Aufruhr in der Lichtenberger Kunstszene. Auf einem Gelände der Deutschen Bahn befindet sich eines der spannendsten Kreativ-Quartiere der Stadt. Mit den B.L.O.-Ateliers hat sich eine bunte Mischung aus Künstlern, Handwerkern und Kreativen hier seit 20 Jahren etabliert. Doch nun bangen 90 Kunstschaffende um ihre Zukunft.
Mietvertrag für B.L.O.-Ateliers endet im Juli 2024
Die Deutsche Bahn InfraGO plant, den am 31. Juli 2024 endenden Mietvertrag mit dem Trägerverein Lockkunst e.V. für die B.L.O.-Ateliers in der Kaskelstraße 55 nicht zu verlängern. Am vergangenen Freitag eskalierte die Situation, als die Deutsche Bahn eine Nutzungsuntersagung für mehrere Gebäude aussprach. Die Stromversorgung sollte abgeschaltet werden, die Künstler hat das Vorgehen kalt erwischt:
„Nach wie vor wurde uns das dafür angeblich ursächliche baurechtliche Sachverständigengutachten nicht vorgelegt. Mit Schrecken haben wir nur über die Presse vernommen, dass die DB die bislang konstruktiven Vertragsverhandlungen mit fadenscheinigen Begründungen abbricht und eine Verlängerungsoption ab August 2024 ausschließt“, schreiben sie in einer Mitteilung. „Für uns Nutzer:innen, vertreten durch den Verein Lockkunst e.V., kommt dieses Agieren einer sofortigen Räumung gleich, die uns kalt erwischt und existenziell bedroht.“
Lockkunst-Vorstandssprecher Peter Tietz sagt: „Wir empfinden das Vorgehen der Deutschen Bahn vor dem Hintergrund der bislang kooperativ verlaufenden Verhandlungen als absolut respektlos! Das damit verbundene Aus für alle künstlerischen Projekte und die Bedrohung aller ortsansässigen Arbeitsplätze wird hiermit von der DB billigend in Kauf genommen.“
Rückendeckung von Lichtenbergs Bürgermeister
Rückendeckung bekommen die Künstler von Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU). „Wenn die B.L.O.-Ateliers weichen müssen, verschwindet ein zentrales Stück kultureller Identität aus Lichtenbergs Kreativszene. (...) Ich erwarte, dass hier eine Lösung gefunden wird, wie wir die erst kürzlich stattgefundenen erfolgversprechenden Verhandlungen zwischen Bezirk, dem Senat und der Deutschen Bahn zum Erhalt der B.L.O.-Ateliers wieder aufnehmen und zu einem für alle Seiten zufriedenstellenden Ergebnis bringen können. Vor wenigen Tagen zeichnete sich noch eine Lösung für die nächsten Jahre ab. Dies soll nun nicht mehr gelten. Dies werden wir als Bezirk so nicht hinnehmen“, teilte er mit.
In den letzten Wochen habe es erste aussichtsreiche Gespräche auf höchster politischer Bundes- und Landesebene mit der DB gegeben, berichten die Künstler. Nun sei man auf politische Unterstützung angewiesen.
Von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Kultursenator Joe Chialo erhoffen sie sich eine aktive Vermittlung in dem Nutzungskonflikt. Ziel wäre etwa eine Aufnahme der B.L.O.-Ateliers in das bestehende Berliner Arbeitsraumprogramm, wie es auch im Fall der Uferhallen erfolgreich gelungen sei.
Künstler verhandeln mit der Deutschen Bahn AG
Schon seit einem Jahr verhandelt der Verein Lockkunst e.V. erfolglos um einen weiteren langfristigen Vertrag. Sogar der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, habe bei einem gemeinsamen Termin am 18.04.24 das Gespräch mit der DB AG gesucht, schreiben die Künstler. Seitens der DB wurde eine Neufassung des Vertrags für vorerst zwei Jahre angekündigt. Dass nun das schnelle und endgültige Aus droht, macht die Kreativen fassungslos.
Von der Deutschen Bahn heißt es in einer Mitteilung: „Nach zwei Jahrzehnten intensiver Nutzung musste die DB in den vergangenen Monaten bereits einzelne Räume wegen Baufälligkeit zeitweise von der weiteren Nutzung ausschließen. Dies geschah auf der Basis von Prüfungen einzelner technischer Anlagen, für die die DB wegen des teilweise maroden Zustands besonders hohe Sicherheitsrisiken vermutete, die sich dann auch bestätigt haben.“
Zur Gewährleistung der Sicherheit aller Beteiligten habe die DB zuletzt Prüfungen unabhängiger externer Sachverständiger für die Elektrotechnik in weiteren Räumlichkeiten veranlasst. „Nach den bislang vorliegenden Ergebnissen ist es notwendig, aus Sicherheitsgründen zunächst insgesamt fünf Gebäude zu schließen. Die Bewertung weiterer Gutachten erwarten wir kurzfristig. Das finale Gutachten für alle Mietobjekte liegt auch der DB noch nicht vor.“
Auf dem B.L.O.-Gelände könnten Züge abgestellt werden
Die DB plant für das Gelände mittelfristig wieder eine Nutzung für den Eisenbahnbetrieb. „Für die steigenden Anforderungen einer wachsenden Stadt Berlin an Mobilität überprüft die DB aktuell ihren Bedarf an Flächen im gesamten Stadtgebiet: so auch das Grundstück in Berlin-Lichtenberg“, heißt es.
Mit zusätzlichem Verkehr auf der Schiene wachse auch der Bedarf an zusätzlichen Abstellflächen für Züge. „Vor allem im innerstädtischen Bereich sind diese Eisenbahnflächen daher ein hohes Gut“, so die DB. „Parallel wird geprüft, ob die DB der Künstlergemeinschaft eine Ersatzfläche zur Verfügung stellen kann. Die weiteren Gespräche dazu mit den Künstlergruppen werden auf der Grundlage der noch ausstehenden Gutachten-Ergebnisse geführt.“ ■