Kommentar

In 455 Wahllokalen Berlins muss, nein, darf neu gewählt werden

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Rechtsstaatlichkeit.  Auch wenn der neue Urnengang wohl keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags hat.  

Author - Stefanie Hildebrandt
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Ein Schild mit der Aufschrift „Wahllokal“ hängt an einer Säule im Stadtteil Prenzlauer Berg.  Auch in Pankow muss neu gewählt werden. 
Ein Schild mit der Aufschrift „Wahllokal“ hängt an einer Säule im Stadtteil Prenzlauer Berg. Auch in Pankow muss neu gewählt werden. Hauke-Christian Dittrich/dpa

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Bundestagswahl in Teilen Berlins komplett wiederholt werden muss, bleiben 60 Tage Zeit, die Wahl durchzuführen. Der Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler rechnet mit dem 11. Februar 2024 als wahrscheinlichstem Wahltermin. Dass die Bürger in Teilen Berlins nun noch einmal ihr Kreuz machen müssen, ist ärgerlich, aber am Ende ein Zeichen funktionierender Demokratie. Wenn eine Wahl nicht korrekt durchgeführt wird, dann muss man sie wiederholen. 

Auch wenn es zwei Jahre gedauert hat, ist diese Vorgehensweise ein Zeichen für das Funktionieren unseres Rechtsstaates. Die mehr als 1700 Beschwerden über fehlende Wahlzettel, Schlangen vor Wahllokalen, Menschen, die ihre Stimme erst abgeben konnten, als schon die ersten Hochrechnungen veröffentlicht waren, sind nicht ins Leere gelaufen, sind nicht unter den Tisch gekehrt worden. Und das ist gut so.

Welt seit der Wahl 2021 eine andere

Auch wenn die Welt seit dem 26. September 2021 eine andere geworden ist – den Überfall Putins auf die Ukraine gab es ebenso wenig wie den neuen Konflikt Israels mit der Hamas –, wird die Neuwahl in 455 Berliner Wahlbezirken, wenn überhaupt, nur kleine Auswirkungen haben.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Wahl in Teilen Berlins Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestags hat. Auch die Unkenrufe, dass Direktmandate der Linken von Gregor Gysi und Gesine Lötzsch nun in Gefahr seien und sich die Zusammensetzung des Bundestages ändere, sind unnütz. Dazu sind es dann doch zu wenige Wahlkreise, in denen die Wahl danebenging und neu gewählt werden muss.

Linke kann aufatmen

Bei einer erneuten Wahl hätte der Verlust eines Direktmandates bedeutet, dass die Linke-Fraktion aus dem Bundestag fliegt. Laut dem Wahlforscher Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin droht dies aber nun nicht. In den Wahlbezirken von Gysi und Lötzsch werde zwar in einigen Wahllokalen neu gewählt, aber „das ist zu wenig, um das Ergebnis dort zu verschieben“, schreibt Faas auf X.

Das Chaos aber, mit dem Berlin unter seinem damaligen, für die Wahl verantwortlichen Innensenator Andreas Geisel berühmt wurde, sollte eine dringliche Mahnung sein, die nächsten Wahlen akribisch vorzubereiten. Sie sind die Grundlage der Demokratie und verdienen allen Respekt. ■