Neuer Duden ist da

Krise, Krieg und Kochen: Wie sich die deutsche Sprache verändert hat – mit großer LISTE

Der Hackenporsche ist zurück, der Coronaleugner erstmals dabei: Rund 3000 neue Worte haben es in das Nachschlagewerk der deutschen Sprache. Der KURIER sagt, welche Wort dazugekommen sind und welche ausradiert wurden.

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Ein Blick in den neuen Duden.
Ein Blick in den neuen Duden.Felix Pöhland/Duden

Seit 2012 ist der Duden ein Berliner. Seit nunmehr zwölf Jahren schaut die Duden-Redaktion aus der Mecklenburgischen Straße in Berlin-Wilmersdorf auf Deutschland und die Deutschen, um zu dokumentieren, wie sich hierzulande die Sprache ändert. Und in den vergangenen vier Jahren ist viel passiert, was sich auch in der Sprache niederschlägt. Der neue Duden ist wieder dicker geworden und wurde um 3000 Wörter erweitert –  von „Balkonkraftwerk“ über „ChatGPT“, „Klimakleber“ und „Ukrainekrieg“ bis hin zu „Coronaleugner“.

Krisen und soziale Veränderungen machen sich auch in der Sprache bemerkbar. „Der Duden ist Spiegel seiner Zeit. Diese Wörter sagen etwas darüber aus, was in den letzten drei bis vier Jahren passiert ist“, sagte Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum. Am Dienstag erscheint nach vier Jahren Pause die 29. Auflage des bekanntesten Nachschlagewerks der deutschen Rechtschreibung.

Die Coronakrise und der Ukrainekrieg spiegeln sich im Duden wider

Mit 151.000 Stichwörtern ist die gedruckte Ausgabe demnach so umfangreich wie noch nie. Die größten Sprachveränderungen der vergangenen Jahre lassen sich laut Kunkel-Razum zugespitzt auf drei Bereiche reduzieren: Krise, Krieg und Kochen.

So ist etwa die „Coronapandemie“ zum neuen Stichwort avanciert – neben „Antigenschnelltest“ oder auch „Coronaleugner“. Begriffe wie „Extremwetterereignis“, „Flugabwehrsystem“, „Gasmangellage“ und „Entlastungspaket“ erinnern an Krisen in anderen Bereichen. Veränderte Ernährungsgewohnheiten spiegeln sich in Begriffen wie „Fleischersatz“, „Gemüsekiste“, „Tahini“ oder auch „Kontaktgrill“ wider.

Neben Neuaufnahmen streicht die Duden-Redaktion auch immer wieder Wörter, die selten genutzt werden. In der aktuellen Ausgabe sind 300 Wörter entfernt worden, so Kunkel-Razum. Nicht mehr enthalten sind etwa „Frigidär“ (Kühlschrank), „UMTS-Handy“ oder die in der DDR verwendete Bezeichnung „Rationalisator“ für einen Angestellten mit Rationalisierungsaufgaben.

Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum zeigt den neuen Duden des Jahres 2024, in den es 3000 neue Worte geschafft haben.
Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum zeigt den neuen Duden des Jahres 2024, in den es 3000 neue Worte geschafft haben.Jens Kalaene/dpa

Und eine Rolle rückwärts gibt es bei einigen Worten, für die im Zuge der Rechtschreibreform vor einigen Jahren neue Schreibweisen zulässig worden. „Tunfisch“ und „Spagetti“ verschwinden, bei beiden Worten ist das H wieder zwingend vorgeschrieben.

„Das Streichen fällt viel schwerer als die Aufnahme von Wörtern“, so die Linguistin. Es sei schwieriger nachzuweisen, dass ein Wort nur noch selten genutzt wird als umgekehrt. Und manchmal würden Streichungen auch rückgängig gemacht. Das Wort „Hackenporsche“ (scherzhaft für einen Einkaufsroller) fehlte im letzten Duden und erlebt nun ein Comeback. „Wir haben Beschwerden bekommen, dass das Wort gestrichen wurde“, erzählt Kunkel-Razum.

Laut Kunkel-Razum enthält die neue Ausgabe auch die rechtschreiblichen Änderungen, die der Rat für deutsche Rechtschreibung auf seiner letzten Sitzung der dritten Amtsperiode Ende 2023 verabschiedet hat. Dazu zählt etwa die Regel, dass das Komma vor einem erweiterten Infinitiv wieder obligatorisch ist.

Das nach seinem Namensgeber Konrad Duden benannte Nachschlagewerk galt jahrzehntelang als verbindlich. Durch die Rechtschreibreform von 1996 wurde das Monopol gebrochen. Maßgebende Instanz ist der Rat für deutsche Rechtschreibung, der das „amtliche Regelwerk“ herausgibt. Es besteht aus einem Regelteil und einem Wörterverzeichnis. Nachschlagewerke wie der Duden bereiten diese Regelungen alltagstauglich auf.

