Der Schock sitzt tief: Paul (Name geändert) kommt nach einer Reise zurück in seine Berliner Wohnung – und traut seinen Augen nicht. Müllberge, benutzte Kondome im Bad – sein einst gemütliches Zuhause hat sich in ein improvisiertes Bordell verwandelt. Dabei hatte er die Wohnung lediglich über Airbnb vermietet. Wer weiß, wie viele Freier hier in der Woche ein- und ausgingen – 20, 50?, fragt er sich entsetzt.
Paul ist längst nicht allein mit dieser Erfahrung. Immer häufiger zweckentfremden Kriminelle über Online-Plattformen gebuchte Wohnungen für illegale Prostitution, das berichtet das ZDF.
Experten schlagen Alarm: Laut Stephan Fuchs von der Schweizer Organisation „Trafficked Victim Unit“ ist dieses kriminelle Geschäftsmodell seit der Corona-Pandemie auf dem Vormarsch. Kurzzeitwohnungen seien ideal für Zuhälter – keine Kameras, einfache Buchung, kaum Kontrolle, erklärt er dem ZDF. Die wahren Leidtragenden sind allerdings die Frauen, die dort unter schlimmsten Bedingungen arbeiten müssen.
Claudia Robbe vom Fraueninformationszentrum FiZ in Stuttgart kennt ihre Schicksale. Viele hätten nicht einmal eine Ahnung, in welcher Stadt sie sind, berichtet sie. Ohne festen Standort wird es für Hilfsorganisationen fast unmöglich, sie zu erreichen. Sie ist sicher: Hinter diesen Appartements stecken organisierte Strukturen – die Frauen buchen die Wohnungen nicht selbst.
Die Polizei steht dabei vor einem besonderen Problem: Prostitution ist in Deutschland zwar legal, aber nur in registrierten Bordellen. Doch seit der Pandemie explodieren die Fälle von Wohnungsprostitution – und das Dunkelfeld ist riesig.
Ermittler stehen vor verschlossenen Puff-Türen
Sören F., Ermittler in Leipzig, beschreibt die Schwierigkeiten im ZDF so: „Egal, ob es sich um eine Wohnung handelt, die über Booking, Airbnb oder eine andere Appartementvermietung gebucht wurde – diese werden in der Regel nicht angemeldet, was die Kontrolle extrem schwierig macht.“ Selbst in Städten mit gut ausgestatteten Sondereinheiten bleibe es oft bei einem Katz-und-Maus-Spiel.

Und was sagen die Wohnungsvermittler? Airbnb betont auf Anfrage seine enge Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden weltweit, auch Booking.com sichert volle Kooperation zu. Doch Ermittler Sören F. hat Zweifel. Der Sitz von Airbnb in Irland mache es für ihn extrem kompliziert. Antworten kommen oft spät oder gar nicht.
Die bittere Realität ist: Menschenhändler nutzen längst digitale Werkzeuge, um ihr Geschäft zu optimieren. Online-Buchungen, anonyme Plattformen und massenhafte Sexkauf-Angebote im Netz treiben die Ausbeutung voran. Für viele Frauen bedeutet das: völlige Isolation – schutzlos, ausgeliefert und ohne jede Hilfe von außen.
ZDF-Recherchen in einschlägigen Foren zeigen zudem: Die Anonymität im Netz trägt dazu bei, dass viele Freier jegliche Hemmschwelle verlieren. Es ist ein System, das immer mehr außer Kontrolle gerät – während die Opfer im Verborgenen leiden. ■