Neuer Name geplant

Letzte Generation macht Schluss: Darum wollen Klimakleber nicht mehr kleben

Straßenblockaden, Schmierereien, Attacken auf Flughäfen: Klimakleber sorgten für viel Ärger. Jetzt soll das alles mit einer Umbenennung vorbei sein. Was steckt dahinter?

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Aktivisten der Letzten Generation kleben sich auf einer Straße in Berlin fest. So begannen die Klimakleber im Jahr 2022 mit ihren Aktionen. Jetzt soll damit Schluss sein.
Aktivisten der Letzten Generation kleben sich auf einer Straße in Berlin fest. So begannen die Klimakleber im Jahr 2022 mit ihren Aktionen. Jetzt soll damit Schluss sein.Paul Zinken/dpa

Mit Straßenblockaden stürzten sie Berlin ins Chaos. Mit Farbattacken beschmierten sie das Brandenburger Tor und die Weltzeituhr am Alex. Nun machen die Chaoten von der Letzten Generation Schluss. Die Klimakleber wollen sich nicht mehr auf die Straße kleben. Wer jetzt aufatmet, freut sich zu früh. Die Klimaaktivisten wollen mit neuem Namen wieder kommen. Was steckt dahinter?

Es ist schon ein Paukenschlag. Im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erklärte Aktivisten-Sprecherin Carla Hinrichs (27): „Wir lassen den Namen hinter uns. Wir sind nicht mehr die Letzte Generation.“ Sie nennt auch den Grund: „Wir waren die Letzte Generation vor den Kipp-Punkten. Heute können wir nicht mehr sicher sein, dass das stimmt.“

Und offensichtlich haben die Klimakleber auch keine Lust mehr, sich auf den Straßen festzukleben. „Blockaden vor Autos und Flughäfen und Straßen sind erst mal nicht mehr unser Fokus“, sagt Hinrichs. Aber: Die Letzte Generation löst sich nicht auf, sie will sich nur umbenennen. Es soll neue, andere Aktionen geben. Ab wann? Das lässt die Sprecherin offen.

Schluss mit der Letzten Generation: Was steckt wirklich dahinter? Hinrichs erklärt, die neue Organisation wolle mit Aktionen in der Lage sein „in kritischen Momenten Tausende Menschen auf die Straße zu bringen, die für ein friedliches, demokratisches System einstehen. Dafür braucht es Training.“ Details werden nicht verraten.

Schluss mit der Letzten Generation: Das haben die Klimakleber jetzt vor

Nach dem Gespräch im Spiegel wird Hinrichs nun etwas deutlicher. „Für uns ist ganz klar, es wird weiter Proteste geben, die werden vielfältig sein, die werden auch störend und laut sein“, sagt Carla Hinrichs am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Aber für uns ist auch klar, wir wollen eine neue Form von Gemeinschaft bilden. Wir wollen die Demokratie demokratischer machen.“

Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation
Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten GenerationHannes P Albert/dpa

Woher kommt denn dieser Sinneswandel? Angeblich befindet sich die Gruppe in einem großen Prozess, um sich zu verändern. „Für uns ist ganz klar: Wir sind einfach nicht mehr die Letzte Generation, und das ist auch etwas, was uns zu denken geben sollte: Wir sind nicht mehr die Letzte Generation vor der Klimakatastrophe, sondern wir sind da mittendrin“, sagt Hinrichs.

Was wirklich dahinter steckt, sind möglicherweise die vielen Strafverfahren gegen ihre Mitglieder. Nicht nur wegen Straßenblockaden oder Farbattacken stehen oder standen sie vor Gericht. Auch wegen Angriffe auf Start- und Landebahnen von Flughäfen wie dem BER mussten sich die Klimaaktivisten verantworten. Gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr, Hausfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung wurde ihnen vorgeworfen.

Letzte Generation: 4844 Verfahren in Berlin

Wegen Angriffe auf den BER, einer Kartoffelbrei-Schmiererei auf ein Monet-Gemälde in einem Potsdamer Museum und einer Manipulation einer Pipeline der Ölraffinierie in Schwedt wurden Mitglieder der Letzten Generation in Brandenburg sogar wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Auch in Bayern ermittelte man deshalb gegen die Klimaaktivisten.

Zwei Beamte der Bundespolizei und ein Sicherheitsmitarbeiter nehmen einen Klimakleber nahe der Start- und Landebahn des BER fest (2022).
Zwei Beamte der Bundespolizei und ein Sicherheitsmitarbeiter nehmen einen Klimakleber nahe der Start- und Landebahn des BER fest (2022).Paul Zinken/dpa

In Berlin stufte man zwar die Klimaaktivisten nicht als kriminelle Vereinigung ein. Dennoch ging die Justiz in den vergangenen zwei Jahren gegen die Klimakleber vor. Von den 4844 Fällen sind offenbar noch 215 offen. Rechtskräftig sind nach den Angaben der Staatsanwaltschaft nur 243 Verurteilungen.

Und nicht immer fanden die Klimakleber das Wohlwollen der Berliner Richter. Es hagelte Geldstrafen. Im August wurde sogar ein Klimaaktivist (65) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Er habe sich an mehreren Sitzblockaden beteiligt und sich dabei zum Teil auch auf die Fahrbahn geklebt. Dabei habe er sich unter anderem der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht. Insgesamt seien 40 Fälle abgeurteilt worden.

Vor wenigen Tagen wurden in Schleswig-Holstein zwei Klimakleber zu Haftstrafen von jeweils sechs und sieben Monaten verurteilt – ohne Bewährung. Sie befand man für schuldig, einen Jet auf dem Flughafen in Sylt komplett mit Farbe beschmiert zu haben.

Eine Klimaaktivistin beschmiert das Brandenburger Tor mit oranger Farbe (2023).
Eine Klimaaktivistin beschmiert das Brandenburger Tor mit oranger Farbe (2023).Annette Riedl/dpa

Die Letzte Generation, die nach einem Klima-Hungerstreik in Berlin entstanden ist, fing 2022 mit ihren Aktionen an. Sie verteidigte sich immer damit, dass vor allem die Maßnahmen der Bundesregierung für den Klimaschutz zu wenig seien. Das wollten die Aktivisten ändern.

Letzte Generation: Zum Schluss gab es immer weniger Sympathisanten

Aktivisten-Sprecherin Hinrichs verteidigte die Protestformen, die bewusst gewählt worden seien. „Wir wussten, dass Gefängnisstrafen damit einhergehen können“, sagt sie. Solche Strafen seien für die Beteiligten sehr beängstigend. Aber: „Wir sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt, alles zu schützen, was uns lieb ist, jetzt ist der Zeitpunkt, wirklich Alarm zu schlagen, und wenn das manchen zu laut ist und sie uns dafür einsperren, dann ist das so. Aber ich glaube, die Zukunft wird zeigen, dass es so laut sein musste.“

Fakt ist aber auch: Mit den radikalen Aktionen machte die Letzte Generation zum Schluss selbst bei Sympathisanten wenig Freunde. Die Akzeptanz der Klimakleber schwand in der Öffentlichkeit immer mehr. Das dürfte auch Auswirkungen auf die Spendenfreudigkeit gehabt haben.

Denn mit Spendengeldern wurden nicht nur Aktionen finanziert, sondern auch angeblich die Gerichtskosten und Geldstrafen von Klimaklebern bezahlt. Möglich, dass der Letzten Generation nun so langsam auch das Geld ausgeht. Ein denkbarer Grund, warum die Aktivisten mit der Letzten Generation Schluss machen und neue Wege gehen wollen. Fragt sich nur, wohin diese führen werden.