Lostplace-Fans und Graffiti-Sprayer müssen jetzt stark sein: Ein von ihnen viel besuchter Ort wird von ihrer Landkarte verschwinden müssen. Die größtenteils zersplitterten Gewächshäuser der ehemaligen Gärtnerischen Produktions-Genossenschaft (GPG) „Stadt Cottbus“. Dafür können sich Naturfreunde freuen. Denn auf dem Gelände entsteht eine Baum-Uni gegen den Klimawandel.
Vor 1990 versorgte die GPG West-Berlin mit Pelargonien und Cottbus mit Frühgemüse. Heute ist das Gelände an der Liebermannstraße mit den verfallenen Gewächshäusern einer ehemaligen Gemüseproduktionsgenossenschaft ein trauriger Anblick. Vandalismus, Graffiti an den Wänden und illegale Müllentsorgung haben das Areal über viele Jahre zu einem Lost Place gemacht.
Die alte GPG wird abgerissen: Die Arbeiten sind in vollem Gange, Bagger wühlen sich durchs Gelände
Der Betrachter muss viel Energie aufwenden, um sich vorzustellen, dass das etwa zwölf Hektar große Gelände einmal das größte Modellprojekt der Bundesregierung für den Erhalt historischer Gärten im Klimawandel beherbergen wird. „Wir sind sehr visionär bei diesem Plan, aber wir kommen ins Handeln“, sagt Stefan Körner, Vorstand der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz.
Für die neue Branitzer Baum-Universität als Forschungsbaumschule werden die Gewächshäuser rückgebaut. Die Arbeiten sind in vollem Gange, Bagger wühlen sich durchs Gelände. Bis März soll die Fläche von etwa zwölf Hektar für den Aufbau der Klimabaumschule frei sein, Ende des Jahres beginnt die Errichtung, 2025 soll die Baum-Uni stehen.

Für die Umsetzung gibt der Bund fünfeinhalb Millionen Euro: Das ist nach Angaben von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die bisher größte Bundesförderung für ein Projekt eines historischen Gartens im Klimawandel. Die Erfahrungen und Möglichkeiten der Baum-Uni sollten auch anderen historischen Gärten in Deutschland zugutekommen.
Die Stiftung nutzt dazu auch Erkenntnisse von Fürst Pückler, der als Gartenkünstler und Visionär 1846 in seinem Park ein besonderes Baumquartier errichtete – eine Baum-Universität, wie er es damals schon nannte.
Junge Pflänzchen wurden in der Schlossgärtnerei aufgezogen, um sie später als „Erwachsene“ in den Park umzusiedeln, als charaktervolle, vor allem einheimische Bäume für die Sichtachsen. Er korrespondierte dazu auch mit Gärtnern in Paris oder Potsdam, informierte sich über Bedingungen für Böden und Pflanzen. „Pückler hat ganz klare Anweisungen gegeben, wie sein Boden verbessert werden kann, dieses Wissen kennen wir aus alten Briefen und können unfassbar viele Details ziehen“, schwärmt Körner.
Auch deshalb wurde im Jahr 2011 die parkeigene Baumschule am originalen Standort in der Schlossgärtnerei auf 1900 Quadratmeter wiedererrichtet. Es geht einerseits um die Nachzucht und Bewahrung wertvoller bildprägender Bäume und Sträucher. Genetisches Material historischer Sorten von Linden, Blutbuchen, Eichen und Platanen soll gerettet werden: „Bevor die alten Riesen abtreten, müssen wir für Verjüngung sorgen“, macht Gartendenkmalpfleger Christoph Haase klar.
Viele der Bäume im Park Branitz müssen ausgetauscht werden
Zum anderen geht es um widerstandsfähige Bäume und Sträucher für historische Gärten und Parks, die erforscht und kultiviert werden. Es gelte mithilfe angepasster Pflanzen dem Klimawandel entgegenzuwirken, sagt Haase.
Viele der 30.000 Bäume im Park Branitz hätten ihr „biologisches Alter“ erreicht. Sie reagierten zunehmend auf die veränderten klimatischen Bedingungen, die mit einer Wucht und Dynamik kämen, die es so bisher nicht gegeben habe. „Es ist wie: Draußen sind 42 Grad und im Altenheim fällt die Klimaanlage aus“, zieht Haase einen Vergleich. „Wenn wir nichts tun würden, würden unsere Parks absterben, wir müssten sie schließen.“

Doch welche Baumsorten sind widerstandsfähiger gegen Trockenheit und Frost und können die noch vorhandenen Arten ersetzen? Eichenarten aus südlicheren und trockeneren Gefilden wie die ungarische- oder die Libanon-Eiche seien durchaus vielversprechend, aber auch Kreuzungen der heimischen Stiel-Eiche, erklärt Haase.
Auch Experten der Humboldt-Universität werden hier forschen
Der Fachmann zeigt auf alte Gewächshäuser, die für das Vorhaben Baum-Uni hergerichtet werden. Auf dem denkmalgeschützten Außenpark sollen zudem Flächen zur Anzucht, Versuchspflanzungen und Lehrgärten entstehen, in Laboren sollen neue Methoden zur Vermehrung von Gehölzen angewendet werden. Dazu wird unter anderem ein multifunktionales Forschungsgewächshaus gebaut.
Unterstützung erhält das Stiftungsteam von Forschern verschiedener Hochschulen, darunter der Berliner Humboldt-Universität. „Es ist jetzt schon 5 nach 12. Wir haben in vielen Punkten zu lang gewartet und zu wenig gehandelt“, sagt Körner. „Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, den historischen Gärten in Deutschland da auch Antworten zu geben, wie man sich anpassen kann“, glaubt der Stiftungsvorstand.
Mit der Potsdamer Schlösserstiftung arbeitet die Stiftung zusammen und hat schon Erfolg vorzuweisen: Der Branitzer Park versorgt sich fast ausschließlich mit Nachwuchs aus der eigenen Baumschule. In der Saison 2022/23 wurden 130 Bäume aus eigener Zucht im Park ausgepflanzt, hinzu kommen 70 exotische Sorten. Die Versorgung müsse aber größer werden, der Klimawandel warte nicht, warnt Körner.■