Ein Herzmediziner der berühmten Charité steht im Verdacht, Herr über Leben und Tod gespielt zu haben. Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll für Russland spioniert haben. Und ein früherer Mitarbeiter der Stasi soll sich rund 35 Jahre nach dem Mauerfall wegen Schüssen an der innerdeutschen Grenze wegen Mordes verantworten. Bei den Berliner Strafgerichten stehen wieder spannende Fälle an. Diese Urteile und neue Prozesse erwarten uns im Jahr 2024:
Rapper contra Berliner Clanchef

Nach rund drei Jahren und vier Monaten scheint der Prozess mit Rapper Bushido als Nebenkläger und Zeuge auf der Zielgeraden zu sein. Im Januar sollen die Plädoyers beginnen. Bislang ist der 26. Januar als letzter Prozesstag geplant. Der Vorsitzende Richter Martin Mrosk sagte schon im Sommer 2023: „Aus Sicht des Gerichts befindet sich der Prozess auf der Zielgeraden.“ Beteiligte sahen das anders, so dass sich die Verhandlung weiter hinzog. Seit August 2020 prüft das Landgericht Berlin die Vorwürfe gegen einen Clanchef und drei seiner Brüder. Es geht um mutmaßliche Straftaten wie Freiheitsberaubung, Nötigung und versuchte schwere räuberische Erpressung zum Nachteil Bushidos, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi.
Tod zweier Patienten
Hat ein Herzspezialist der berühmten Berliner Charité Herr über Leben und Tod gespielt und zwei Schwerstkranke durch überdosierte Medikamente getötet? Seit knapp drei Monaten steht der Oberarzt wegen Totschlags vor Gericht. Mitangeklagt wegen Beihilfe in einem Fall ist eine Krankenschwester. Der 56-Jährige wies die Vorwürfe zurück: Er sei sich sicher, „das Leben der Patienten nicht verkürzt zu haben“. Zur Vermeidung von Schmerz und Stress habe er den Sterbenden ein Sedierungsmittel injiziert. Die Richter hatten den Prozess zunächst bis zum 16. Januar terminiert. Voraussichtlich werden weitere Verhandlungstage benötigt.
Vater ertränkt sein Baby

In der Nacht zum 12. August vergangenen Jahres kam ein Mann mit einer Babytragetasche in das Unfallkrankenhaus Berlin (UKB). In der Tasche lag sein lebloser Sohn. Die Ärzte konnten nichts mehr für den Säugling tun. Wenig später wurde der damals 37-jährige Vater des Kindes festgenommen, ein Richter erließ Haftbefehl. Die Abwesenheit seiner Frau und fünfjähriger Tochter ausnutzend soll der Mann seinen bekleideten Sohn in eine mit Wasser gefüllte Babywanne gelegt haben – „mit dem Kopf vollständig unter Wasser“, wie die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung mitteilte.
Anschließend sei der Angeklagte in einen Nebenraum gegangen und habe gewartet, „bis die Planschgeräusche aufgehört hatten“. Am 29. Januar beginnt vor der 35. Großen Strafkammer, einer bei versuchten und vollendeten Tötungsdelikten zuständigen Schwurgerichtskammer, der Prozess gegen den mittlerweile 38 Jahre alten Vater des getöteten drei Monate alten Jungen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Motiv laut Staatsanwaltschaft: So soll sich der Angeklagte „durch das zweite Kind in seiner Lebensführung gestört gefühlt haben“. Für den Prozess sind insgesamt sieben Verhandlungstage geplant, ein Urteil könnte demnach am 7. März gesprochen werden.
Brennpunkt Görlitzer Park
Ein brutaler Überfall auf ein Ehepaar, bei dem mehrere Angreifer die Frau vergewaltigt haben sollen, löste erneut eine Debatte über Sicherheit in dem „kriminalitätsbelasteten Ort“ aus. Gegen drei junge Männer soll demnächst ein Prozess wegen besonders schwerer Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Raubes beginnen. Die 22- und 21-Jährigen sollen am Morgen des 21. Juni 2023 mit mindestens zwei weiteren bislang unbekannten Männern das Ehepaar attackiert haben. Zunächst sei der Ehemann geschlagen und beraubt worden, dann sei die 27-jährige Frau vergewaltigt worden.
Schüsse an innerdeutscher Grenze
Rund 35 Jahre nach dem Fall der Mauer soll ein Ex-Stasi-Mitarbeiter wegen Mordes vor Gericht kommen. Der Prozess gegen den heute 79-Jährigen wird voraussichtlich in wenigen Wochen vor dem Landgericht beginnen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte im Oktober 2023 bekannt gegeben, dass sie Anklage gegen den Leipziger erhoben hat. Der Mann soll am 29. März 1974 einen Polen in Ost-Berlin am früheren Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße erschossen haben. Laut Anklage soll er das 38 Jahre alte Opfer „mit einem gezielten Schuss in den Rücken aus einem Versteck heraus“ getötet haben. Der Beschuldigte soll laut Anklage zur Tatzeit einer Operativgruppe des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit angehört haben und mit der „Unschädlichmachung“ des Polen beauftragt worden sein.
Spionage-Verdacht beim BND
Seit Mitte Dezember stehen ein 53 Jahre alter Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und sein mutmaßlicher Komplize (32) vor dem Berliner Kammergericht. Ihnen wird Landesverrat vorgeworfen. Die beiden Deutschen sollen im Herbst 2022 - einige Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - geheime Informationen an den russischen Geheimdienst FSB weitergegeben und dafür einen Agentenlohn von mehreren Hunderttausend Euro erhalten haben. Für den Prozess sind zunächst Prozesstage bis 17. Juli geplant. Ob dann aber tatsächlich bereits ein Urteil ansteht, ist fraglich.
49-Millionen-Euro-Coup
Waren es Männer aus dem Clan-Milieu, die als Hauptakteure bei einem Einbruch in einem Berliner Tresorraum reichlich Beute machten? Seit drei Monaten stehen fünf Angeklagte vor dem Landgericht - darunter der damalige Geschäftsführer der Firma, die den Tresorraum angemietet hatte. Er gilt nun als „Kronzeuge“. Bei der Tat im November 2022 wurden laut Anklage 295 Schließfächer aufgebrochen und geplündert. Die Beute ist bis heute verschwunden. Vier der Angeklagten rechnen die Ermittler dem Clan-Milieu zu. Wann es zum Urteil kommen könnte, ist noch unklar.
Klimaschutz-Demonstranten als Dauerbrenner
Strafverfahren nach Straßenblockaden der Gruppe Letzte Generation sind inzwischen zu einem Alltag im Amtsgericht Berlin-Tiergarten geworden. In der Regel geht es um die Vorwürfe der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Bis Ende September 2023 hatte die Berliner Staatsanwaltschaft mehr als 2500 Verfahren gegen Mitglieder der Klimaschutz-Gruppe eingeleitet - die Hauptstadt ist Angaben zufolge die Großstadt mit der höchsten Zahl von Strafverfahren gegen Klimademonstranten. ■