Der Skandal beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), in dem es um Vorwürfe der Vetternwirtschaft in der Chefetage ging: Jetzt begegnen sich die geschasste Sender-Intendantin Patricia Schlesinger (63) und die heutigen Verantwortlichen der ARD-Anstalt im Gerichtssaal. Knallhart soll es am heutigen Mittwoch (15. Januar) zugehen. Die einstige RBB-Chefin fordert von ihrem einstigen Arbeitgeber fast 18.400 Euro Ruhegeld. Der kontert mit Millionen-Schadensersatz, den Schlesinger zahlen soll.
Im August 2022 krachte es gewaltig: Medien berichteten über Vetternwirtschaft an der Spitze des RBB. Gelder der Gebührenzahler wurden verschwendet. Obwohl der Sender an jeder Ecke offiziell sparen musste, wollte man sich unter anderem ein Digitales Senderzentrum gönnen, das Millionen an Euro verschlingen sollte.
Und dann tauchten Berichte auf, in denen man Mitgliedern der Chefetage Ungeheuerliches vorwarf: Unter anderem wurden private Essen auf Senderkosten abgerechnet. Der RBB wirkte wie ein Selbstbedienungsladen, als bekannt wurde, dass es ein Bonus-System für die damaligen RBB-Führungskräfte gegeben haben sollte.
Auf Grund dieser Geschichten rechnete man dann mit der damaligen RBB-Intendantin Schlesinger ab. Kurz nach ihrem Rücktritt wurde sie dann vom RBB-Verwaltungsrat fristlos gekündigt – obwohl Schlesinger die Vorwürfe bis heute abstreitet.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einstige RBB-Chefetage
Dennoch nahm die Berliner Generalstaatsanwaltschaft im August 2022 unter anderem wegen des Verdachts der Untreue Ermittlungen gegen Patricia Schlesinger, ihren Mann sowie Wolf-Dieter Wolf, den damaligen Vorsitzenden des RBB-Verwaltungsrats auf. Kurz darauf wurden auch Ermittlungen gegen die ehemalige juristische Direktorin und den Verwaltungsdirektor eingeleitet. Die Auswertung dazu dauerten an, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte.
Doch um die Vorwürfe um die Machenschaften an der einstigen Senderspitze geht es jetzt gar nicht in der Verhandlung am Berliner Landgericht in Berlin-Mitte. Denn die Ex-RBB-Chefin Schlesinger tritt als Kläger auf!
Die einstige Intendantin verlangt nach Gerichtsangaben die Zahlung eines monatlichen Ruhegeldes. Um die Prozesskosten nicht unnötig in die Höhe zu treiben, fordere sie zunächst eine Auszahlung von rund 18.400 Euro für den Monat Januar 2023. Damit soll nach Gerichtsangaben geklärt werden, ob sie auch nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich einen Anspruch auf die Zahlung vom früheren Arbeitgeber hat.
Der öffentlich-rechtliche Sender reagierte mit einer sogenannten Widerklage. Nach jüngsten Angaben des Gerichts beläuft sich die RBB-Forderung auf rund 1,78 Millionen Euro.
RBB fordert 1,78 Millionen Euro Schadensersatz
Laut einem RBB-Bericht umfasst die Akte dazu gut 5.000 Seiten. Anfangs ging es nur um die Erstattung der Kosten für – nach Einschätzung des RBB – „nicht-dienstlich“ begründete Essen in Schlesingers Privatwohnung, umstrittene Reisen, angeblich privat verursachte Schäden an ihrem Dienstwagen sowie die Bonuszahlungen, die sie für das Jahr 2018 erhalten hat.
Inzwischen fordert der RBB von Schlesinger Schadenersatz für sämtliche seit 2019 geleisteten Bonus-Zahlungen sowie eine ARD-Zulage für die Geschäftsleitung und Führungskräfte. Die Summe beläuft sich auf die rund 1,78 Millionen Euro.
Laut dem RBB ließ Patricia Schlesinger ließ dazu über ihren Medienanwalt mitteilen, dass die Widerklage des Senders ser Versuch sei, sie „um ihre Altersrente zu bringen, die sie sich in 32 Jahren erarbeitet habe. Das Ziel sei es, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, man hätte alles versucht, den angeblich von Frau Schlesinger verursachten Schaden zu minimieren.“
Zoff vor Gericht: Für Ex-RBB-Chefin stehen die Chancen gut
Die Chancen stehen offenbar für Schlesinger recht gut. „Die Tendenz ist so, dass das Prozess-Risiko aufseiten der Beklagten ist“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort und meinte damit den RBB.
Der Richter stellte die Argumentation des Senders an vielen Stellen infrage. Einmal sagte er zu einem der RBB-Anwälte: „Sie sind so moralisch.“ Er zog in Zweifel, ob man Schlesinger auf Grundlage der Vorwürfe des Senders – etwa Sittenwidrigkeit – das Ruhegeld absprechen kann. Es seien mehrmals solche Verträge geschlossen worden.
Dass die damalige Intendantin eine Situation ausgenutzt habe, sei zunächst nicht ersichtlich. Ein Anwalt Schlesingers betonte: „Sie ist auf Ruhegeld angewiesen.“
Der Richter regte eine Einigung an und fragte auch in die Schlesinger-Richtung, was man bereit sei zu geben. In der Verhandlung geht auch um Details wie Dienstwagen, Dienstreisen und die Essen in Schlesingers Privaträumen.
In der Verhandlung saß im Zuschauerbereich auch Schlesingers Ehemann. Die Gespräche wurden zunächst unterbrochen. Schlesinger saß zwischen ihren Anwälten und ließ in der Regel ihre Anwälte auf Fragen des Richters antworten. Lediglich als es um Angaben zu Zulagen für den ARD-Vorsitz ging, meldete sie sich persönlich zu Wort.
Die Ausführungen von Richter Markfort lösten mehrfach zustimmendes Kopfnicken auf der Schlesinger-Seite aus. Die Vertreter des RBB zeigten sich dagegen mehrfach verärgert.
Etwa zweieinhalb Stunden dauerte der Verhandlungstag. Er endete ohne Ergebnis. Der Richter riet, dass sich die Ex-RBB-Chefin und der Sender sich einigen sollten. Beide Seiten erklärten, dass man Gespräche führen und nach einer Einigung suchen wolle. Doch das kann dauern. ■