400.000 Euro Schadensersatz oder Knast: Zu den Klima-Klebern, die jetzt die Hammer-Strafe bekamen, gehört auch Hardcore-Aktivistin Lilli Gomez (25). Das Bekanntwerden des Urteils aus Hamburg ist noch nicht einmal einen Tag alt, da steht Klima-Lilli in Berlin schon wieder vor Gericht. Es geht um den Farbanschlag auf die Weltzeituhr am Alexanderplatz im Oktober 2023. In diesem Fall würde die Staatsanwaltschaft liebend gerne Klima-Lilli in den Knast stecken.
Das Kriminalgericht Berlin, Saal A220: Davor stehen Lilli Gomez und ihre Mitstreiter Hendrick F., Kathrin H. und Lina S. Das Quartett, das beschuldigt wird, am 17. Oktober 2023 mit Feuerlöschern und Spraydosen die Weltzeituhr mit oranger Farbe besprüht zu haben, ist gut gelaunt. Dafür wurden sie schon einmal verurteilt – vor einem Jahr im Amtsgericht Tiergarten.
Mit Geldstrafen 600 und 4200 Euro kamen sie davon. Insgesamt 6000 Euro Strafe für alle. Die Reinigung und Reparatur der Weltzeituhr kostete laut Rechnungen etwa 16.000 Euro. Zu hoch fanden Klima-Lilli (sollte 1800 Euro Strafe zahlen) und Kathrin H. (4200 Euro) ihre Geldstrafen und gingen in Berufung.

Das tat damals auch die Berliner Staatsanwaltschaft. Sie legte Berufung ein, weil sie die Strafen für alle vier Verurteilten als zu lasch ansah. Haftstrafen mit Bewährung wurden gefordert – bis auf eine Ausnahme: Lilli Gomez, die Hardcore-Aktivistin der damaligen Klimakampfgruppe „Letzte Generation“ (Straßenblockaden, Farbanschläge, Flughafen-Besetzungen), sollte für neun Monaten ohne Bewährung in den Knast wandern.
Im Berufungsverfahren boten Richter und Staatsanwältin den Beschuldigten jedoch einen Deal an: Alle vier akzeptieren die Geldstrafe von damals und die Staatsanwaltschaft, die mit Knast drohte, lässt die Berufung fallen.
Weltzeituhr versaut: Klima-Kleber geht auf Staatsanwalt-Deal ein
Warum die Staatsanwaltschaft dies vorschlug? „Alle vier Beschuldigten waren in den vergangenen Monaten nicht mehr in Berlin auffällig“, sagte die Staatsanwältin dem KURIER. Das wollte man den Weltzeituhr-Beschmierern nun zugutehalten.
Auf den Deal ging nur Hendrick F. ein. Er akzeptierte die 600 Euro-Geldstrafe (120 Tagessätze zu je 5 Euro) und erklärte, sich künftig an keine Aktionen mehr zu beteiligen. Für ihn ist der Weltzeituhr-Berufungsprozess nach einer halben Stunden beendet. Für die anderen drei geht er jetzt erst richtig los, fast sechs Stunden dauert die Verhandlung an diesem Tag.

Der Richter wunderte sich, dass Lilli Gomez nicht auf das Angebot einging. Schließlich hat die Hardcore-Aktivistin schon einige Verfahren hinter sich. Nicht alle endeten mit einem Freispruch, wie fürs Bemalen des Brandenburger Tors. Da gab es unter anderem eine 4.200 Euro Geldstrafe wegen Straßenblockade oder sieben Monate Knast (ohne Bewährung) für das Besprühen eines Jets auf Sylt.
Auch wenn viele Urteile nicht rechtskräftig sind: Hat Gomez nicht Angst, im Gefängnis zu landen oder ein Leben lang die hohen Geldstrafen abzubezahlen? Das wollte der Richter von ihr wissen. Und: Ob Gomez zu den Aktivisten gehörte, die im Sommer 2023 den Flughafen Hamburg lahmlegten, die per Urteil dafür 400.000 Euro Schadensersatz an die Lufthansa zahlen müssen?

Zögerlich gibt ihre Anwältin zu: Ja, das Urteil beträfe auch ihre Mandantin. Und Klima-Lilli gibt zu, dass sie schon Angst vor Knast und den Abzahlungen habe. Dennoch keine Reue. Es gehe um die Menschheit, um die Klimakrise. Die Zeit renne uns davon, daher auch die Sprühaktion auf die Weltzeituhr.
„Ich würde gerne mein Studium beenden und als Sozialarbeiterin arbeiten.“ Alte Aussagen, die neu aufgerollt werden, genauso wie die Verhandlung zum Farbanschlag auf die Weltzeituhr.
Anwältin von Klima-Lilli: „Was ist der Sinn der Weltzeituhr?“
Davon werden Videos und Bilder gezeigt. Die Anwältinnen von Klima Lilli (für sie wird Freispruch gefordert) und Kathrin H. zweifeln an, dass die Reinigungs- und Reparaturkosten für die Weltzeituhr von etwa 16.000 Euro gerechtfertigt sind. So wie beim Verfahren vor einem Jahr vor dem Amtsgericht Tiergarten. Da wurde die Schadenssumme auf etwa 9.600 Euro heruntergehandelt.

Als Zeuge ist Ingenieur Alexander Kluge (53) vom Bezirksamt Berlin-Mitte da. Die 16.000 Euro-Kosten seien für ihn nachvollziehbar. „Die Uhr zu reinigen, war ein großer Aufwand“, sagt er. Die Anwältinnen sehen das anders. Ihre Mandantinnen seien davon ausgegangen, dass man die Farbe problemlos wieder abbekäme.“
Und die Anwältin von Lilli Gomez will dann auch noch vom Zeugen wissen: „Was ist der Sinn und Zweck der Weltzeituhr?“ Eine Frage, die nach Hohn klingt und wie ein Schlag ins Gesicht der Menschen wirkt, die im Osten Berlins aufgewachsen sind und zu denen die Weltzeituhr ein Wahrzeichen ist, seit Jahren sogar unter Denkmalschutz steht.



