Streit unter Parteien

Autorin Juli Zeh: Verbotsverfahren würde AfD „krass nutzen“

Brandenburger Schriftstellerin hält die Brandmauer gegen die AfD für gescheitert und sieht nicht in allen Wählern der AfD Rechtsextremisten.

Author - Stefan Doerr
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Juli Zeh hat eine klare Haltung zum Umgang mit der AfD.
Juli Zeh hat eine klare Haltung zum Umgang mit der AfD.Imago/teutopress

Seit Jahren verweigern die bürgerlichen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD. Und der Zuspruch für die Rechtspopulisten wächst. Kann man mit dem Einhalten der „Brandmauer“ also die AfD tatsächlich bekämpfen? Die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh (51) meint „Nein“ und nimmt Wähler der Rechtsaußen-Partei in Schutz.

Die politische Abschottung gegenüber der AfD hält Juli Zeh für gescheitert. Die sogenannte Brandmauer habe der Partei eher genutzt als geschadet. „Der Versuch, mit der Brandmauer die AfD kleinzuhalten, hat in den letzten zehn Jahren nichts gebracht“, sagte Zeh im Interview mit der „wochentaz“. „Die Prozente der AfD steigen ja immer weiter.“

Zeh ist gegen Verbot der AfD

Auch ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD sieht die ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg kritisch. Ein solcher Schritt könne der Partei sogar in die Hände spielen. „Wenn Sie einen halbwegs cleveren AfD-Funktionär fragen, was auf seinem Wunschzettel für 2026 steht, dann sagt der wahrscheinlich: Ich wünsche mir ein Verbotsverfahren“, sagte Zeh. „Allein der Versuch, sie zu verbieten, würde der AfD krass nutzen.“

Seit Jahren wird parteiübergreifend darüber gestritten, ob ein Verbotsverfahren gegen die AfD angestoßen werden soll. Die Partei gilt in Teilen als rechtsextrem, ein offizielles Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gibt es derzeit jedoch nicht.

Nicht alle AfD-Wähler sind auch Rechtsextremisten

Zeh lebt seit langem in einem Dorf in Brandenburg – einer Region, in der die AfD besonders stark ist. Bei der Bundestagswahl im Februar holte sie im Dorf 54 Prozent der Stimmen. Die Schriftstellerin betont, dass diese Zahlen nicht automatisch auf verfassungsfeindliche Einstellungen schließen lassen. „Der durchschnittliche AfD-Wähler will nicht das Parlament abschaffen“, sagte sie. Vielmehr herrsche ein tiefes Misstrauen gegenüber politischen Entscheidern in den Metropolen. „Natürlich ist das Misstrauen in dieser Form aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt. Aber wenn man irgendetwas verstehen will, muss man es zur Kenntnis nehmen.“

Juli Zeh ist ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Brandenburg.
Juli Zeh ist ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Brandenburg.Bernd von Jutrczenka/dpa

Nicht die AfD ist gut, sondern die übrigen Parteien sind schlecht

In ihrem Dorf richte sich der Frust vor allem gegen die etablierten Parteien. „Ich glaube, wir haben momentan niemanden im Dorf, der mit seinen Meinungen außerhalb der Verfassung stünde“, sagte Zeh. Die überwiegende Mehrheit sei auch nicht der Meinung, man müsste alle Ausländer remigrieren oder noch Schlimmeres.

Darüber hinaus warnt Zeh vor einem aus ihrer Sicht verkürzten Demokratieverständnis in Teilen der Gesellschaft. „Demokratie ist nicht, wenn Menschen Dinge wählen, die man selbst gut und richtig findet“, sagte sie der „taz“. Andernfalls müsse man die Schweiz als gescheiterte Demokratie ansehen – etwa wegen erfolgreicher Volksentscheide gegen den Bau von Minaretten.

„Man muss unterscheiden können zwischen eigenen politischen Überzeugungen und Demokratie“, sagte Zeh. Im Extremfall setze unsere Verfassung auch demokratisch legitimierten Entscheidungen Grenzen, aber man könne nicht alles als undemokratisch bezeichnen, was einem nicht gefalle.