Dreck, Lärm und zu wenige Grünflächen in der Innenstadt: Das zeigt der neue Umweltgerechtigkeitsatlas.
Dreck, Lärm und zu wenige Grünflächen in der Innenstadt: Das zeigt der neue Umweltgerechtigkeitsatlas. imago/Sabine Gudath

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz hat gemeinsam mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen aktualisierte Karten zum Stand der Umweltgerechtigkeit in Berlin vorgelegt. Wer diese Karten nicht kennt, sollte das schleunigst ändern.

Die Kartenmappe, um die es geht, nennt sich Umweltgerechtigkeitsatlas und untersucht die Verteilung von gesundheitsschädlichen Umweltbelastungen. Dabei geht es um Lärmbelastung, Luftverschmutzung, thermische Belastung und auch um die mangelnde Grünversorgung „im Zusammenhang mit Wohnorten von Menschen mit niedrigem sozialen Statusindex“. Grundlage für die Kartierung ist die sogenannte Kiezebene.

Zum Hintergrund: Das Land Berlin hat bereits 2019 bundesweit als erster Metropolenraum ein Konzept der Umweltgerechtigkeit im Rahmen eines Pilotprojekts erarbeitet. Jetzt gibt es aktualisiertes Karten- und Datenmaterial dazu.

Eine der Karten aus des neuen Umweltgerechtigkeitsatlas.
Eine der Karten aus des neuen Umweltgerechtigkeitsatlas. Berliner Senat

Um die mehrfach belasteten Quartiere in der Hauptstadt identifizieren zu können, heißt es auf der Senats-Homepage seien fünf Kernindikatoren für den ressortübergreifenden Umweltgerechtigkeitsatlas analysiert worden. Nämlich:

Kernindikator Lärmbelastung: „Lärm gilt als eine der bedeutendsten Umweltbelastungen mit signifikanten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sowie die Wohn- und Umweltqualität.“

Im Bericht heißt es: „Wie […] zu erkennen ist, werden insbesondere an Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken mittlere bis hohe Lärmbelastungen und Lärmbetroffenheiten erreicht. Dort sind dann aufgrund der verdichteten städtischen Bebauungslage häufig eine hohe Zahl von Einwohner:innen gleichzeitig von Verkehrslärm betroffen.“ Und weiter: „Allein an den Berliner Hauptverkehrsstraßen sind circa 340.000 Anwohnende nachts von Lärmpegeln oberhalb der gesundheitsrelevanten Schwelle von 55 dB(A) betroffen.“

Kernindikator Luftschadstoffe: „Die Luft wird durch gesundheitsbeeinträchtigende Schadstoffe aus Verkehr, Industrie, Kraftwerken und privaten Haushalten verunreinigt. Luftschadstoffe können u. a. zu Erkrankungen der Atemwege und des Herzkreislaufsystems führen.“

Im Bericht heißt es: „Die Verschneidung der Luftschadstoffbelastung mit den Planungsräumen zeigt deshalb auch die intensivste Belastung im Zentrum, wo die Verkehrsdichte am höchsten ist. Zudem zeigt sich eine Tendenz zu höheren Werten auch im Südwesten der Stadt. Auch in den Zentren in Spandau, Alt-Tempelhof und in den Gebieten in unmittelbarer Nähe nördlich des S-Bahn-Rings werden höher belastete Räume sichtbar.“

Umweltgerechtigkeitsatlas zeigt hohe Belastungen innerhalb des S-Bahn-Rings

Kernindikator Bioklimatische Belastung: „Großstädte sind Wärmeinseln. Die thermische Belastung (Bioklima) ist die Summe aller Klimafaktoren, die auf den Menschen sowie andere Organismen einwirken und deren Gesundheit und Wohlbefinden beeinflussen. Insbesondere Hitze, Kälte, Luftfeuchtigkeit und Windverhältnisse.“

