Schatzsuche im Park

Jagd nach Gratis-Obst: Nicht mal richtig klauen kann man in Berlin!

Wer keinen Garten hat, findet auf einer Karte im Netz Obstbäume im Straßenland. Aber: Hängen die auch voller Früchte? Der KURIER hat es ausprobiert.

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Wird man in Berlin fündig, wenn man nach Gratis-Obst im Straßenland sucht? KURIER-Reporter Florian Thalmann hat es ausprobiert.
Wird man in Berlin fündig, wenn man nach Gratis-Obst im Straßenland sucht? KURIER-Reporter Florian Thalmann hat es ausprobiert.Berliner KURIER/Veronika Hohenstein

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, der Herbst steht vor der Tür – und damit ist in Berlin die Saison der Obsternte in vollem Gange. Pralle Äpfel, Birnen und Pflaumen hängen nun an den Bäumen, die Kleingärtner freuen sich über die frischen Früchte. Aber: Was tun, wenn man keinen Garten hat? Die Antwort ist klar: Klauen! Auf der Website „mundraub.org“ gibt es eine Karte, auf der Obstbäume im öffentlichen Straßenland verzeichnet sind, an denen sich jeder bedienen kann. Wie gut funktioniert das? Wir haben uns auf die Jagd nach dem Gratis-Obst begeben.

Wetter im Frühjahr ließ die Obstbäume sprießen, jetzt hängen sie voller Früchte

Der Anblick in so manchem Kleingarten macht einen schon neidisch. Erst in der vergangenen Woche waren wir KURIER-Reporter in der Laubenkolonie Bornholm unterwegs, um uns die besten Tipps der Hobby-Gärtner zu holen. Viele Gärtner berichteten davon, dass die Obstbäume in diesem Jahr so voll hängen, dass sogar Äste abbrachen oder zur Sicherheit abgesägt werden mussten. Der Grund: Das recht störungsfreie Wetter im Frühjahr ließ die Bäume ordentlich blühen.

Auch für Leute wie mich, die keinen eigenen Garten haben, soll es eine Lösung geben: Auf der Website mundraub.org sind Obstbäume im öffentlichen Straßenland verzeichnet. Äpfel, Mirabellen, Birnen, Kirschen und Co. soll es auch in Berlin an jeder Ecke geben. Gratis-Obst für alle Berliner? Das hört sich gut an! Probieren wir es aus: Wir haben uns an verschiedenen Stellen in der Stadt auf die Suche nach den Früchtchen gemacht. Und zwar mit ziemlich viel Elan und ziemlich leerem Magen.

Die Website mundraub.org zeigt, wo in Berlin öffentlich zugängliche Obstbäume stehen, an denen man sich gratis bedienen kann.
Die Website mundraub.org zeigt, wo in Berlin öffentlich zugängliche Obstbäume stehen, an denen man sich gratis bedienen kann.mundraub.org
Im Stadtpark Lichtenberg steht ein Mirabellenbaum, über und über behängt mit den kleinen, süßen Früchtchen. Nur rankommen muss man ...
Im Stadtpark Lichtenberg steht ein Mirabellenbaum, über und über behängt mit den kleinen, süßen Früchtchen. Nur rankommen muss man ...Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Die Karte führt uns nach Lichtenberg: In der Nähe der U-Bahn-Station Frankfurter Allee liegt der Stadtpark, der laut mundraub.org üppig mit Kirschbäumen bestückt ist. In der Theorie werden die roten Früchte noch bis in den August hinein geerntet, doch hier können wir nicht einmal die Bäume finden. Die angekündigten Johannisbeersträucher entdecken wir, aber so wie sie aussehen – welk und umgeben von Müll – hingen hier schon lange keine Beeren mehr. Doch dann, die Überraschung: Wie eine Oase am Horizont erstrahlt vor uns ein Mirabellenbaum im Sonnenlicht.

Im Stadtpark Lichtenberg gibt's Mirabellen gatis – man muss nur rankommen

Über und über voll sind die Äste mit den süßen Früchten, die in verlockendem Orange strahlen. Es gibt nur ein Problem: Wer hier pflücken will, braucht eine Leiter. Zu hoch hängen die Früchtchen, für uns unerreichbar. „Na, sie wollen wohl ernten?“, ruft uns eine Rentnerin zu, die unsere Versuche, hüpfend an die Mirabellen zu kommen, beobachtet. Mit einem Stock als Verlängerung des Arms gelingt es uns, ein paar der Früchte zu stibitzen. Sie sind köstlich und bringen Berliner Sommer auf die Zunge.

