Vor Wochen wurde sie vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf angekündigt. Die Sanierung der maroden Fahrbahn der Filandastraße zwischen Berg- und Südendstraße, die bis 27. Juli dauern soll. Verkehrsumleitungen und Baulärm würde es geben, hieß es. Nicht schön, aber was soll man machen – so dachten die Anwohner. Doch dann tauchten jetzt kleine Asbest-Warnschilder am Bauzaun auf – und seitdem haben ein Teil der Bewohner der Filandastraße eine Giftbaustelle vor ihren Fenstern!
Hinter einem dieser Fenster zur Straßenbaustelle hat im Erdgeschoss Familie Böttcher ihr Schlafzimmer. Im Schlafgemach der Eltern liegt auch Sohn Samuel (1 ½). Dass sich quasi vor ihrer Nase eine Giftbaustelle befinden wird, davon ahnte die Familie nichts.
Doch an diesem Montag fiel Sabina Böttcher (37) aus allen Wolken, als die Arbeiten auf der Fahrbahn begannen. „Da standen plötzlich Bauarbeiter in blauen Schutzanzügen und Schutzmasken und legten mit den Arbeiten los“, sagt sie. „Sofort war mir klar: Hier finden direkt vor unserer Haustür Asbest-Arbeiten statt – und keiner sagt uns was!“
Schnell wurden die Fenster geschlossen. „Möglich, dass wir schon giftige Asbestfasern eingeatmet haben. Uns sagt doch keiner etwas, wie man sich bei diesen Arbeiten verhalten soll!“, sagt Sabina Böttcher.
Ihr Mann Dennis (42) fragte einen Bauarbeiter, ob die Asbest-Vermutungen stimmen. „Es war offenbar ein Pole, der mir erklärte, er würde nichts verstehen als ich ihm die Asbest-Frage stellte.“
Für Dennis Böttcher ist es „eine Katastrophe, wie bei der Straßensanierung die betroffenen Anwohner im Unklaren gelassen werden, was auf der Baustelle geschieht“. „Es geht hier schließlich um unsere Gesundheit.“
Die Gefahr, die von Asbest ausgeht, ist laut Experten nicht zu unterschätzen. Besonders schwach gebundene Asbestprodukte gelten als hochgefährlich, weil sie leicht Fasern freisetzen, die beim Einatmen zu schweren Lungenerkrankungen, darunter Asbestose und Krebs, führen können – auch noch nach 30 Jahren.
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Einmal freigesetzt, blieben die feinen Fasern oft unsichtbar in der Luft und stellten eine ernsthafte Bedrohung für Menschen dar. „Ich kann nicht verstehen, wie leichtsinnig hier mit der Gesundheit der Anwohner gespielt“, sagt Dennis Böttcher. „Die Baufirma und der Bauherr hätten uns doch über mögliche Asbestarbeiten informieren müssen, was wir zu beachten haben, dass wir unsrer Fenster geschlossen halten müssen und so weiter. Informationen, damit wir wissen, was los ist. Stattdessen wurde geschwiegen.“

Dennis Böttcher zeigt auf ein Informationsblatt der Baufirma, das in vielen Hausfluren der von der Straßensanierung betroffenen Mietshäuser hängen. Im Text steht der Zeitraum der Arbeiten, dass es zu Einschränkungen kommt und dass die Baufirma bemüht ist, diese Einschränkungen für die Anwohner so klein wie möglich zu halten. Dass sich in der maroden Fahrbahndecke Asbest befindet, die nun saniert werden soll, davon steht nichts in dem Informationsblatt.
Davon steht auch nichts in der Mitteilung zu den Sanierungsarbeiten in der Filandastraße, die am 11. April vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf herausgegeben wurde. Erst auf KURIER-Nachfrage lässt Stadtrat Urban Aykal (Grüne) mitteilen: „Ja, in der Betonkonstruktion unterhalb der Asphaltschicht wurden Fugenmaterialien für die Querfugen eingesetzt, die asbesthaltig sind.“
Aykal ist seit 2021 in Steglitz-Zehlendorf für Ordnung, Umwelt- und Naturschutz, Straßen und Grünflächen zuständig. Seine Behörde ist als Bauherr für die Sanierung des Teilstücks der Filandastraße ausgewiesen, die an dieser Stelle zwischen 1965 und 1970 erbaut wurde.
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Der KURIER will von Aykals Behörde wissen, ob auch die Anwohner über den Asbest im Asphalt an der Filandastraße informiert wurden? Die Antwort: „Zu den stattfindenden Straßenbauarbeiten wurden die Anwohnenden informiert. Eine unmittelbare Gefahr für die Anwohnenden besteht nicht.“

