Prozess

Dooring-Unfall in Charlottenburg: Wer ist schuld am Tod des Radfahrers?

Ein Radfahrer fuhr gegen eine sich öffnende Autotür, stürzte und erlag seinen Verletzungen. Vor Gericht musste jetzt die Schuldfrage geklärt werden.

Author - Berliner KURIER
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Der Angeklagte (r.) mit seinem Verteidiger.
Der Angeklagte (r.) mit seinem Verteidiger.Axel Billig / Pressefoto Wagner

Der Mann auf dem Klappfahrrad konnte nicht mehr ausweichen, prallte gegen eine geöffnete Taxi-Tür. Der „Dooring“-Unfall endete tödlich. Die Frage der Schuld aber bleibt ungeklärt.

Der Prozess um den Todescrash in Charlottenburg. Ein damaliger Taxi-Fahrgast auf der Anklagebank: Rainer U. (74, Name geändert) aus Köpenick. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung. Es geschah am 20. Februar 2023. Der Rentner stieg in Spandau in ein Taxi, saß auf der rechten Seite der Rückbank. Gegen 14.25 Uhr war das Ziel erreicht: Kantstraße Ecke Wielandstraße.

Radfahrer Sven W. (50) war auf dem Fahrradstreifen an der Kantstraße unterwegs. Ein Zeuge: „Er war gemütlich unterwegs.“ Doch plötzlich die Autotür. Der Familienvater konnte nicht mehr ausweichen. Bei dem Sturz erlitt er so schwere Kopfverletzungen, dass er später in einem Krankenhaus starb.

Dooring: In Berlin trifft es täglich zwei Radfahrer

Die Staatsanwältin warf dem Taxi-Fahrgast vor: „Er öffnete die die rechte hintere Tür des Fahrzeugs, ohne auf den rückwärtigen Radverkehr zu achten.“ Dadurch habe er den am Taxi vorbeifahrenden Radfahrer nicht gesehen. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Ein „Dooring-Unfall“, also eine sich plötzlich öffnende Autotür. Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) werden in der Hauptstadt durchschnittlich zwei Radfahrer pro Tag durch unachtsam geöffnete Autotüren verletzt.

Rentner U. bestritt Unachtsamkeit. Sein Anwalt: „Der Unfall macht ihn tief betroffen, er möchte sein aufrichtiges Beileid ausdrücken. Aber er hat die Tür einen Spaltbreit geöffnet, um 30 Grad, und nach hinten geschaut.“ Ein tragisches Unglück sei es. Anwalt Peter Zuriel: „Es gibt Schicksalsschläge, unvermeidbare Ereignisse, die nicht strafbar sind.“

Ein Unfallgutachter (33) prüfte den Fall, legte eine mit vielen Fotos und Berechnungen gefüllte Mappe auf den Richtertisch. Und erklärte: „Es gibt für diesen Fall viele technische Möglichkeiten.“ Sicher scheint: Der Taxifahrer (50) hielt im Kreuzungsbereich auf einen durch Streifen markierten Bereich. Eine Sperrfläche, die eigentlich nicht befahren werden darf. Rechts daneben ein Fahrradstreifen. Das Taxi stand kurz hinter der Wielandstraße. Von dort kam ein anderes Auto, wollte abbiegen. Wahrscheinlich laut Gutachten: Der Radfahrer wollte dem aus der Wielandstraße kommenden Fahrzeug ausweichen. Er zog vermutlich nach links, dann zurück nach rechts auf den Radweg.

Verkettung unglücklicher Umstände?

Der Experte errechnete: Wenn er mit Tempo 15 unterwegs war, hätte er sich für wenige Sekunden hinter dem Mercedes-Taxi befunden – „dann wäre er durch Schulterblick aus der um 30 Grad geöffneten Tür in dieser Zeit nicht zu erkennen gewesen“.

Eine Verkettung unglücklicher Umstände? Die Staatsanwältin sah es anders, plädierte auf eine Geldstrafe von 1.500 Euro. Richter Karsten Parpart folgte dem Verteidiger: „Ich kann den Fall aus tatsächlicher Hinsicht nicht richtig aufklären.“ Fest stehe, dass die Tür des Taxis nicht weit geöffnet gewesen sein kann. Für das Geschehen gebe es viele Möglichkeiten. Urteil: Freispruch auf Kosten der Landeskasse. KE.