An einem Spielplatz an der Paul-Junius-Straße in Lichtenberg finden wir einen Birnenbaum - doch die Früchte hängen in unerreichbaren Höhen.
An einem Spielplatz an der Paul-Junius-Straße in Lichtenberg finden wir einen Birnenbaum - doch die Früchte hängen in unerreichbaren Höhen.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER
Mit etwas Glück und einem Buch, das wir zwischen die Äste werfen, holen wir uns die herrlich saftigen Birnen vom Baum.
Mit etwas Glück und einem Buch, das wir zwischen die Äste werfen, holen wir uns die herrlich saftigen Birnen vom Baum.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER
Die Brombeeren am Fennpfuhlpark sind hingegen ein schlechter Scherz.
Die Brombeeren am Fennpfuhlpark sind hingegen ein schlechter Scherz.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Wir haben Blut geleckt, doch Klauen ist in Berlin alles andere als leicht: Ein angeblicher Pflaumenbaum ganz in der Nähe liegt auf einem Privatgrundstück, von einem Birnenbaum im Gutspark an der Möllendorffstraße können wir auch nichts erwarten. Aus zwei Apfelbäumen an der Josef-Orlopp-Straße ist einer geworden – und der hat die Lust, Äpfel wachsen zu lassen, scheinbar schon lange verloren. In der Nähe soll ein Aprikosenbaum stehen – das klingt gut! Als wir nach langem Fußmarsch ankommen, erwarten uns Zieräpfelchen, die so aussehen, als seien sie essbar, aber nur einmal. Der  Apfelbaum gegenüber scheint einer Baustelle zum Opfer gefallen zu sein.

Eine einzige Kirsche finden wir an einem Kirschbaum am Fennpfuhlpark. Für einen Kuchen reicht das nicht.
Eine einzige Kirsche finden wir an einem Kirschbaum am Fennpfuhlpark. Für einen Kuchen reicht das nicht.Veronika Hohenstein7Berliner KURIER
In Karlshorst gibt's dann doch noch einen Super-Fund: Büsche voller Schlehen! Daraus wird im kommenden Winter Likör gemacht.
In Karlshorst gibt's dann doch noch einen Super-Fund: Büsche voller Schlehen! Daraus wird im kommenden Winter Likör gemacht.Veronika Hohenstein/Berliner KURIER

Dann: ein Lichtblick! Nach minutenlanger Suche entdecken wir an einem Spielplatz einen Birnenbaum. Auch hier hängen die Früchte viel zu hoch. Ich schmeiße mein Notizbuch zwischen die Äste, um für uns fachmännisch zwei saftige Birnen zu erlegen. Die platzen zwar auf, als sie auf dem Boden aufschlagen, schmecken aber trotzdem himmlisch. Da fällt kaum ins Gewicht, dass wir danach nur Misserfolge feiern können: Apfel-, Pflaumen- und Kirschbäume sind kaum auffindbar oder tragen keine Früchte – und die Brombeeren am Fennpfuhlpark sind ein schlechter Witz.

In Mitte sind die Bäume leer, dafür gibt's in Karlshorst reichlich Gratis-Obst

Auch bei einem Stichproben-Test in Mitte bleibt der Erfolg aus. Mirabellen? Aprikosen? Äpfel und Pflaumen? Entweder sind die Bäume weg oder ohne Früchte. An einer Stelle kann ich den Mirabellenbaum zwar finden, aber er ist leer – und das ist vermutlich auch gut so. Denn die Grünanlage, in der er steht, ist so zugemüllt und riecht nach Urin, dass das Ernten bestimmt keine Freude gemacht hätte. Berlin ist für Obstbäume ein hartes Pflaster: Wer hier ernten will, braucht viel Geduld und Spaß an der Freude. Man kann in Berlin also nicht mal richtig klauen! Der Test zeigt aber auch: Hartnäckigkeit wird belohnt – und es kann sich lohnen, die City zu verlassen.

Denn beim Versuch, auch rund um Karlshorst Gratis-Obst zu finden, werde ich dann doch überrascht. Auf einem Friedhof entdecke ich eine herrliche Streuobstwiese mit zahlreichen Bäumen, an denen saftige Äpfel hängen. Fußspuren im Gras zeigen mir, dass ich nicht der erste bin, der hier pflückt. Und dann, auf dem Weg nach Hause, entdecke ich eine so große Menge an üppig behängten Schlehen-Büschen, dass ich es kaum glauben kann. Strahlens blau leuchten die Früchte in der Morgensonne. Wo? Das verrate ich nicht. Denn aus Schlehen kann man leckeren Likör machen. Aber sollten Sie mich demnächst mit einem Eimerchen durch die Wuhlheide ziehen sehen, sagen sie gern mal „Hallo!“.

Kennen Sie gute Stellen, an denen man Obst pflücken kann? Oder haben Sie einen eigenen Garten, in dem sie sich über prall gefüllte Obstbäume freuen können? Schicken Sie uns Ihre Meinung an wirvonhier@berlinerverlag.com. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!