm wird ein neues Quartier gebaut
Die umfangreiche Auswertung der gesamten Funde soll nach Abschluss der Grabungen fortgesetzt werden. Ein Teil davon soll künftig im Archäologischen Haus am Petriplatz gezeigt werden. Außerdem sollen sogenannte Archäologische Fenster jedem Berliner einen Blick in die Vergangenheit am Molkenmarkt ermöglichen. Eines davon ist auf dem Areal geplant, auf dem das Elektrizitätswerk stand. Regelmäßige Führungen zu den archäologischen Funden gibt es schon jetzt jeweils am Freitagnachmittag.

Bis nächstes Jahr sollen die Grabungen fortgeführt werden. Dann kommt das Bauen. Denn der Senat hat mit dem Molkenmarkt noch einiges vor.
„Mit der Wiederbelebung des Platzes wollen wir ein Stück Stadt zurückgewinnen“, sagt Bausenator Gaebler. „Wir wollen hier ein neues Stadtquartier auf altem Grund errichten.“ Unter anderem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften WBM und Degewo sollen hier Wohnungen bauen, aber auch private Unternehmen. Gewerbliche Nutzung ist ebenfalls vorgesehen. Bis die Bauarbeiten beginnen, haben die Archäologen noch genug die Gelegenheit, noch mehr von dem alten Kram der Berliner aus dem Erdreich zu holen. (mit dpa) ■