Sternenklar

Sternenpark Westhavelland: Milchstraße gucken vor den Toren Berlins

Vor allem im Dunkeln beeindruckt das Westhavelland. Sogar die Milchstraße scheint nah. Der erste Sternenpark Deutschlands zieht seit zehn Jahren Hobby-Astronomen an. Folgt im Nordwesten Brandenburgs bald ein Nachahmer?

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Brandenburg, Parey: Die Milchstraße über dem Natur- und Sternenpark Westhavelland. Das leuchtende Band besteht aus Milliarden von Sternen, Gas- und Staubwolken.
Brandenburg, Parey: Die Milchstraße über dem Natur- und Sternenpark Westhavelland. Das leuchtende Band besteht aus Milliarden von Sternen, Gas- und Staubwolken.Thomas Becker/Sternenpark Westhavelland/dpa

Der Nachthimmel über Berlin ist nur ein verkrüppeltes Abbild. Die Lichtglocke der Metropole schluckt jeden kleinen Stern. Doch wer nur etwa eine Autostunde außerhalb der Stadt den Blick in den Brandenburger Nachthimmel hebt, erfährt nicht selten ein Erweckungserlebnis. 

In lauen Sommernächten unter dem Band der Milchstraße liegen und staunen, das geht zum Beispiel im Westen Berlins – im Westhavelland.

Tagsüber sind Kraniche und andere Wasservögel die Stars im Naturpark im Westhavelland. Doch wenn es Nacht wird, richtet sich der Blick gen Himmel. Tausende Sterne sind so gut zu sehen wie in nur ganz wenigen Orten Deutschlands. Der Naturpark Westhavelland ist vor zehn Jahren als erster Sternenpark bundesweit anerkannt worden. Gut möglich, dass in Brandenburg bald noch eine weitere dünn besiedelte Region die Auszeichnung bekommt: Die Kyritz-Ruppiner Heide, wo der Nachthimmel auch besonders dunkel ist, bewirbt sich.

Sternen-„Freak“ zieht es raus aus Berlin

Seine Begeisterung für die Sterne habe er schon als Zehnjähriger entdeckt, erzählt der Berliner Thomas Becker. Er sagt von sich selber, er sei ein „Freak“. Es zieht ihn raus aus der Millionen-Metropole, in der wegen blinkender Fassaden, Werbung, Straßenlaternen und Gewerbegebieten kaum noch Sterne zu sehen sind. Seit acht Jahren ist er Mitarbeiter und Astronomie-Experte im Sternenpark Westhavelland mit Sitz in Havelaue rund 100 Kilometer nordwestlich von Berlin. „Die Größe des Universums mit den Millionen Lichtjahre entfernten Sternen fasziniert mich einfach“, sagt der 45 Jahre alte Naturfreund.

Brandenburg, Gülpe: Hobbyastronom Thomas Becker sitzt im Sternenpark Westhavelland auf einer neu aufgestellten Beobachtungsliege für Sternenfans.
Brandenburg, Gülpe: Hobbyastronom Thomas Becker sitzt im Sternenpark Westhavelland auf einer neu aufgestellten Beobachtungsliege für Sternenfans.Jens Kalaene/dpa

Teleskop-Stationen und Hängematten für Sternengucker

Im Sternenpark, der frei zugänglich ist und keinen Ein- und Ausgang hat, treffen sich Sternengucker aus vielen Ecken Deutschlands. Sie reisen mit Wohnmobilen an, campieren in Zelten und bauen an verschiedenen Bobachtungsplätzen ihre Teleskope auf. Im Dörfchen Gülpe, das mit seinem See auch Beobachter von Kranichen und Gänsen anzieht, können sie auf neu angeschafften Holzliegen und in Hängematten am Rande des Sportplatzes in den Sternenhimmel schauen. Dort wird Ende August ein Astro-Treff organisiert, auch Sternschnuppen-Nächte im August sind stets gefragt. Ferienhaus-Vermieter werben mit Astro-Urlaub, bieten eine Teleskopstation neben dem Ferienhaus an und einen Sternenhimmel an der Schlafzimmerdecke.

