Seit dem frühen Freitagmorgen standen Busse, U- und Straßenbahnen in Berlin und Brandenburg still. Mit einem Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr will die Gewerkschaft Verdi auch in diesen beiden Bundesländern den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. „Alles steht, die Streikposten sind eingerichtet“, sagte ein Verdi-Sprecher in Berlin am Morgen. Vor allem Pendler und Schüler mussten sich am letzten Schultag vor den Winterferien auf erhebliche Einschränkungen im Bus-, Straßen- und U-Bahn-Verkehr einstellen. Händler erlitten Umsatzeinbußen.
Kinder übernachten wegen des Streiks bei Freunden
Am Freitagmorgen sah man erwartungsgemäß mehr Menschen als gewöhnlich, die zu Fuß unterwegs waren. Den Blick aufs Handy gerichtet, das ihnen den Weg wies, kamen sie zur Arbeit und zu Terminen.
Aus den Schulen, wo in der dritten Stunde die Halbjahreszeugnisse vergeben werden sollten, hörte man im Vorfeld, dass viele sich auf den Streik am Freitag eingestellt hatten. Kinder, die sonst per Tram oder mit dem Bus zur Schule kommen, übernachteten bei Freunden, die näher an der Schule wohnen. Man ging dann gemeinsam zu Fuß, eigentlich ganz schön.

Andere Schulen wiederum haben die Zeugnisse schon am Donnerstag verteilt, an einem Gymnasium in Reinickendorf etwa begannen die Ferien einen Tag früher.
Berlin hat nur eine Kurzstrecke Streik zu verkraften
Mit dem Streikplan hatten die Berliner im Vergleich zu anderen Bundesländern, in denen der ÖPNV ebenfalls bestreikt wurde, noch Glück. Streik auf der Kurzstrecke, hieß es hier. Denn in der Hauptstadt sollte der Ausstand am Freitag nur bis 10 Uhr andauern. Nach rund sieben Stunden beendete die Gewerkschaft Verdi ihren Warnstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) am Freitagvormittag. Nach und nach rollten die gelben Fahrzeuge wieder.
Bis 10 Uhr waren die U-Bahnhöfe allerdings mit Gittern abgesperrt. Auch die Imbisse und Bäckereien in den Bahnhöfen hatten am Morgen geschlossen. Händler wie Patrik Hoffmann (44), der die BackLounge direkt am Verkehrsknotenpunkt Landsberger Allee / Petersburger Straße betreibt, hatten deutlich weniger Kundschaft. Dennoch zeigt er Verständnis für den Streik der BVGler. „Natürlich haben wir Umsatzeinbußen“, sagt er. „Aber es ist gut, dass sich die Menschen wehren. Es kann nicht so weitergehen. Ich hoffe, sie haben Erfolg.“

S-Bahn-Verkehr rollt in Berlin
Nicht betroffen vom Warnstreik war der S- und Regionalbahnverkehr. Am frühen Freitagmorgen gegen 6 Uhr war etwa an den S-Bahn-Gleisen des Bahnhofs Zoo zunächst noch wenig los. Einer Studentin auf dem Weg zur Arbeit machte der Warnstreik wenig aus: „Das Gute ist: Es gibt immer einen Weg, wir sind in Berlin.“
In Brandenburg will Verdi allerdings ganztägig warnstreiken. Betroffen sind in dem Bundesland rund 14 Verkehrsunternehmen. Der Arbeitskampf hatte dort mit Schichtbeginn in den jeweiligen Betrieben begonnen. Ein Verdi-Sprecher sprach am Morgen von einer nahezu hundertprozentigen Beteiligung der Beschäftigten. „Es ist alles dicht“, sagte er.
Die Beschäftigten in Berlin bekamen auch von anderen Verdi-Mitgliedern Unterstützung: Daniel Thiele arbeitet bei Vattenfall Wärme Berlin. „Wir unterstützen die Kollegen und sind erstaunt über die schlechten Arbeitsbedingungen in einem Landesbetrieb“, sagt er. „Ab Mai 2024 gehören auch wir mit 2000 Beschäftigten dazu.“

Warum die Menschen die Arbeit niederlegen, erläutert Andreas Härtling, Vertrauensmann bei Verdi für die BVG. „Der Senat will die Verkehrswende, aber dafür investieren wollen sie nicht“, bemängelt er. Es werde eine teure Kanzler-U-Bahn (U5) gebaut, die Außenbezirke würden aber abgehängt. „Die Kollegen haben viel zu lange Fahrzeiten, die Wendezeiten (Pausen) sind zu knapp bemessen. Die Busspuren in der Stadt sind nicht exklusiv für die BVG. Insgesamt wird der ÖPNV nicht priorisiert. Deshalb streiken wir.“ ■
