Gerichtsvollzieher kommt

Er packt im Bademantel für den Umzug: Günther Krauses steiler Abstieg

Günther Krause hat Mietschulden von 40.000 Euro. Ein Besuch in dem Brandenburger Ort, den der Unterzeichner des Einigungsvertrags verlassen muss.

Author - Katrin Bischoff
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Günther Krause beim Einzug in das RTL-Dschungelcamp. Er musste aber schnell wieder ausziehen – aus gesundheitlichen Gründen.
Günther Krause beim Einzug in das RTL-Dschungelcamp. Er musste aber schnell wieder ausziehen – aus gesundheitlichen Gründen.TVNOW

Die Badestelle von Alt Töplitz, einem von Wasser umgebenen Ortsteil der brandenburgischen Havelstadt Werder, ist an diesem Mittwochvormittag voll – nicht wegen Badegästen, sondern wegen Dreharbeiten zur ARD-Krimiserie „Wasserschutzpolizei Berlin“. Ein paar Touristen sehen bei den Dreharbeiten zu. Warum hier gedreht wird, beantwortet ein herbeieilendes Crew-Mitglied mit wenigen Worden: Ist einfach ein schöner Ort.

Nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt, in der kleinen Sackgasse Pfarrgartenweg, spielt sich ein ganz anderes Drama um den derzeit wohl bekanntesten Bewohner des Ortes ab. Hier lebt seit 2018 Günther Krause, einst ostdeutscher Politstar, Mitunterzeichner des Einigungsvertrags und Bundesverkehrsminister unter Helmut Kohl.

Noch. Denn spätestens Ende nächster Woche müssen Krause und seine Ehefrau raus – der Gerichtsvollzieher hat sich angemeldet. Die Krauses schulden dem Eigentümer des Hauses rund 40.000 Euro Miete.

Günther Kraus wohnt auf 162 Quadratmetern – und zahlt keine Miete

Das Haus, versteckt hinter Bäumen und Büschen, ist nicht klein: fünf Zimmer, drei Etagen, 162 Quadratmeter, 1424 Euro warm. Seit November 2022 kam kein Cent Miete mehr dafür. Im September 2023 folgte die Kündigung, im April dieses Jahres entschied das Amtsgericht Potsdam: Räumung. Krause muss zudem die rund 40.000 Euro Mietschulden zurückzahlen. Die Berufung zog das Ehepaar zurück. Am Freitag soll der Gerichtsvollzieher kommen.

Günther Krause und seine Frau sollen  zwangsgeräumt werden. Er hat seit 2022 keine Miete mehr bezahlt für das Fünf-Zimmer-Haus in Alt Töplitz.
Günther Krause und seine Frau sollen zwangsgeräumt werden. Er hat seit 2022 keine Miete mehr bezahlt für das Fünf-Zimmer-Haus in Alt Töplitz.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

Der Briefkasten verrät den Bewohner nur noch halb: „Prof. Dr. Günther Krau“. Die Buchstaben „se“ sind abgeblättert. Der verwilderte Garten hinter dem Zaun hebt sich deutlich von den gepflegten Nachbargrundstücken ab.

Krause (71)  öffnet im Bademantel und Pantoffeln die Tür. Freundlich, aber kurz angebunden, sagt er: „Wir sind beim Umziehen. Am Wochenende sind wir weg.“ Er zeigt auf ein paar Kartons, die hinter ihm stehen. Mehr sagt er nicht. Und schließt die Tür.

Die Nachbarn reagieren gespalten. Eine junge Frau sagt, sie habe alles über Krause im Internet gelesen. Sie nennt ihn „einen ruhigen Zeitgenossen“, den man selten mal gesehen habe. „Wenn jemand wie Günther Krause in der Liga mitgespielt hat, dann versucht er vermutlich auch, den Schein zu wahren“, erklärt sich die 36-Jährige die Mietschulden. Es gebe aber ganz andere Leute, die weit mehr Geld klauen oder veruntreuen würden. „Mein Gott, er ist ein armer, alter Mann“, sagt sie dann.

