„Bom Dia!“ – Paulo Fernandes steht vor einer Gruppe Zwölftklässler der Hermann‑Scheer‑Schule in Köpenick und lächelt. Er ist kein gewöhnlicher Lehrer, sondern „LifeTeacher“ von LifeTeachUs: Freiwillige, die einspringen, wenn Unterricht ausfällt. Statt Langeweile gibt’s hier Karriere-Storys und Lebensratschläge.
Die Organisation wächst und wächst: Deutschlandweit springen inzwischen 13.500 Ehrenamtliche an Schulen ein. Berlin zählt rund 2000 registrierte LifeTeacher. Zu tun gibt es für sie genug. In jedem Schuljahr fallen in der Stadt Zehntausende Unterrichtsstunden aus. An der Wirtschaftsschule in Schöneweide steht Fernandes vor 13 Abiturienten, die heute mehr über Geld, Jobs und Mut erfahren sollen.
Seinen Bildungskredit hat der LifeTeacher „mehr als zehnmal raus“
Fernandes stellt sich als „leidenschaftlicher Innovator“ von PricewaterhouseCoopers (PWC) vor, einer der weltweit mächtigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Er erzählt seine Aufstiegsstory: Sohn portugiesischer Gastarbeiter, Bremerhaven, Gelegenheitsjobs vom Hafen bis zur Spielothek, dann Auslandspraktikum in Mexiko – finanziert mit einem Bildungskredit von 500 Euro monatlich. „5000 Euro waren 2010 viel Geld für mich, aber mittlerweile habe ich das mehr als zehnmal raus“, sagt er und wirbt für Kredite als Sprungbrett.
Zwischendrin: Zitate auf dem Smartboard, Weltkarte mit Herzchen – Mexiko, Portugal, Philippinen. Fernandes predigt klar: raus aus der Blase, Kontakte knüpfen, Netzwerke pflegen. Und: Lieber machen als perfektionieren – „execution over perfection“.
Die Schule als handfester Karriere-Turbo
Die Klasse reagiert anfangs verhalten – typisch, sagt Fernandes –, doch am Ende wird diskutiert: Soll man zu Hause bleiben oder weggehen? Wie funktionieren Bildungskredite? Ein Schüler will ein Auslandsjahr, ein anderer eigene Produkte verkaufen. Die Ratschläge sind simpel: Mut zum Risiko, Dinge rausbringen, statt ewig daran feilen.
Die Unterrichtsstunde ist prall gefüllt: Mitbringsel aus aller Welt werden herumgereicht, Geschichten aus der Konzernwelt erzählt. Es gib konkrete Tipps, wie man an Jobs kommt – oft durch Kontakte, nicht durch Zufall. Fernandes verrät, dass eine IT‑Frau in Mexiko ihm den Einstieg bei PWC ermöglichte. Heute gründet er bei dem Weltkonzern digitale Plattformen, schiebt Joint Ventures an – das Leben als handfester Karriere-Turbo.
Rebecca fasst zusammen: „Man lebt nur einmal!“
Für manche Schüler sind die Impulse neu und wichtig. Der 18-jährige Hesham will ein Auslandsjahr machen, Rebecca, ebenfalls 18, will auf Lehramt studieren und „was von der Welt sehen“ – nun denkt sie darüber nach, fürs Reisen einen Kredit aufzunehmen. „Man lebt nur einmal!“, sagt sie. Der 17-jährige Finn nimmt sich vor, seine unfertige Musik früher online zu stellen: „Raus damit und mal sehen.“
Der 27 Jahre junge LifeTeachUs‑Gründer Ludwig Thiede war selbst Schüler in Köpenick und weiß, wie stark persönliche Berichte wirken. Seine Plattform expandiert: Hunderte weitere Schulen sind „im Onboarding“, wie er sagt. Sieben Angestellte arbeiten hauptamtlich, finanziert wird alles über Spenden und Stiftungen – in Berlin etwa durch die PWC‑Stiftung.
Der LifeTeacher ermuntert zu Fehlerkultur
Kritik gibt es kaum. Manche Schüler hätten sich mehr Beteiligung gewünscht, und die Empfehlung, Kredite aufzunehmen, könnte in Familien mit wenig Rücklagen für Angstschweiß sorgen. Doch für Fernandes zählt das Signal: „Man muss sich trauen, auch mal was Falsches zu sagen.“ Und genau das probieren die Jugendlichen nun aus – mutiger, risikobereiter, mit einem Hauch Konzern‑Glitzer im Rücken.