Im Bericht heißt es: „Eine Konzentration der hohen Belastungen zeigt sich innerhalb des S-Bahn-Rings (42 Prozent der insgesamt hoch belasteten Planungsräume). Die übrigen Planungsräume innerhalb dieses Gebietes, in dem rund 1 Million Menschen wohnen, weisen eine mittlere thermische Gesamtbelastung auf.“ Und weiter: „In den dichter bebauten Bereichen der Stadt eingestreute Planungsräume mit geringer klimatischer Belastung werden zumeist von diesen unbewohnten Räumen ganz oder zum Teil gestellt, im Norden etwa der Planungsraum, welcher den ehemaligen Flughafen Tegel überdeckt, im Süden etwa der Planungsraum des Britzer Gartens. Nur selten, wie im Falle des Komponistenviertels in Lankwitz, liegen Siedlungsgebiete geringer thermischer Belastung inselartig umgeben von Planungsräumen mit höherer, mindestens mittlerer Belastung. Auffallend sind die „nasenartig“ vom Stadtrand in Richtung innere Stadt ragenden, gering belasteten Planungsräume der Einfamilienhaussiedlungen von Biesdorf/Kaulsdorf/Mahlsdorf.“

Kernindikator Grün- und Freiflächenversorgung: Grün- und Freiflächen haben eine wichtige Funktion für die innerstädtische Lebensqualität. Bewegung, Stressabbau und Erholung sind zentrale Motive für die Nutzung von Park- und Grünanlagen. Gleichzeitig haben diese Flächen wichtige kompensatorische Funktionen, vor allem mit Blick auf gesundheitsbelastende Umweltbedingungen.

Im Bericht heißt es: „Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Berliner Bevölkerung ist gut, ein knappes Drittel (29 Prozent) dagegen schlecht oder gar nicht mit Grünräumen versorgt. Viel Grün gibt es vor allem in der Peripherie: Von 20 gut versorgten Einwohner:innen lebt nur eine Person innerhalb des S-Bahn-Rings. Die Planungsräume der schlechtesten Versorgungskategorie liegen dabei nur zu 50 Prozent innerhalb des S-Bahn-Rings. Auch die außerhalb des Rings sind aber stadtstrukturell der Innenstadt zuzurechnen.“

Gebiete mit sozialen Benachteiligungen im Umweltgerechtigkeitsatlas

Kernindikator Soziale Benachteiligung: In Berlin gibt es eine hohe Konstanz der räumlichen Verteilung sozial benachteiligter Einwohnerinnen und Einwohner. Die soziale Problematik wird durch den Status-Index (Monitoring Soziale Stadtentwicklung) abgebildet. Das Monitoring liefert kleinräumige Aussagen zur Veränderung der sozialstrukturellen und sozialräumlichen Entwicklung in den Teilgebieten der Stadt und zeigt die höchsten Problemdichten.

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Im Bericht heißt es: „Die Gebiete, in denen sich soziale Benachteiligungen besonders konzentrieren, befinden sich überwiegend in den eher gründerzeitlich geprägten ehemaligen Arbeiterquartieren in den Ortsteilen Wedding, Moabit und Gesundbrunnen (Bezirk Mitte), Kreuzberg, Charlottenburg-Nord und Reinickendorf sowie in den Großwohnsiedlungen der Nachkriegszeit in den Ortsteilen Falkenhagener Feld, Staaken und Wilhelmstadt (Bezirk Spandau), Schöneberg und Marienfelde (Tempelhof-Schöneberg), Neukölln, Britz und Gropiusstadt (Neukölln), Hellersdorf sowie dem Märkischen Viertel (Reinickendorf).“

Runterladen kann man sich die gesamte Broschüre mit allen Karten des Umweltgerechtigkeitsatlas auf der Seite der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Dabei ist wirklich jeder einzelne Bezirk anhand der oben genannten fünf Kriterien bis ins Detail analysiert worden.