Das Ehrenamt hat Gabi zur Großmutter gemacht. Eigene Kinder hat die 69-Jährige zwar nicht, aber jetzt den kleinen Wonja – ihren „Leih-Enkel“, wie sie scherzhaft sagt. Als die Chirurgin ihre Stelle als leitende Oberärztin an einem Berliner Krankenhaus aufgab und in den Ruhestand ging, war für sie klar, dass sie sich ehrenamtlich engagieren möchte. Sie schaute sich um – und fand, dass der Großelterndienst, ein Projekt des Berliner Frauenbundes, genau das Richtige für sie ist.
Nun gehört Gabi als Wunschgroßmutter zur Familie von Wonja und seiner Mama Kathrin. „Wir hätten es nicht besser treffen können“, sagt Kathrin, die alleinerziehend ist. Als sich die drei zum ersten Kennenlern-Gespräch trafen, war schnell klar, dass sie gut zueinanderpassen.
Wonja war damals elf Monate alt. „Eigentlich dachte ich, dass ein älteres Kind besser zu mir passt – eines, mit dem ich schon sprechen kann“, erzählt Gabi. Doch darauf komme es nicht an, sagte man ihr beim Großelterndienst. Und so war es. Wunschoma Gabi und der kleine Wonja verstanden sich vom ersten Moment an.

Wonja ist jetzt zweieinhalb Jahre alt, ein bezaubernder kleiner Junge. Fragt man ihn nach Gabi, antwortet er stolz: „Das ist meine Babi, meine Wunschoma.“ Einmal in der Woche kommt die Wunschoma zu Wonjas Kita in Wilmersdorf, um den Kleinen abzuholen: „Wenn er mich sieht, die Arme hochreißt und auf mich zurennt – das ist jedes Mal ein großes Glücksgefühl für mich.“
Gabi kennt alle Spielplätze in der Gegend
Bei gutem Wetter gehen die beiden auf den Spielplatz, wenn es regnet in die Bibliothek zu den Kinderbüchern. „Gabi kennt inzwischen alle Spielplätze in der Gegend – mehr als ich“, sagt Kathrin und lacht. Die Sozialarbeiterin kommt aus Stuttgart, sie hat keine Familie in Berlin. Nach der Geburt ihres Sohnes hat sie sich ganz bewusst um eine Wunschgroßmutter bemüht. Es ging ihr nicht nur um eine Betreuung: „Mir war wichtig, dass Wonja eine weitere feste Bezugsperson hat, zu der er eine Bindung aufbauen kann.“
Den Großelterndienst gibt es seit 1989. Er bringt vorzugsweise Alleinerziehende, aber auch junge Familien, denen ein unterstützendes Netzwerk fehlt, mit älteren Menschen zusammen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen und sich über eine familiäre Anbindung freuen. Dieser Aspekt war für Gabi ausschlaggebend, sich gerade hier zu engagieren.

Die Ärztin macht viel Sport, genießt jetzt im Ruhestand das Berliner Kulturleben noch mehr als zuvor. Nun auch für den kleinen Wonja da zu sein und seine Mama zu unterstützen, bereichert ihr Leben auf ganz neue Weise. Mit ihr hat sich die kleine Familie erweitert, sie unternehmen manchmal etwas gemeinsam, und Wonja ist auch öfter zu Hause bei Gabi und ihrer Frau, die auch Gaby (mit Ypsilon) heißt und mit der sie seit fast zwanzig Jahren verheiratet ist.
Wonja hat Großeltern und seine Wunschgroßmutter
Wie ist das für Wonjas leibliche Großeltern in Süddeutschland – gibt es da keine Eifersucht? „Nein, meine Eltern freuen sich, dass Wonja einen weiteren liebevollen Menschen in seinem Leben hat, der für ihn da ist und sich kümmert“, sagt Kathrin. „Und wir kommen oft und dann auch lange zu Besuch nach Stuttgart. Meine Eltern verbringen viel Zeit mit ihrem Enkel.“
Dass Wunschgroßmutter Gabi selbst keine Kinder großgezogen hat, damit keine Erfahrung hat, war nie ein Problem. Sie strahlt eine große Ruhe aus, Wonja fühlt sich bei ihr geborgen. „Über grundsätzliche Erziehungsfragen spreche ich mich mit Kathrin ab, wie sie es handhabt“, erklärt Gabi.
Es gibt ein paar Regeln, etwa dass Wonja die Hand geben muss, wenn man eine Straße überquert. Aber Gabi lässt ihm – wie es sich für eine Großmutter gehört – auch mal was durchgehen, wo seine Mama strenger ist. Wonja lege Wert darauf, dass sie in ihrer gemeinsamen Zeit ganz für ihn da sei, erzählt Gabi mit einem Augenzwinkern: „Da muss ich auf dem Spielplatz auch schon mal mit aufs Klettergerüst.“

Für Mama Kathrin, die in Teilzeit arbeitet, ist es eine große Erleichterung, dass ihr Kind bei der Wunschoma so gut aufgehoben ist. Gabi springt auch mal ein, wenn akut Unterstützung nötig wird. „Sie ist mein Rückhalt – sie ist immer da, wenn ich sie brauche“, sagt Kathrin. Eine Bezahlung erhalten Wunschgroßeltern nicht, es wird jedoch eine Aufwandsentschädigung vereinbart. Meist geben die Eltern vier Euro pro Stunde – was kleinere Ausgaben, wie etwa ein Eis für das Kind, decken soll.
„Er ist jetzt mein Enkel. Und das bleibt er für mich.“
Wie intensiv die Beziehung zwischen Wunschgroßeltern und Wunschenkeln ist und wie lange sie hält, bleibt den Beteiligten überlassen. Gabi will für Wonja auch in Zukunft da sein, und den Jungen weiter begleiten und unterstützen. „Er ist jetzt mein Enkel. Und das bleibt er für mich.“






