Verkehrs‑Revolution oder Freiheitsbruch?

Gerichts-Entscheidung gefallen: Ja, Berlin darf autofrei werden!

Der oberste Verfassungsgerichtshof Berlin musste die Frage klären, ob eine Bürgerinitiative einen „Volksentscheid Berlin“ autofrei starten darf.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Straße Unter den Linden ist wegen einer Demo autofrei. Diesen Zustand hätte eine Berliner Bürgerinitiative ferne für immer.
Die Straße Unter den Linden ist wegen einer Demo autofrei. Diesen Zustand hätte eine Berliner Bürgerinitiative ferne für immer.Schaap/imago

Es ist das ewige Streitthema: Der Autoverkehr soll in Berlin drastisch zurückgefahren werden. Geht es nach dem Willen von Parteien wie den Grünen und Umweltaktivisten, sollten am besten gar keine Fahrzeuge durch die Stadt rollen. Und so manche gehen sogar vor Gericht. Und so sollte am heutigen Mittwoch vor dem höchsten Gericht der Stadt entschieden werden, ob Berlin autofrei wird. Das Ergebnis: Ja, sie darf!

Es stimmt: Der Autoverkehr macht Berlin laut, verpestet mit Abgasen die Umwelt, sorgt für Stress, wenn man im Stau steht. Auf der anderen Seite sind viele Berliner auf den Autoverkehr angewiesen, etwa, weil die Öffis nicht fahrplanmäßig funktionieren und die Fahrgäste bis zu einer halben Stunde auf den U-Bahnsteigen warten lassen.

Doch Mitglieder einer Bürgerinitiative wollen Berlin autofrei machen. Es gibt bereits einen Gesetzentwurf, den die Mitglieder ausgearbeitet haben. Dazu soll es einen Volksentscheid geben. Doch der Senat wehrt sich massiv dagegen. Nun sollte heute der Berliner Verfassungsgerichthof entscheiden, ob ein Volksentscheid „Berlin autofrei“ überhaupt machbar und nach der Verfassung sinnvoll ist.

Kurz nach 10 Uhr wurde dann die Entscheidung der Richter verkündet. Der Antrag der Bürgerinitiative zur Einleitung eines Volksentscheides ist zulässig.

Was die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ will

Was die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ erreichen will?  Laut ihrem ausgearbeiteten Gesetzentwurf, soll der private PKW-Verkehr innerhalb des S-Bahn-Rings drastisch abgebaut werden. Die meisten Straßen sollen dafür als „autoreduziert“ klassifiziert werden, die nur von Bussen, Rettungsfahrzeugen oder dem Wirtschaftsverkehr genutzt werden sollen. Ausnahmen sind Bundesstraßen und die Stadtautobahn.

Man wolle den öffentlichen Raum gerechter verteilen, mehr Platz für Busse, Straßenbahnen und Radfahrende schaffen und damit auch für mehr Sicherheit und besseren Klimaschutz sorgen, erklärten die „Berlin autofrei“-Aktivisten dem RBB. Dagegen zieht der Senat nun vor Gericht.

Denn die Innenverwaltung hatte dem Verfassungsgerichtshof den Gesetzentwurf der „Autofrei“-Aktivisten zur Prüfung vorgelegt. Die Behörde hält den Gesetzesentwurf der Bürgerinitiative für verfassungsrechtlich bedenklich.

Für ein autofreies Berlin kämpft eine Bürgerinitiative seit Jahren. Ihr Vorhaben für einen Volksentscheid hatte der Senat gestoppt.
Für ein autofreies Berlin kämpft eine Bürgerinitiative seit Jahren. Ihr Vorhaben für einen Volksentscheid hatte der Senat gestoppt.

Etwa den Plan, dass Pkw-Besitzer in der City nur zwölf Fahrten im Jahr absolvieren dürfen. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Johannes Kraft, sieht da große Probleme. „Das bedeutet de facto, dass man den Menschen, die innerhalb des S-Bahn-Rings leben, das Auto verbietet“, sagte der Abgeordnete dem RBB im Vorfeld  der Entscheidung.

2021 hatte die Initiative bereits 50.000 Unterschriften für die Einleitung eines „Volksentscheides Berlin autofrei“ gesammelt. Laut Berliner Verfassung hätte danach die Bürgerinitiative innerhalb von vier Monaten die Unterschriften von mindestens sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten (170.000 Unterschriften) sammeln müssen. Doch der Senat stoppte damals das Verfahren.

Nun, wo der Berliner Verfassungsgerichtshof dem weiteren Verfahren zustimmte, kann die Bürgerinitiative wieder aktiv werden. Bekommt sie die 170.000 Unterschriften für die zweite Phase zusammen, wäre der Weg zum Volksentscheid offen.