„Er wird auch hier schon vorher ausziehen, er ist ja nicht dumm“

Eine ältere Nachbarin meint: „Alter hin oder her. Zwei Jahre nicht zahlen – dazu gehört was.“ Sie erinnert sich daran, dass das Auto von Frau Krause abgeholt wurde – für einen Küchen-Kredit, den die Krauses wohl nicht zurückgezahlt hätten. Dann sagt sie, dass Günther Krause schon einmal vor einer Zwangsräumung geflüchtet sei – damals aus einer Villa in Mecklenburg-Vorpommern. „Er wird auch hier schon vorher ausziehen, er ist ja nicht dumm“, ist sich die 60-Jährige sicher.

2018 stand bei Krauses schon einmal eine Zwangsräumung an. Damals hatte das Ehepaar für ein Jahr ein Haus mit Schwimmbad und Saune in Mecklenburg-Vorpommern gekapert, ohne den Kaufpreis von rund einer halbe Millionen Euro entrichtet zu haben. Auch damals klagte die Eigentümerin. Bevor der Gerichtsvollzieher klingelte, zogen Krauses aus – und in die Doppelhaushälfte in Alt Töplitz ein.

Kathrin Zorsky vor ihrem „Töplitzer Einkaufsmark“. Sie nennt Günther Krause einen klugen, freundlichen Kunden: „Er kann zuhören und hat Menschenkenntnis.“
Kathrin Zorsky vor ihrem „Töplitzer Einkaufsmark“. Sie nennt Günther Krause einen klugen, freundlichen Kunden: „Er kann zuhören und hat Menschenkenntnis.“Ina Schoenenburg/Ostkreuz

Ein Mitglied der Alt Töplitzer Eigentümergemeinschaft bestätigt: Anfangs hätten Krauses die Miete noch gezahlt, dann plötzlich nicht mehr. Die Hausverwaltung habe damals beim Mietvertrag einen Fehler gemacht, weil sie keinen Schufa-Auskunft für Krause eingeholt habe.

Später habe Krause viel von seiner angeblich erfolgreichen Neutrino-Firma erzählt, so der Miteigentümer. Die Hausbesitzer klagten, gewannen, atmeten auf – und warten nun auf die Räumung in der kommenden Woche.

Krauses Abstieg begann schon vor Jahrzehnten. 1993 musste er als Bundesverkehrsminister zurücktreten – Stichworte: Autobahnraststätten-Lizenzen, Putzfrauenaffäre, Umzug auf Staatskosten. Danach folgten gescheiterte politische Comebacks, dubiose Geschäfte, Millionenverluste und mehrere Bewährungsstrafen wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. 2020 zog er für ein paar Stunden ins RTL-Dschungelcamp ein.

Günther Krause und seine Frau sollen schon wieder zwangsgeräumt werden. In der Kirche war Krause manchmal. Er saß immer in der vierten Bankreihe.
Günther Krause und seine Frau sollen schon wieder zwangsgeräumt werden. In der Kirche war Krause manchmal. Er saß immer in der vierten Bankreihe.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

In Alt Töplitz, einem kleinen Dorf mit Insellage, das zur Stadt Werder gehört, kennt ihn jeder. Manche sehen in ihm den gescheiterten Politiker, andere einen alten Mann, der seine Ruhe sucht.

Pfarrerin Almut Gaedt beschreibt ihn als ruhig, manchmal sei er in der Kirche gewesen. Er spiele Orgel, habe das aber nie in der Kirche getan. In seiner jetzigen Situation habe er nie um Hilfe gebeten. „Wenn er käme, würden wir uns zusammensetzen.“

Günther Krause ist „kluger, freundlicher Kunde“

Im Ort hilft man sich traditionell, erzählt die Pfarrerin. Es gibt Vereine, Feste, einen Biohofladen und Kathrin Zoskys „Töplitzer Einkaufsmarkt“. Dort kauft Krause oft Briefmarken oder Umschläge. Kathrin Zosky nennt ihn einen klugen, freundlichen Kunden: „Er kann zuhören und hat Menschenkenntnis.“ Dass er nun ausziehen muss, findet sie traurig. Sie habe auch keine Idee, wie es zu der Zwangsräumung habe kommen können, „wenn man so intelligent ist“. Seine Frau habe sie schon lange nicht mehr gesehen.

Am Nachmittag sieht man Krause im alten Mercedes davonfahren. Zu dieser Zeit steht die 65-jährige Jutta am Zernsee. Sie sagt, sie gehe eigentlich fast jeden Tag schwimmen, wenn es das Wetter zulasse. Günther Krause kennen sie nur vom Namen. Gesehen habe sie ihn an diesem Strand noch nie.