Berliner Nummer gegen Kummer

Kein Anschluss mehr bei Kummer – Sorgentelefon für Kinder bald tot?

Kein Geld mehr für die Kleinen? Das Berliner Sorgentelefon bekommt keine Fördergelder mehr. Eine Petition zum Erhalt haben schon 17 000 Menschen unterschrieben.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Manchmal weiß man nicht weiter, bei Liebeskummer, Mobbing, Streit mit den Eltern. Gut wenn dann jemand zuhört.
Manchmal weiß man nicht weiter, bei Liebeskummer, Mobbing, Streit mit den Eltern. Gut wenn dann jemand zuhört.picture alliance/dpa

Jeden Tag rufen im Durchschnitt 27 Kinder oder Jugendliche bei der Nummer gegen Kummer an. Sie haben Sorgen in der Schule, Streit mit Freunden oder in der Familie. Sie haben Ängste, werden gemobbt oder wissen in irgendeiner anderen Hinsicht nicht weiter.

Einer von etwa 90 Ehrenamtlichen sitzt dann, wenn das Telefon klingelt, an der anderen Seite des Hörers und schenkt dem oder der Anruferin Aufmerksamkeit. Sie hören zu und sind da, wenn sonst niemand Gehör schenkt. Nun erhält das Berliner Sorgentelefon „Nummer gegen Kummer“ ab April keine Fördergelder des Berliner Senats mehr. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie will alle Mittel für das Kinder-, Jugend-, und Elterntelefon streichen.

Der endgültigen Streichung sei bereits im Januar eine Mitteilung über eine Kürzung der Mittel um zunächst 40 Prozent vorausgegangen. Bereits diese Kürzung wäre „kaum kompensierbar gewesen“, sagte der Sprecher der Berliner Diakonie, Sebastian Peters. Die Diakonie ist Träger des Projekts. Pro Jahr müsse die Diakonie für ihre hauptamtlichen Mitarbeitenden 130.000 Euro ausgeben. Bisher wurde das Sorgentelefon den Angaben zufolge mit 100.000 Euro jährlich durch den Senat gefördert.

Die Sorgen unserer Jugend sind Berlin zu teuer

Die Direktorin der Berliner Diakonie, Ursula Schoen, sagte, damit sende der Senat das „fatale Signal: Die Sorgen unserer Jugend sind Berlin zu teuer“. Alternative Angebote würden die hohen Standards des anonymen Schutzraums, den die „Nummer gegen Kummer“ biete, nicht erfüllen. Sie sei „äußert irritiert über die Ankündigung und deren ungeheure Kurzfristigkeit“. Das Land teilte der Diakonie nach deren Angaben die Mittelstreichung am 28. Februar mit.

Selbst das Bundesfamilienministerium hatte den Senat in einem Schreiben, das dem epd vorliegt, um den Erhalt des Sorgentelefons gebeten. Bisher vergeblich. Beim Sorgentelefon in Berlin arbeiten an die 100 Ehrenamtliche, die nach eigenen Angaben etwa 10.000 Anrufe jährlich entgegennehmen. Die Ehrenamtlichen machen eine halbjährliche Ausbildung, um angemessen auf die Sorgen der Kinder und Jugendlichen reagieren zu können. „Mit ihnen so umzugehen, ist respektlos“, sagt die Berliner Leiterin des Sorgentelefons Sabine Marx.

17 000 Menschen fordern Erhalt der Nummer gegen Kummer in Berlin

Gegen die drohenden Kürzungen und die Schließung des Sorgentelefons in Berlin macht sich auch eine Petition stark. Über 17.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Die Sozialarbeiter von Gangway Pankow, einem Verein für Straßensozialarbeit, der die Petition initiiert hat, warnen vor den Folgen einer möglichen Streichung:

„Die Nummer gegen Kummer bietet niedrigschwellige Hilfe, die Gold wert ist. Es gibt Probleme, die man nicht mit der Familie oder Freunden besprechen möchte. Diese Ressource ermöglicht es Kindern und Jugendlichen, sich kommenden Schwierigkeiten zu stellen, indem sie ihnen einen sicheren und anonymen Raum zum Ausdruck ihrer Ängste und Anliegen bietet. Die Gelder für diesen essenziellen Dienst dürfen nicht gekürzt werden", heißt es in der Petition.

Sorgen bei schlechten Noten oder Fragen bei anderen Problemen werden anonym beantwortet.
Sorgen bei schlechten Noten oder Fragen bei anderen Problemen werden anonym beantwortet.epd

In Berlin gebe es eine Reihe weiterer Angebote für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen, führt der Senat an. Und vergisst dabei offenbar die chronische Überlastung etwa der bezirklichen Jugendämter, der Kriseninfrastruktur für Kinder in Not, die mangelnde Ausstattung von Schulen mit Psychologen und Sozialarbeitern.

Angesichts der steigenden Zahl junger Menschen, die Unterstützung suchen, fordern die Unterzeichnenden der Petition den Berliner Senat auf, die Finanzierung der Hotline langfristig zu sichern. Der jährliche Finanzierungsbedarf beläuft sich auf 100.000 Euro – eine Summe, die im Vergleich zu anderen staatlichen Ausgaben gering erscheint. Dass wichtige soziale Hilfsangebote immer wieder drastisch gekürzt oder gestrichen werden, während gleichzeitig Milliarden in Rüstung und Infrastruktur fließen, stößt vermehrt auf Kritik.

Viele Kinder und Jugendliche bekommen die Nummer von Vertrauenslehrern, Erzieherinnen oder Freunden. Für viele ist der Anruf ein erster Schritt auf der Suche nach Hilfe. Wenn Sie die Petition auf Change.org auch unterzeichnen wollen, gehts hier entlang.

Hilfe und ein offenes Ohr gibt es bundesweit kostenfrei unter der Rufnummer 116 111 von Montag bis Samstag von 14 Uhr bis 20 Uhr.  ■