Lautes Vogelgezwitscher, Hundegebell – und mittendrin Dirk Bufé und Hartmut Benter. Zwischen blühenden Obstbäumen und flatternden Sittichen begrüßen sie den KURIER in ihrem Hinterhof in Berlin-Pankow. Seit fast zwei Jahrzehnten kümmern sich beide um Tiere, die sonst keiner mehr haben will. Alte, kranke, ausgesetzte Tiere finden hier einen Platz zum Leben – und zum Sterben in Würde.
Aber die Idylle trügt, denn ein großer Umzug steht an. „Die Nachbarn und der Staat wollen die Tiere hier im Hinterhof nicht haben“, sagt Dirk, er zuckt mit den Schultern: „Vielleicht auch verständlich, das Gebelle und Gezwitscher kann laut sein. Uns macht es aber nichts aus.“
Liebe für alte Tiere: Hier gibt es keine Zwinger, keine Leinen
Zwei riesige Doggen, die Geschwister Ronaldo und Ronja, schmiegen sich an ihn, himmeln ihn an. „Die Hunde sind immer da, wo wir sind. Die wollen bei uns sein.“ Sie wurden vor vielen Jahren als Welpen ausgesetzt. Dirk und Hartmut sind für die Tiere auf dem Hof wahre Helden, viele verdanken ihnen das Leben. Wo diese zwei Doggen gelandet wären, hätten Dirk und Hartmut sie damals nicht aufgenommen, ist unklar. Die Schicksale vieler Tiere hier gehen unter die Haut. Traurige Lebensrealitäten und der Hof als letzte Hoffnung. Hier gibt es keine Zwinger, keine Leinen. Die Tiere werden so frei wie möglich gehalten.

Seit 2006 führen sie den Gnadenhof, nachdem sie lange im Berliner Tierheim mitgeholfen hatten. „Alte Tiere haben da keine Lobby, wir wollten, dass sie es trotzdem weiter schön haben, bis zum Lebensabend“, erzählt Hartmut, das war der Anfang.
Über die letzten 20 Jahre wurden hier dank Dirk und Hartmut Tausende Tiere beherbergt, gerettet, vermittelt und bis in den Tod liebevoll begleitet und betreut. Tiere, die von Berlinern ausrangiert, ausgesetzt, abgeschoben, entsorgt oder beschlagnahmt wurden. Tiere, die sonst auf sich allein gestellt gewesen wären. Tiere, mit denen man woanders „kurzen Prozess“ gemacht hätte. Tragische Schicksale, dreiste Aktionen von Besitzern … Dirk und Hartmut haben vieles gesehen, vieles erlebt und vor allem vielen Berliner Tieren eine Zukunft und ein Zuhause gegeben.

Als sie ihr eigenes Tierheim eröffneten, nahmen sie 30 alte Hunde vom Tierheim mit sowie Katzen und Vögel. „Wir wollten ihnen ein artgerechtes Leben ermöglichen“, sagt Hartmut. Weil sie gerade so beschäftigt mit dem Bau des neuen Heims sind, mussten sie mehrere Tiere in der letzten Zeit ablehnen. „Wir werden wirklich zugeschmissen mit Tieren“, sagt Dirk, es kommen fast täglich Leute, manchmal mit mehreren Tieren.
Die Retter der Tiere: Ende Mai steht der Umzug an
Seit 2023 wird das neue, aus Erbschaften und ein paar Spendengeldern finanzierte Alterstierheim am Posseberg nun schon gebaut. Ende Mai soll der Umzug vonstattengehen. Dann werden Dirk und Hartmut ihr Bestes tun, um die 200 Vögel, die elf Hunde und die Katze sicher umzusiedeln. Um die 400 bis 500 Tiere hoffen sie zukünftig beherbergen zu können.
Hast er ein Lieblingstier? Dirk schüttelt den Kopf: „Ich mag sie alle, würde keinen im Stich lassen … wir lassen niemanden zurück.“
Ist es hart, Tiere ins hohe Alter zu begleiten? „Ja, Tiere im Alter sind schwierig. Man sieht, wie sie abbauen, schwächer werden und wenn das Ende naht. Immer wieder Tiere verabschieden zu müssen, ist auch schlimm. Aber man gewöhnt sich dran, … muss man ja, sonst kann man keinen Gnadenhof führen. Wir haben aber auch die schönen Stunden, wir freuen uns über jedes Tier, dem wir helfen können“, erzählt Hartmut. Seine rechte Hand krault Ronja, die linke Ronaldo und zwischen seinen Beinen sitzt der kecke Charlie – jedes Tier hier, hat eine eigene Geschichte.
„Leute binden manchmal Tiere vor dem Haus an, oder stellen sie in Käfigen vor dem Haus ab … man wird traurig … Ich könnte das niemals. Die Leidtragenden sind immer die Tiere“, sagt Dirk. „Wir hätten hier schon alle möglichen Tiere haben können, aber man muss sie auch artgerecht halten, wir haben hier im Garten leider nicht die Kapazitäten.“
Die Sittiche in der Voliere fliegen zu uns, zwitschern unser Gepfeife nach. Dirk beobachtet sie, sichtlich fasziniert. „Die können 30 Jahre alt werden.“ Hartmut fragt seinen Partner: „Erinnerst du dich an den Bauern? Er stand mit einem Papagei vor der Tür, der wollte immer beißen. Er hieß Meck und war 53 Jahre alt und blind. Der war so lieb.“ Der Papagei lebte noch viele Jahre bei Dirk und Hartmut, das Beißen ließ er nach einer Weile auch sein.