Astromischer Frühling beginnt am 20. März

Der astronomische Frühling hält am 20. März frühmorgens seinen Einzug. Exakt um 4.06 Uhr überquert die Sonne den Himmelsäquator von Süd nach Nord und wechselt somit auf die nördliche Hemisphäre des Firmaments. Es tritt die Tagundnachtgleiche ein. Der Sternenhimmel hat dann einiges zu bieten bei einer klaren Nacht im Sternenpark. Er feiert am 20. März auch sein zehnjähriges Bestehen – mit seinem Initiator Andreas Hänel von der Gruppe „Dark Sky“ der Vereinigung der Sternfreunde.

Sternenpark Westhavelland im Schatten der Rhön?

Der frühere Direktor des Planetariums Osnabrück, der Physiker und Astronom Hänel, entdeckte 2009 die besonders guten Bedingungen für Sternengucker im Havelland. In Astro-Foren sei die brandenburgische Region damals sogar neben Namibia mit seinem berühmten Sternenhimmel genannt worden. Deshalb habe er erste Lichtmessungen durchgeführt, schildert er. Fünf Jahre später wurde der Sternenpark Westhavelland anerkannt. Das 1380 Quadratkilometer große Areal umfasst das Gebiet des Naturparks und die Gemeinde Schollene in Sachsen-Anhalt.

Mittlerweile gibt es mehrere Sternenparks in Deutschland, etwa in den bayerischen Alpen und in der Rhön in Hessen, die Sterneninseln Spiekeroog und Pellworm und die Sternenstadt Fulda. Der Titel wird durch die „International Dark Sky Association“, der Internationalen Gesellschaft zum Schutz des dunklen Nachthimmels, verliehen. Die Tourismusbranche erhofft sich damit auch, mehr Besucher anzuziehen. „Wir stehen im Schatten der Rhön, aber hier ist es dafür etwas dunkler“, meint Becker, der im Sternenpark Westhavelland Vollmondspaziergänge und Mondschein-Paddeln anbietet.

Hobbyastronom Thomas Becker steht im Sternenpark Westhavelland an seinem Linsenteleskop.
Hobbyastronom Thomas Becker steht im Sternenpark Westhavelland an seinem Linsenteleskop.Jens Kalaene/dpa

Schutz vor zunehmender Lichtverschmutzung gefordert

Ziel und Verpflichtung der Sternenparks ist es, die Lichtverschmutzung so gering wie möglich zu halten. Nicht nur Berlin beispielsweise mit seiner weitreichenden Lichtglocke, auch Dörfer strahlten noch viel zu hell, sagt Astronom Hänel. „Aber man sieht dort keine Menschenseele.“ Sternen-„Freak“ Becker setzt sich dafür ein, dass neue – auch insektenfreundliche – Straßenbeleuchtungen getestet und installiert werden. Ein Forschungsprojekt gebe es bereits im Örtchen Gülpe.

Eine im Fachmagazin Science im vergangenen Jahr veröffentlichte Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Lichtverschmutzung am Nachthimmel deutlich stärker zunimmt als bisher erwartet. „Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch“, hatte der bei der Studie federführende Forscher am Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam, Christopher Kyba, gesagt. Wissenschaftler und Umweltorganisationen warnen vor schädlichen Folgen für die Umwelt, die Gesundheit und die Tierwelt, wenn der Himmel lange nach Sonnenuntergang noch in einer künstlichen Dämmerung strahlt.

Kyritz-Ruppiner Heide will auch Sternenpark werden

Auch die Kyritz-Ruppiner Heide – ein ehemaliger Truppenübungsplatz – soll künftig als eine der dunkelsten Regionen Deutschlands ausgewiesen werden. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin will in diesem Jahr den Antrag für eine Sternenpark-Zertifizierung stellen, wie Olaf Wolff sagte, der für nachhaltige Regionalentwicklung zuständig ist. „Es ist lohnenswert, diesem Ort, neben bereits bestehenden Schutzflächen, einen weiteren Schutzcharakter zu geben – den Schutz der Dunkelheit.“ Zudem könnten auch sehr kleine Gemeinden entlang der Kyritz-Ruppiner Heide durch Astrotourismus profitieren. Bislang wird mit der Heidelandschaft als Ort der Ruhe und Natur-Juwel geworben – bald auch noch mit dem Sternenhimmel? ■