Zwei Wölfe sorgen gerade in Flecken Zechlin für Unruhe. Auf dem Video einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie eines der Tiere versucht, über den Gartenzaun eines Wohnhauses zu springen. Nur ein paar Stunden später werden die Wölfe wieder in der 700-Seelen-Gemeinde gesichtet, bei Tageslicht – Richtung Ortsausgang, Richtung Spielplatz. Die Einwohner sind natürlich beunruhigt. Nicht nur in Flecken Zechlin. In Brandenburg gibt es immer mehr Wölfe, es wird über eine Abschussquote nachgedacht. Doch die Zahl der Wolfsangriffe auf Nutztiere hat immerhin abgenommen, wie neue Statistiken zeigen.
Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz für das Monitoring-Jahr 2023/24 leben in Brandenburg mit 58 Wolfsfamilien die meisten Rudel (2022/23: 52), gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37). Wie viele Tiere es tatsächlich sind, ist schwierig zu sagen. Denn die Größe einer Wolfsfamilie schwankt: Sie kann zehn bis 15, zu einem anderen Zeitpunkt drei bis vier Tiere umfassen, wie die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) schreibt.
Die aktuellen Zahlen: So viele Wölfe und Wolfsangriffe gibt es
Brandenburg: In diesem Bundesland hat laut dem Verein Wildtierschutz Deutschland die Zahl der Wölfe gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 430 auf 484 Tiere zugenommen (plus 12,6 Prozent). Die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere ist 2024 aber von 358 im Vorjahr auf 279 Rissereignisse gesunken – ein Rückgang um 22 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit 2020. Etwa 90 Prozent der Risse betrafen Schafe und Ziegen, gefolgt von Rindern und Gehegewild (hauptsächlich Damwild). Nur bei zwölf Prozent der Übergriffe seien die Weidetiere gemäß der vom Landesamt für Umwelt empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen geschützt gewesen, erklärt der Verein.
Niedersachsen: Auch hier steigt die Zahl der Wölfe weiter an – um 18 Prozent von 345 auf zuletzt 407 Tiere. Und auch hier ist die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere 2024 zurückgegangen, von rund 300 Übergriffen im Jahr 2023 auf rund 240 Übergriffe 2024.
Sachsen: Hier ist sogar die Zahl der Wölfe rückläufig, sie ist im letzten Berichtszeitraum um 6,2 Prozent zurückgegangen, von 322 auf 302 Wölfe. Ebenso die Rissereignisse: Wurden 2023 wurden 275 Übergriffe gemeldet, waren es 2024 nur noch 210.

Lovis Kauertz vom Verein Wildtierschutz Deutschland ist gegen einen Abschuss von Wölfen. Er begründet das mit der sinkenden Zahl der Übergriffe auf Nutztiere – diese sei rückläufig, „und zwar ganz ohne (legale) jagdliche Eingriffe“.
„Wer nach einem wie auch immer gearteten aktiven Bestandsmanagement ruft, versteht die Lebensweise von Wölfen nicht und ignoriert die rechtlichen Grundlagen dafür. Auch nach der Herabstufung des Schutzes in der Berner Konvention wird der Wolf zumindest so lange kein Objekt einer regulären Jagd sein, wie der nationale günstige Erhaltungszustand nicht gewährleistet ist. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt“, erklärt Kauertz weiter.
Brandenburgs Agrarministerin Hanka Mittelstädt will dagegen im Laufe des Jahres eine Regelung erzielen, um den Wolfsbestand reduzieren zu können. Sie bereite auch eine Bundesratsinitiative vor, damit der Bund eine Absenkung des Schutzstatus für den bislang streng geschützten Wolf rasch umsetze, sagt die SPD-Politikerin.
„Wir brauchen eine Bestandsreduzierung und Kontrolle“, sagt die Ministerin. „Jetzt warten wir noch auf die Änderung der FFH-Richtlinie.“ Der Schutzstatus des Wolfs soll demnach in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt werden.
Brandenburg will das Jagdgesetz ändern
„Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr da noch eine Regelung finden werden für uns. Aber ich warte immer noch auf den Bund“, erklärt Mittelstädt. „Wir werden das Jagdgesetz jetzt schon ändern, parallel, sodass wir dann vorbereitet sind.“ Zudem werde dann auch entschieden, ob Brandenburg eine Zielgröße für den Wolfsbestand festlege – das bedeutet, „alles, was darüber hinaus ist, kann dann bejagt werden“.
Der Verein Wildtierschutz Deutschland ist für einen anderen Weg. Jagd kann den Herdenschutz nicht ersetzen, heißt es dort. Im Gegenteil: Herdenschutz funktioniere dort, wo stabile, ungestörte Wolfsrudel leben, die gelernt haben, dass Zäune weh tun. Die „IG Herdenschutz plus Hund“ in Sachsen-Anhalt (258 Wölfe) zeige, dass effizienter Herdenschutz möglich ist – ohne Jagd auf Wölfe: Seit sechs Jahren hätten die beteiligten Weidetierhalter mit etwa 25.000 Tieren keinen einzigen Riss zu vermelden. ■