Findet ihr, dass die Berliner sich zu unüberlegt Tiere anschaffen? „Man muss sich immer vorher gut überlegen, ob man sich Tiere anschafft. Die Tiere trauern, wenn sie Besitzer tauschen. Ein Buch kann man weitergeben, ein Tier nicht. Wenn möglich, sollte man ein Tier bis zum Lebensende behalten“, sagt Hartmut und setzt fort: „Der Gnadenhof ist eigentlich für diejenigen gedacht, die in schwierige Lebenslagen und Not geraten, nicht für solche, die sich umentscheiden und die Arbeit, die ein Tier bedeutet, doch nicht machen wollen. In anderen Fällen sind manche Tierbesitzer so verzweifelt, und genau für diese Menschen sind wir da. Leider werden Tiere aber oft aus den einfachsten Gründen einfach verstoßen, wie kann man nur?“
„Wir kämpfen für jedes Tier“
Im alten Café Senefelder lernten sich beide kennen, das war im Jahre 1991. Dirk war damals 24 Jahre alt und Hartmut 29 – und Tiere waren schon beim ersten Treffen ein Thema. Dass sie Jahre später eine wahre Lebensretterstation für verstoßene Tiere eröffnen würden, hatten sie zu dem Zeitpunkt wohl nicht erahnen können. „Das stand nicht auf dem Bierdeckel“, sagt Hartmut.
Um den Tieren gerecht zu werden, geben sie viel auf. Dirk und Hartmut arbeiten von Tag bis Nacht – und bitten jetzt um Hilfe. Sie brauchen Freiwillige, Tierliebhaber, die beitragen können, das neue Heim fertig zu bauen. „Wir wollen mit neuen ehrenamtlichen Helfern, das Heim noch effektiver aufbauen, wir brauchen Leute, die misten, putzen, Tiere kuscheln und uns regelmäßig und zuverlässig helfen.“ Ob Praktikanten, Rentner, oder Familien, oder diejenigen, die eine Aufgabe brauchen: wichtig ist, dass sie regelmäßig kommen – damit die Tiere sich dran gewöhnen können.

Auch brauchen sie Sachspenden, um das neue Heim, mit 600 Quadratmeter überdachter Fläche einzurichten: „Wir brauchen zwei Küchen, Sessel, Lampen, Decken, Stühle, Sofas, Regale, Schränke, Kratzbäume – und dann bitte keinen Müll, sondern gut erhalten.“
Unter Tel. 030/47 48 96 23 erreichen Sie Dirk und Hartmut, falls Sie mithelfen wollen. Beim Vogelgnadenhof und Altenheim für Tiere e.V. erfahren Sie mehr.
Woher kommt die Tierliebe? „„Meine Mutter war Alkoholikerin, sie war nicht für mich da, aber andere Menschen waren da, die waren lieb und gut zu mir“, erzählt Dirk. „Auch hatten wir so viele Katzen im Keller, die waren auch für mich da. Ich will den Tieren das zurückgeben, was sie damals für mich getan haben. Vielleicht habe ich da mein gutes Herz her.“ Er ist in Berlin-Mitte aufgewachsen, und war viel auf sich allein gestellt.“
Hartmut ist behüteter aufgewachsen. Er kommt von Anklam bei der Ostsee – aber auch bei ihm schlug das Herz für die Tiere. „Ich habe immer irgendwelche Tierchen zu Hause angeschleppt, Mutti hat gemeckert und Vati mitgeholfen“, er lacht. „Wir kämpfen für jedes Tier, jedes Geschöpf hat das Recht auf ein gutes und artgerechtes Leben.“ ■