Diese Wörter sind neu im Duden

Bei manchen der 3000 Wörter wundert man sich, dass sie in dem Nachschlagewerk erst jetzt abgedruckt werden. Dampfgarer, Bondage, Intimbehaarung, Astronautennahrung oder Trash-TV sind schon lange Alltagswortschatz. Das Wort Trash-TV etwa taucht in unserem Redaktionsarchivsystem erstmals im Juni 1995 auf. Und bei manch anderem neuen Wort im Duden muss man erst nachschlagen, weil man es noch nie vorher gehört hat. Nubbeln etwa kommt aus dem Ostmitteldeutschen und ist ein anderes Wort für Nuckeln. Am Schnuller, an der Flasche nubbeln. Oder das großgeschriebene Prompt: „Eingabe, die als Aufgabenbeschreibung für generative Modelle künstlicher Intelligenz zur Erzeugung von Texten oder Bildern dient“.

Am Schnuller nubbeln: Das Wort nubbeln hat es in den Duden 2024 geschafft. Klingt sächsisch.
Am Schnuller nubbeln: Das Wort nubbeln hat es in den Duden 2024 geschafft. Klingt sächsisch.Benjamin Nolte/dpa

A: Affenpocken, Ambiguitätstoleranz, Ampelregierung, Astronautennahrung, Audioinhalt, Awareness

B: B-Promi, Balkonkraftwerk, Barfußschuh, Bauchmensch, Baumbestattung, Beitrittsperspektive, Bondage

C: Catcalling, ChatGPT, Coronainfektion, Coronakrise, Coronaleugner, Coronapandemie

D: Dampfgarer, Deutschlandticket, diskussionslos, Distanzunterricht, Dürresommer, Duschtasse

E: Einreisebeschränkung, Entlastungspaket, Ethereum, Extremwetterereignis

F: Fahrstuhlmusik, Falschbehauptung, Fleischersatz, Fördermittelbescheid, framen, Frugalist

G: Gästefan, Gasumlage, Gedankenkarussell, Gemüsekiste, Ghosting, Gojibeere, Granola

H: Hackenporsche, Handyticket, Heizungsgesetz, Hyaluron, Hyperloop, Hundetagesstätte

I: Impfzertifikat, Infektionsschutzgesetz, Intimbehaarung, Infotafel, Inzidenz

J: Jobtitel

K: Kaffeevollautomat, Kiesgarten, Kindergrundsicherung,  klimagerecht, Klimakleber, Kochbox, Kontaktgrill

L: Ladeschale, Lieblingsmensch, Lieferkettengesetz, Line-up, LNG-Terminal

M: matchen, meinungsstark, Merkliste, Mindset/Mind-Set, mitmeinen, Mocktail

N: Neun-Euro-Ticket, nerdig, NFT, nubbeln, Nutri-Score/Nutriscore, Nutzerprofil

O: OpenAI, Opferperspektive, Ortskraft, Ottifant

P: pampern, Präsenzveranstaltung, Preisdeckel, Prompt

Q: QAnon, Quetschie

R: Rasengitterstein, Räuchertofu, Reiskocher, Russlandsanktion

S: Salsiccia, Schwiegerfamilie, Selbstfürsorge, Siebträgermaschine, Sprachmodell, Sushireis

T: Tahin, Tauchroboter, TikTok/Tiktok, Tintenfraß, Träumchen, Trash-TV, Triggerwarnung

U: Übergewinnsteuer, Ukrainekrieg, Upskirting

V: Verschwörungsmythos, Virusvariante, Vlog, Vorkrisenniveau, vulnerabel

W: Wallbox, Wechselunterricht, Werbetracking, Wokeness

X/Y/Z: Zuwanderungsgeschichte, Zwei-Prozent-Ziel/Zweiprozentziel

Diese Worte hat der Duden ausradiert

A: Ansucher, ausgemugelt

B: barattieren, bedünken, (sich) beeifern, Bordürenkleid, bequemlich, Bildschirmlexikon

C/D: Dampfradio, de dato, defraudieren

E/F: einkampfern, einteigen, Entamtung, ertöten, fletschern

G/H: geeignetenorts, Haushaltungswesen, hieneben

I/J: Juckergeschirr

K: Kadmiumlegierung, Kaneelblume, Knaupelknochen, koldern, kunststoffverleimt

L: Lassheit, Lombardliste, Luftschiffer

M/N: Meiensäß

O/P: philippisch, Präkordialangst

Q/R: Rationalisator

S/T: Saumsal, Sühnerichter, Sühnerichterin, Spar- und Darlehenskasse, Speckhals, Tunfisch (Schreibvariante)

U/V: UMTS-Handy, (sich) vertwittern

W: Wellensalat ■