Diebstähle, Raub, Enkeltrick

In Brandenburg: Auf Verbrecherjagd scannt die Polizei Gesichter – mit einer KI

Ein System der Polizei Sachsen zur Gesichtserkennung ist erstmals auch in Brandenburg zum Einsatz gekommen. Laut Innenministerium handelt es sich bislang um einen Fall.

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Ein Schritt Richtung digitale Überwachung? In Brandenburg hat die Polizei jetzt erstmals ein Gesichtserkennungssystem eingesetzt.
Ein Schritt Richtung digitale Überwachung? In Brandenburg hat die Polizei jetzt erstmals ein Gesichtserkennungssystem eingesetzt.Paul Hartl/imagebroker/imago

Eine Kamera filmt Personen, die an den Kamerastandorten vorbeifahren. Dann erfolgt ein Echtzeitabgleich zwischen Bilddaten, die zuvor aufgrund von Gerichtsbeschlüssen in das Polizeisystem eingepflegt wurden. Es scheint, als wird die Zukunft aus der US-Serie „Person of Interest“ 13 Jahre nach ihrer Erstausstrahlung auch bei uns immer mehr Wirklichkeit. Denn erstmals hat jetzt auch die Polizei in Brandenburg ein Gesichtserkennungssystem eingesetzt. Doch rechtliche Bedenken werden laut.

„Person of Interest“ mit Jim Caviezel und Miachel Emerson wagte damals den Blick in die nahe Zukunft. Ein Milliardär und Programmierer nutzte in der Thriller-Serie ein von Künstlicher Intelligenz gesteuertes Überwachungssystem mit Gesichtserkennung, um Verbrechen in letzter Sekunde zu verhindern. Permanent wurden die Bürger New Yorks, ohne dass sie es wussten, ausspioniert und gefilmt. Ganz so weit sind wir hier noch nicht. Die Technik von heute kommt erst nach dem Verbrechen zum Einsatz    

Brandenburg: Überwachungssystem aus Sachsen wurde bisher einmal eingesetzt

Eine Sprecherin des brandenburgischen Innenministeriums in Potsdam teilt auf Anfrage mit: „Das Landeskriminalamt des Polizeipräsidiums nahm das (...) System der Polizei Sachsen im Rahmen der polizeilichen Amtshilfe in einem Fall im Jahr 2024 im Rahmen der Bekämpfung der Eigentumskriminalität in Anspruch.“

Nähere Angaben machte die Behörde mit Verweis auf noch laufende Ermittlungen nicht. Zuvor berichteten Zeit online und nd, dass das umstrittene Gesichtserkennungssystem aus Sachsen in mehreren anderen Bundesländern zum Einsatz gekommen sei.

Im Zusammenhang mit der Suche nach der mutmaßlichen Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette hatte die Gewerkschaft der Polizei mehr Möglichkeiten bei der Verwendung von Gesichtserkennungsprogrammen gefordert. In Berlin wurden Methoden zur automatischen Gesichtserkennung in zwei großen Ermittlungsverfahren zu „grenzüberschreitender Bandenkriminalität“ genutzt, wie die Senatsinnenverwaltung im April sagte.

Die Ministeriumssprecherin in Potsdam teilt mit, aus polizeifachlicher Sicht sei das System ein geeignetes technisches Ermittlungsinstrument. „Ohne ein solches würden polizeiliche Ermittlungen deutlich erschwert sein.“

Das System könne bei Eigentumsdelikten zum Einsatz kommen, aber etwa auch zur Aufklärung von Enkeltrick-Betrugsfällen, Raubstraftaten, schwerer grenzüberschreitender Kriminalität und Drogenkriminalität. „Wichtig ist dabei zu beachten, dass grundsätzlich in jedem Einzelfall eines Einsatzes dieser Technik richterliche Beschlüsse vorliegen müssen.“ Es erfolge ein Echtzeitabgleich zwischen Bilddaten, die zuvor aufgrund von Gerichtsbeschlüssen in das System eingepflegt wurden, mit Personen aus Fahrzeugen, die an den Kamerastandorten vorbeifahren.

Die US-Serie "Person of Interest" lief fünf Staffeln lang. In den Hauptrollen: Jim Caviezel (vorne, li.) und Michael Emerson (rechts).
Die US-Serie "Person of Interest" lief fünf Staffeln lang. In den Hauptrollen: Jim Caviezel (vorne, li.) und Michael Emerson (rechts).Warner Home Video

Es erfolge keine Vorratsdatenspeicherung, so das Innenministerium. „Bei dem in Rede stehenden System handelt es sich nicht um Kesy 2.0 oder dessen Einführung durch die Hintertür.“ Die Anwendung der automatischen Kennzeichen-Erfassung in Brandenburg (das sogenannte Kesy-System) war rechtswidrig. Es stand wegen Datenschutz-Bedenken in der Kritik.

Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ist grundsätzlich nicht erlaubt

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in Potsdam, Marie Schäffer, kritisiert den Einsatz des Gesichtserkennungssystems in Brandenburg. „Nach mehreren Niederlagen vor Gericht für die unzulässige Vorratsdatenspeicherung von Autokennzeichen auf Brandenburger Autobahnen wurde nun offenbar ein noch problematischeres System eingesetzt, bei dem massenhaft Unschuldige gefilmt und ihre Gesichter automatisiert abgeglichen wurden.“ Sie verurteile diese Praxis scharf. „Ich fordere den Innenminister auf, hier sofort lückenlos aufzuklären, in welcher Form automatische Gesichtserkennung in Brandenburg zum Einsatz kam und wie Betroffene ihre Rechte geltend machen können.“

Auch in anderen Bundesländern sind Debatten um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Polizei entbrannt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen etwa setzt darauf, selbst eine KI zur Gesichtserkennung zu entwickeln.

Innerhalb der EU wird mit dem Gesetz über KI der Umgang mit der Technologie einheitlicher reguliert. Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, etwa durch Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, ist danach grundsätzlich nicht erlaubt. Polizei und andere Sicherheitsbehörden sollen aber eine Gesichtserkennung im öffentlichen Raum nutzen dürfen, um ganz bestimmte Straftaten wie Menschenhandel oder Terrorismus zu verfolgen. ■