Die betroffenen Anwohner sehen das etwas anders. Viele von ihnen kommen erst am vergangenen Wochenende ins Grübeln, als sie an der Filandastraße plötzlich Warnschilder „Achtung Asbest!!! Betreten der Baustelle verboten!“ entdecken.
Auch Dennis Böttcher hat dieses A4 große Schild nur durch Zufall entdeckt, von denen insgesamt sechs an dem Bauzaun rings um die knapp 700 Meter langen Straßenbaustelle hängen. In Hüfthöhe und nicht in Augenhöhe sind die Warnschilder angebracht. „Man muss sich schon bücken, um die Schilder zu sehen“, sagt Böttcher.
Dazu kommt, dass man gar nicht wusste, was die Warnungen überhaupt zu bedeuten hatten, erklärt er. „Wie gesagt, dass sich Asbest in der Fahrbahn befindet, darüber wurde ja keiner von uns informiert.“
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Ein Foto von dem Asbest-Schild geht als Warnung auch in WhatsApp-Gruppen unter Mietern in den Nebenstraßen herum. Man solle den Aufenthalt in der Nähe der Filandastraße am besten meiden.

„Durch Mundpropaganda habe ich auch von dem Asbest erfahren“, sagt eine ältere Dame aus der Nachbarschaft, die mit ihrem Hund auf dem Althoffplatz, auf dem auch ein Spielplatz ist, spazieren geht. Als die Seniorin gerade die Worte sagt, weht eine Staubwolke über den Platz.
Sie stammt von einem Förderband, das auf der Giftbaustelle Filandastraße steht und von dem Bauschutt auf einen Laster geschüttet wird. Ein Bauarbeiter erklärt, in dem Schutt ist nichts Giftiges drin. „Sonst würde ich hier nicht ohne Schutzanzug und Mundschutz stehen.“ Das Asbestzeug sei doch schon längst weg, sagt der Mann, der das Beladen des Lasters beaufsichtigt. Ob das stimmt? Nachprüfen können wir das nicht.
Wir fragen den Bauarbeiter, ob er wüsste, ob die Anwohner über die Asbest-Arbeiten informiert wurden. „Keine Ahnung“, sagt der Mann. Er fügt hinzu: „Aber die Leute müssen das ja auch nicht wissen. Sie sind gar nicht in Gefahr. Auch in der Luft fliegt nichts herum.“

Wie die Arbeiten ablaufen, damit keines Asbest-Fasern in die Luft kommen? Darüber will der Bauarbeiter mit uns nicht reden. Aber aus der Behörde von Stadtrat Aykal kommt Antwort.
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Für die „Asbestbeseitigung/Abbrucharbeiten wurde eine dafür zugelassene sachkundige Fachfirma beauftragt“, lässt der Grüne-Politiker ausrichten. „Die Arbeiten werden mit einem emissionsarmen Verfahren nach dem Stand der Technik durchgeführt.“ Die Arbeiten würden nach den Regeln der Gefahrstoffverordnung „Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 519“ ablaufen.
Für die Einhaltung und Umsetzung soll vor Ort ein „sachkundiger Aufsichtsführender“ sorgen, „Kontrollmessungen werden regelmäßig getätigt“, heißt es weiter.
Die Einhaltung der Gefahrenstoffverordnung ist bei Straßensanierungen mit Asbest enorm wichtig. Besonders bei Fräsarbeiten von Asphaltfahrbahndecken können große Mengen an Asbestfasern freigesetzt werden. Damit diese nicht in Wohnbereichen fliegen, schreibt der Gesetzgeber Maßnahmen vor, an denen sich die Baufirmen zwingend halten müssen.
Dazu gehört, dass die Abbrucharbeiten nur im Nassverfahren ausgeführt werden dürfen. Also nur mit Wasser und Schaum, damit der aufgewirbelte Staub Richtung Boden gedrückt wird. An der Filandastraße würden die asbestzementhaltigen Fugen mittels eines Verfahrens ausgebaut, so der Stadtrat. Dabei werden die Stellen „permanent befeuchtet und mit einem speziellen Absaugverfahren alle Stäube aufgefangen“.
Die Entsorgung des verseuchten Materials erfolgt über verschließbare Container, so der Stadtrat. „Kontakt mit Asbest erfolgt außerhalb des abgesperrten Baustellenbereiches nicht“, sagt er.