Das nervenaufreibende Hin und Her dauert nun schon über zehn Jahre an. Im Jahr 2010 kauften die Eheleute W. in Rangsdorf ein Grundstück. Bei einer Zwangsversteigerung. Sie bebauten es mit ihrem Traumhaus und leben seitdem mit ihren Kindern dort. Doch dann meldete sich der Erbe des Alteigentümers des Grundstücks. Das Ehepaar zog bis vor den Bundesgerichtshof (BGH), damit der Traum der Familie doch noch weiterleben kann – am Freitag haben die obersten Richter entschieden.
Für Familie aus Brandenburg hat sich ihre Hartnäckigkeit und der Weg ans höchste deutsche Zivilgericht erstmal gelohnt. Vorerst wird nichts abgerissen, das Haus bleibt zunächst stehen! Dazu kommt: Der emotionale Rechtsstreit um Haus und Grundstück muss noch einmal vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg neu verhandelt werden!
Räumung nur, wenn der Eigentümer eine Entschädigung zahlt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob ein früheres Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurück. Unter anderem habe es die beklagte Familie zu Unrecht zum Abriss ihres Einfamilienhauses verurteilt, so der BGH. (Az. V ZR 153/23).
Zwar habe der Kläger als rechtmäßiger Eigentümer, wie vom OLG angenommen, Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs und auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, entschied der Karlsruher Senat. Das Zurückbehaltungsrecht der Familie für den Hausbau habe die Vorinstanz aber zu Unrecht verneint. Die Eheleute müssten das Grundstück also nur räumen, wenn der klagende Eigentümer ihnen für das gebaute Haus einen sogenannten Verwendungsersatz zahlt. Das heißt: Das OLG Brandenburg muss nun entscheiden, wie viel Geld der Familie zusteht.
Das OLG Brandenburg hatte das Ehepaar W. im Juni 2023 dazu verurteilt, binnen eines Jahres ihr Haus abzureißen und das Grundstück zu räumen. Zudem sollte sie eine Grundschuld über 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Die Eheleute legten Revision ein – die jetzt am BGH nun Erfolg hatte.
Streit um Haus in Rangsdorf: Es gab eine Fehlerkette der Gerichte
Aber von vorne: Angefangen hatte alles mit einer Zwangsversteigerung, bei der die betroffenen Eheleute W. 2010 das Grundstück in Rangsdorf südlich von Berlin erworben hatten. Nachdem sie darauf ein Haus gebaut und mit ihren zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich plötzlich der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Er hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung erfahren – und forderte das Grundstück zurück.
1993 wurde das Grundstück an einen US-Bürger vererbt, nachdem dessen Großtante gestorben war. Der Erbe lebt nicht in Deutschland. Da auf dem Grundstück noch Schulden lasteten, wurde ab 2008 die Zwangsversteigerung betrieben. Der Eigentümer wusste davon aber nichts, denn das Amtsgericht Luckenwalde gab ihm nicht Bescheid. Es benachrichtigte lediglich einen Rechtsanwalt als Vertreter, weil der Aufenthaltsort des US-Bürgers nicht bekannt sei. Ein fataler Fehler.
Im Jahr 2010 erhielten Familie W. den Zuschlag und ersteigerte so das Grundstück. Die Familie ließ das Wochenendhaus, das dort stand, abreißen und baute sich ein Wohnhaus. Sie nahm dafür 280.000 Euro als Kredit auf. Nachdem die Eheleute im August 2012 mit ihren zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Er hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung erfahren – und forderte nun das Grundstück zurück.
Die Versteigerung sei nicht rechtens gewesen, entschied daraufhin 2014 das Landgericht Potsdam. Denn das Amtsgericht Luckenwalde habe vorher nicht ausreichend nach dem ursprünglichen Eigentümer gesucht. Der Zuschlag wurde wieder aufgehoben und der Eigentümer zog anschließend gegen die Familie vor Gericht. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Brandenburg führte dann zu dem Abrissurteil. Gegen dieses Urteil legte Familie W. Revision ein, sodass der Fall in Karlsruhe landete. Die Fristen für Räumung und Abriss wurden verlängert.

Familie W. hatte Zweifel daran, ob das Amtsgericht hier wirklich einen Fehler gemacht hat. Aus ihrer Sicht habe die Behörde sehr wohl im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach dem eigentlichen Besitzer gesucht, sagte Hausbesitzerin W. vor der mündlichen Verhandlung am BGH. Sie kritisierte zudem, dass der Zuschlag aufgehoben worden sei, ohne das betroffene Ehepaar zu hören.
Land Brandenburg will Schadenersatz zahlen
Im Januar verhandelte der Fünfte Zivilsenat des BGH zu der Sache. Auf die Frage, ob der Zuschlag zu Recht aufgehoben wurde oder nicht, komme es heute nicht mehr an, erklärte damals die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner. Schließlich sei der Beschluss des Landgerichts rechtskräftig. Die Familie habe das Grundstück daher nach vorläufiger Einschätzung des Senats wohl endgültig verloren, so Brückner. Doch mit dem Urteil vom Freitag weist das Gericht einen Weg, wie beide Seiten zu ihrem Recht kommen könnten.
Im Anschluss an das Verfahren wird es wohl auch darum gehen, wie viel Geld die Familie an Schadenersatz vom Land Brandenburg bekommt. Das Land stehe in der Verantwortung, die durch den Fehler bei der Zwangsversteigerung verursachten materiellen Schäden zu ersetzen, erklärte ein Sprecher des Justizministeriums vor der Verhandlung im Januar. Das Ministerium sei mit der Familie im kontinuierlichen Austausch und strebe eine außergerichtliche Einigung an. ■