Umweltministerin Steffi Lemke alarmiert

Tausende tote Fische: Wiederholt sich die Katastrophe an der Oder?

Polen spricht von einem Warnsignal. In zwei Kanälen – nicht in der Oder selbst – sind tote Fische entdeckt worden. In Deutschland steigt damit die Unruhe. 

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Feuerwehrleute pumpen Sauerstoff in den Gleiwitzer Kanal, um das Algenwachstum zu verhindern. Nach dem Fund vieler toter Fische in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal in Polen haben polnische Behörden eine Sauerstoffanreicherung des Wassers angeordnet. 
Feuerwehrleute pumpen Sauerstoff in den Gleiwitzer Kanal, um das Algenwachstum zu verhindern. Nach dem Fund vieler toter Fische in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal in Polen haben polnische Behörden eine Sauerstoffanreicherung des Wassers angeordnet. Krzysztof Swiderski/PAP/dpa

Die Bilder Tausender toter Fischleiber, die im vergangenen Sommer auf der Oder trieben, haben sich in die Köpfe der Menschen in Deutschland und in Polen eingebrannt. Nun wurden in einem polnischen Kanal, der in die Oder mündet, wieder tote Fische gefunden. Ist das der Beginn einer neuen, auch menschengemachten Umweltkatastrophe?

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Der Fund toter Fische im Gewässersystem der Oder in Polen hat Alarmstimmung auch in Deutschland ausgelöst. Polen hat einen Krisenstab einberufen, immerhin sind die Funde publik gemacht worden. In der Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen für den gemeinsamen Grenzfluss hatte es immer wieder Unstimmigkeiten gegeben, obwohl alle Beteiligten versicherten, man wolle gut zusammenarbeiten. 

Bundesumweltministerin Steffi Lemke alarmiert

Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte sich angesichts der Nachrichten zur Lage an der Oder in Polen alarmiert. „Noch sind die Fischsterben ein ganzes Stück von der deutsch-polnischen Grenze entfernt, aber es besteht die Sorge vor einem ähnlichen Szenario wie im letzten Sommer.“ Polen sei aufgefordert, die Einleitungen in die Oder zu reduzieren.

Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, schaut durch ein Fernglas von einem Aussichtsturm am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder im Nationalpark Unteres Odertal. Erst im April hatte es einen Gipfel zum Schutz der Oder gegeben. 
Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, schaut durch ein Fernglas von einem Aussichtsturm am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder im Nationalpark Unteres Odertal. Erst im April hatte es einen Gipfel zum Schutz der Oder gegeben. Patrick Pleul/dpa

Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal im Nordosten Brandenburgs, Dirk Treichel, sagte nach den Funden in Kanälen auf polnischer Seite: „Wir sind extrem besorgt.“ Im Nationalparkgebiet seien bislang aber keine toten Fische festgestellt worden.

Polen setzt Krisenstab an der Oder ein

Der eingesetzte Krisenstab in Polen soll laut Umweltministerium in Warschau ein schnelles Handeln ermöglichen. Ziel soll es sein, die Entwicklung der toxischen Goldalge Prymnesium parvum zu stoppen. Experten gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift dieser Algenart wesentliche Ursachen für das Fischsterben im vergangenen Sommer waren.

„Dreimal tote Fische – das ist bereits ein wichtiges Warnsignal, dass wir in Bereitschaft gehen müssen und das Risiko einer Wiederholung der Situation vom letzten Jahr sehr hoch ist“, sagte Polens Umweltministerin Anna Moskwa dem polnischen öffentlich-rechtlichen Radio. Die Wassertemperatur der Oder sei stark angestiegen. „Das ist der erste Faktor.“

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Anfang der Woche waren nach Angaben der Gebietsverwaltung der Woiwodschaft Opole in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal sowie im Kedzierzyn-Kanal insgesamt 450 Kilogramm toter Fische geborgen worden. In beiden Kanälen wurde bei Wasserproben auch die giftige Goldalge nachgewiesen. Bereits im Mai und im April war die Goldalge in zwei Stauseen in der Nähe der Oder aufgetaucht.

Hohe Temperaturen, viele Einleitungen

Wie das Umweltministerium mitteilte, empfehle der Krisenstab, Altarme der Oder vorübergehend abzuriegeln und in Rückhaltebecken natürliche Barrieren zu errichten, um die Entwicklung der Goldalge zu stoppen. Die Einleitungen von Industrie- und Haushaltsabwässern in Abhängigkeit von den Wassermesswerten sollen systematisch gesteuert werden. Zudem werde eine Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff empfohlen.

Der 1939 eingeweihte Gleiwitzer Kanal ist 41 Kilometer lang und verbindet die oberschlesische Großstadt Gleiwitz (Gliwice) mit der Oder. Der 4,5 Kilometer lange Kedzierzyn-Kanal zweigt vom Gleiwitzer Kanal ab und führt zu den Stickstoffwerken in Kedzierzyn-Kozle.

Gut, dass Polen dieses Mal aktiv ist

Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal (Uckermark) sagte, es sei gut, dass Polen aktiv sei und die Funde von Fischkadavern öffentlich mache. Zugleich jedoch sehe er mit Sorge, dass der Salzgehalt derzeit so hoch sei wie schon längere Zeit nicht. „Es ist keine Verbesserung eingetreten“, sagte Treichel. Die Oder habe zudem Niedrigwasser, die Temperatur liege bei etwa 23 Grad.

In einem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung hatte die polnische Umweltministerin Maßnahmen aufgezählt, die in Polen eine neue Katastrophe an der Oder verhindern sollen. Der Fluss werde systematisch überwacht, auch kommen Mittel zum Einsatz, die die Algen vernichten sollen. Eine wesentliche Ursache für die toxische Algenblüte und damit für das Fischsterben, nämlich die salzhaltigen Einleitungen in den Fluss von polnischer Seite, erwähnte sie nicht.

Was war im August 2022 an der Oder passiert?

Im Nationalpark Unteres Odertal mussten im August 2022 massenweise tote Fische eingesammelt werden. Berufsfischer wurden wegen der Einbußen entschädigt. Der Tourismus vor Ort war wochenlang massiv beeinträchtigt.

Polnischer Bergbau leitet weiter Salze in die Oder

Veröffentlichte Messungen in der Oder bei Hohenwutzen ergaben zuletzt eine elektrische Leitfähigkeit von fast 1600 Mikrosiemens pro Zentimeter. An der Messstation in Frankfurt an der Oder wurde ein Wert von mehr als 1900 festgestellt. Die elektrische Leitfähigkeit im Wasser ist ein Indikator für den Gehalt von Salzen.

Zur Zeit der Umweltkatastrophe in der Oder war der Wert von 800 auf mehr als 2000 Mikrosiemens pro Zentimeter (µS/cm) gestiegen, wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei berichtete. So hohe Werte könnten in einem Fluss nur durch industrielle Salzeinleitungen entstehen, hieß es. Bundesumweltministerin Lemke hatte im April gesagt, sie vermute, dass die polnische Bergbauindustrie für die Salzeinleitungen verantwortlich sei.