Eugeniu Botnari

Verprügelt im Supermarkt: Berlin-Lichtenberg ehrt getöteten Obdachlosen

Am 19. Mai werden ein Platz und eine Gedenktafel vor dem Bahnhof Lichtenberg feierlich eingeweiht. Der Moldauer wurde 2016 Opfer einer fremdenfeindlichen Attacke im Supermarkt.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Die Gedenktafel am Bahnhofsvorplatz in Lichtenberg erinnert an die Tat und an das Opfer Eugeniu Botnari.
Die Gedenktafel am Bahnhofsvorplatz in Lichtenberg erinnert an die Tat und an das Opfer Eugeniu Botnari.Facebook

„Ich erinnere mich an den Moment, als ich zum ersten Mal von der grausamen Tat erfuhr, bei der Eugeniu Botnari sein Leben verlor. Nach einem mutmaßlichen Ladendiebstahl wurde er 2016 von einem Filialleiter am Bahnhof Lichtenberg so brutal misshandelt, dass er wenige Tage später an seinen Verletzungen verstarb“, schreibt Michael Grunst, Ex-Bürgermeister von Lichtenberg auf Facebook. Die Tat erschütterte damals wie heute den Kiez und spaltete die Meinungen.

Stimmen wurden laut, den Platz im Gedenken an das Opfer nach dem Moldauer zu benennen. Doch dass ein Platz mitten in Berlin einen obdachlosen Trinker ehren sollte, regte manche auf. „Lichtenberg benennt Platz nach totem Ladendieb!“, empörte sich eine Zeitung.  „Sich illegal in Deutschland aufzuhalten und Straftaten zu begehen, ist keine Lebensleistung, die geehrt werden müsste“, sagte ein FDP-Politiker als die Pläne konkret wurden.

Andere mahnten, dass rassistische und rechtsextreme Taten geächtet und im Gedächtnis bleiben müssen, damit sie sich nicht wiederholen.  Am 19. Mai finden nun die politischen Diskussionen ein Ende, werden die Gedenktafel für Eugeniu Botnari und der nach ihm benannte Vorplatz des Bahnhofs Lichtenberg an der Weitlingstraße feierlich eingeweiht. Zeit, auf die Geschichte eines Mannes zurückzublicken, dem nicht viel Gutes in seinem Leben widerfuhr.

Gestrandet im Berliner Trinkermillieu

Eugeniu Botnari kam 2015 aus Moldau nach Berlin. Er wollte als Hilfsarbeiter auf dem Bau Geld verdienen. Doch der damals 33-Jährige gerät ins Straucheln. Er trinkt, verliert seinen Job, landet auf der Straße, wo er ein Jahr lang mit russischen Trinkern abhängt. Er sei aggressiv gewesen, sagen sie über ihn. Andere Obdachlose meiden ihn.

Als ein Freund Botnari anbietet, bei ihm zu wohnen, geht Botnari im Supermarkt im Bahnhof Lichtenberg für das Treffen eine Flasche Weinbrand besorgen. Schon öfter hatte er in dem Laden gestohlen, er hat bereits Hausverbot in dem Edeka-Geschäft, dessen Filialleiter nicht lange fackelt, als er den Osteuropäer zu fassen kriegt.

Selbstjustiz im Supermarkt

In Berliner Supermärkten wird oft geklaut. Doch der Filialleiter in Lichtenberg holt keine Kameras, keine Verstärkung durch einen Sicherheitsdienst. Er sorgt selbst für Ordnung. Es habe in dem Supermarkt ein regelrechtes System der Selbstjustiz gegeben, erzählen Zeugen später vor Gericht. Laut eines Berichts der Süddeutschen Zeitung vom Prozess habe der Supermarktchef die Diebe nach eigener Aussage „belehren“ wollen. Seine Mitarbeiter fühlten sich offenbar ermutigt, es ihm gleichzutun. Der Bahnhof Lichtenberg ist zu der Zeit ein hartes Pflaster, Trinkermillieu und Obdachlose sind gegenwärtig. Doch auch in anderen Filialen greift das brutale System der Selbstjustiz, wie im Prozess herauskommt.

Am 17. September 2016 schlägt der Filialleiter mit Quarzsandhandschuhen den Dieb und filmt seine Tat, versieht sie mit rassistischen Sprüchen wie  „Guten Appetit, Moldawien“ oder „Zu Gast in Deutschland“ und verschickt sie an Gleichgesinnte.

Die Polizei veröffentlicht ein Bild des Opfers, das damals im Zusammenhang mit einem anderen Diebstahlsdelikt entstand.
Die Polizei veröffentlicht ein Bild des Opfers, das damals im Zusammenhang mit einem anderen Diebstahlsdelikt entstand.Polizei Berlin

Eugeniu Botnari geht auch nach mehrmaligem Anraten nicht zum Arzt. Er hat keine Krankenversicherung. Am 20. September stirbt er in Folge eines Schädel-Hirn-Traumas nach den Schlägen. Der Supermarktleiter erhält später eine Strafe von drei Jahren und drei Monaten Haft.

Obdachlos, Migrant, arm, Trinker – Eugeniu Botnari war all das, was die Verachtung mancher auf Menschen am Rande der Gesellschaft zieht. Doch sein gewaltsamer Tod wirft Fragen auf. Für viele Lichtenberger ist klar, man darf hier nicht wegsehen. Man dürfe nicht zulassen, dass Hass und Entmenschlichung Teil unseres Alltags werden, wie der damalige Linken-Bezirksbürgermeister Michael Grunst schreibt. „Gerade an einem so zentralen Ort wie dem Bahnhofsvorplatz musste ein Zeichen gesetzt werden – gegen Gewalt, gegen Rassismus, gegen jede Form von Ausgrenzung.“

Fünf Jahre nach Botnaris Tod gibt es auch in der Lokalpolitik eine Mehrheit für ein sichtbares Zeichen des Gedenkens an die Tat. Im April 2023 beschließen Grüne, Linke und SPD die Umbenennung des Platzes. AfD, CDU und FDP lehnen sie ab, Botnari sei willkürlich getötet worden und kein Opfer rechter Gewalt.

Am 19. Mai 2025 wird der Eugeniu-Botnari-Platz nun feierlich eingeweiht. Der Name und die Gedenktafel sollen Zeichen und Verpflichtung sein: „Es ist unsere tägliche Aufgabe, Rassismus und jede Form von Gewalt gegen obdachlose und ausgegrenzte Menschen entschieden entgegenzutreten. Jeden Tag, überall, wo wir leben und arbeiten“, so Grunst.