Sechs Wochen nach seiner ungewöhnlichen Suspendierung solidarisieren sich SPD-Bezirksstadträte mit dem geschassten Lichtenberger SPD-Stadtrat Kevin Hönicke und fordern, dessen Freistellung „umfassend und transparent“ aufzuklären. Noch immer sind die Hintergründe für das Vorgehen des CDU-Bürgermeisters in Lichtenberg weitgehend unklar. Martin Schäfer hatte Hönicke im Alleingang den Zutritt zum Rathaus und zu Dienst-Technik und Unterlagen untersagt. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kevin Hönicke.
Es soll dabei um die Weitergabe von Dienstgeheimnissen gehen, Hönicke selber gibt an, er sei weiter nicht im Bilde darüber, was ihm vorgeworfen werde.
Nach Informationen des Tagesspiegels geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, dass Hönicke kurz vor der Wiederholungswahl 2023 anonym Briefe verschickt hat, um den damaligen Bezirksbürgermeister Michael Grunst in ein schlechtes Licht zu rücken.
Der Brief enthielt laut Tagesspiegel interne Mails von Lichtenberger Beamten über ein angebliches Sexualdelikt in der Bezirksverwaltung. Grunst sollte offenbar als zögerlich dargestellt werden. Letztlich bestätigte sich das vorgeworfene Sexualdelikt nicht, so der Tagesspiegel.
Die umstrittene Freistellung des Stadtrats, mit der im Bezirk auch die Mehrheitsverhältnisse verändert werden, kritisieren nun Hönickes SPD-Kollegen aus den anderen Bezirken. In einer Erklärung stellen sich die 14 übrigen SPD-Bezirksamtsmitglieder hinter den geschassten Genossen.
„Die sozialdemokratischen Mitglieder der Berliner Bezirksämter kritisieren die bereits mehr als sechs Wochen andauernde Freistellung ihres Kollegen, Bezirksstadtrat Kevin Hönicke aus dem Bezirksamt Lichtenberg“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
SPD fordert Aufklärung in Lichtenberg
In der Erklärung, die unter anderem auch Köpenicks Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) mitträgt, heißt es weiter: „Bei den Wiederholungswahlen hat die SPD in Lichtenberg 15,3 Prozent der Stimmen erhalten und wurde drittstärkste Kraft. Sie hat seither das Recht, eins von sechs Bezirksamtsmitgliedern zu stellen. Kevin Hönicke ist als Bezirksstadtrat ordnungsgemäß von der BVV gewählt worden und nimmt für die SPD das Mandat wahr. Der SPD wird trotz des Wählerwillens durch die Freistellung von Bezirksstadtrat Hönicke das Recht genommen, diese Verantwortung wahrzunehmen. Es ist auch nicht bekannt, wie stattdessen in dieser Zeit der Freistellung, die SPD in die gestaltende Politik des Bezirksamtes eingebunden bzw. informiert wird.“

Bezirksstadtrat Hönicke dürfe nicht länger im Unklaren darüber gelassen werden, worum es bei den Vorwürfen überhaupt geht, heißt es: „Wir fordern das Bezirksamt dazu auf, das Angebot zur Mitwirkung von Kevin Hönicke unverzüglich anzunehmen und darüber hinaus andere Mittel als die Freistellung zu prüfen. Hierzu gehört auch eine vorübergehende Änderung der Geschäftsverteilung, um die SPD ggf. in einem anderen Ressort wieder in die Verantwortung einzubinden.“
Freistellung ist ungültig
Das Vorgehen des Bezirksamtes Lichtenberg sei ein drastischer Schritt, der die politische Kultur stark gefährdet und Politikverdrossenheit verstärkt. „Eine ‚Freistellung‘ ohne benannte Rechtsgrundlage oder -belehrung ist aus unserer Sicht ungültig. Ein willkürlicher Verwaltungsvorgang, der sowohl jede Unschuldsvermutung als auch jeden kollegialen Umgang ad absurdum führt.“
Auf die Frage in der letzten Lichtenberger BVV-Sitzung, ob für Hönicke nicht auch die Unschuldsvermutung gelte, antwortete der Bezirksbürgermeister ausweichend. In Personalangelegenheiten nehme er nicht Stellung. Mittlerweile wehrt sich Kevin Hönicke vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen seine Freistellung.
Zu der gemeinschaftlichen Erklärung seiner SPD-Kollegen schreibt er: „Was für ein solidarisches Statement aus allen 12 Bezirken Berlins von den sozialdemokratischen Bezirksbürgermeistern, Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten zu der Freistellung durch den Bezirksbürgermeister Schaefer. Nicht typisch solche geschlossenen Statements der Politik, daher umso bewegender für mich.“