Während Autofahrer fluchen, wittert die Wissenschaft ihre große Chance: Die kaputte A100-Ringbahnbrücke könnte das Mobilitätsverhalten der Berliner für immer verändern – wenn die Hauptstädter jetzt mitziehen.
Die Berliner Verkehrsnerven liegen blank: Seit die Brücken am Autobahndreieck Funkturm gesperrt sind, geht auf der A100 kaum noch etwas. Staus, Umleitungen, Frust – für Autofahrer ein absolutes Desaster! Doch während der tägliche Pendelverkehr stockt, schlagen an der Technischen Universität Berlin die Herzen höher. Denn für die Forscher rund um Verkehrsexperte Fabian Drews ist ausgerechnet dieses Verkehrschaos ein Glücksfall.
„Aus Wissenschaftsperspektive ist total interessant, zu beobachten, wie sich das auswirkt“, erklärt Drews im Tagesspiegel. Was sich wie eine Provokation für leidgeprüfte Pendler liest, ist für die Forschung ein Geschenk des Himmels. Denn plötzlich ergibt sich die einmalige Chance, das Mobilitätsverhalten der Berliner ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Wie reagieren die Menschen auf die plötzliche Sperrung? Bleiben sie dem Auto treu – oder steigen sie dauerhaft um?
Ringbahnbrücke bringt Berliner zum Umdenken
Verkehrsforscher wissen: Menschen ändern ihre täglichen Wegegewohnheiten nicht einfach so. Es braucht große, einschneidende Ereignisse – wie eine Pandemie. Genau das war schon einmal der Fall: Durch Homeoffice und Lockdowns während Corona haben sich viele Berliner daran gewöhnt, weniger zu fahren – und mehr zu laufen. Drews sieht Parallelen zur aktuellen Lage:

„Wir gehen davon aus, dass das langfristig zu Veränderungen in den Mobilitätsroutinen führen wird. Menschen, die zuvor mit dem Auto über die Strecke gefahren sind, dürften nun eher auf den Umweltverbund umsteigen.“
Das Forscherteam geht davon aus, dass die Berliner nicht einfach wieder in alte Muster zurückfallen, wenn die neue Ringbahnbrücke irgendwann steht. Wer jetzt Bus, Bahn oder Fahrrad für sich entdeckt, bleibt womöglich dabei. Besonders der öffentliche Nahverkehr könnte profitieren – wenn er den neuen Andrang denn aushält.
TU-Forscher starten Umfrage zur Ringbahnbrücke
Doch diese These will wissenschaftlich belegt sein. Deshalb startet jetzt eine große Umfrage der TU Berlin. Und hier sind alle Berliner gefragt – auch die, die gar nicht direkt von der Brückensperrung betroffen sind!
„Um auch eine Kontrollgruppe zu haben, sind wir darauf angewiesen, dass Menschen an der Umfrage teilnehmen, die gar nicht von der Sperrung betroffen sind“, so Drews. Ob Autofahrer, Fußgängerin, Radfahrer oder BVG-Stammgast – jede Perspektive zählt. Denn nur mit einem möglichst breiten Stimmungsbild lässt sich später sagen, ob die A100-Sperrung das Mobilitätsverhalten der Hauptstadt wirklich langfristig verändert hat. Und ob das Verkehrs-Desaster am Ende vielleicht doch etwas Gutes hatte – wenn auch nur für die Wissenschaft.
Zur Teilnahme an der Umfrage der TU Berlin geht es hier. ■