Sie hat nichts dagegen

Berliner Richterin macht Weinladen zum Bordell

Das größte Bordell in Berlin will noch größer werden, möchte eine alte Lagerhalle zur Zweigstelle ausbauen. Doch die Behörden weigern sich. Nun schritt das Gericht ein.

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Ein Zimmer des FKK- und Saunaklubs Artemis
Ein Zimmer des FKK- und Saunaklubs ArtemisFabian Sommer/dpa

Es ist ein Ort mit viel Verkehr: das kleine Gewerbegebiet an der Halenseestraße in Berlin-Wilmersdorf. Dort steht das Objekt der Begierde nahe der Stadtautobahn, einer Zugtrasse, der Messe Berlin samt Funkturm. Eine leer stehende Weinhandlung, die das Großbordell Artemis haben will. Daraus wollen die Betreiber des Liebestempels eine Außenfiliale machen. Doch der Bezirk will das nicht, rückt die Genehmigung nicht heraus. Und so trafen sich Bordellbetreiber, Behördenmitarbeiter, Richterin und Anwälte am Montag zum Gerichtstermin unter freiem Himmel.

Alle sind mit dicken Jacken und auch Mützen und Handschuhen erschienen. Richterin Anna von Oettingen hat offenbar nichts gegen einen Puff in einem ehemaligen Weinladen. Sie sagt: „Die grundsätzliche Frage darf man schon stellen: Wen stört es denn hier?“ Mit ihren kritischen Nachfragen zielt die Richterin während der Verhandlung auch mehr in Richtung des zuständigen Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf als der Bordellbetreiber.

Der Artemis-Besitzer Hakim Şimşek, der die Lagerhalle umbauen will und gegen den Bezirk klagt, sagte leicht gereizt: „Hier störe ich niemanden. Hier gibt es keine Nachbarn, keine Kinder, keine Schulen.“ Er finde Bordells und Prostitution in Wohngebieten nicht richtig. Entsprechende Kaufangebote habe er öfter gehabt, aber immer strikt abgelehnt.

Ein Vertreter des Bezirksamtes erwiderte: „Hier stört es.“ Zugleich räumte er ein: „Aber in der Innenstadt stört es noch mehr.“ Trotzdem bleibe der Bezirk bei seiner Ablehnung und wolle den Umbau nicht.

Um diese einstige Weinhandlung an der Halenseestraße in Berlin-Wilmersdorf, die ein Bordell haben will, geht es.
Um diese einstige Weinhandlung an der Halenseestraße in Berlin-Wilmersdorf, die ein Bordell haben will, geht es.Thomas Meyer/Ostkreuz

Vor Gericht ging es aber um Baurecht und Nutzungspläne und weniger um eine Frage des Bordellbetriebs. Der Bezirk hatte seine Ablehnung der Baugenehmigung mit mehreren Aspekten des Bau- und Planungsrechts begründet.

Das Artemis hatte 2005 in einem mehrgeschossigen früheren Lagerhaus an der Autobahn eröffnet. Es ist das größte Bordell in Berlin und eines der größten in Deutschland. Die Betreiber sprechen auf ihrer Internetseite von einem FKK-Klub und Bordell mit Saunen und Swimmingpool. Besucher zahlen eine Pauschale von 90 Euro für die Nutzung der Wellnesseinrichtungen. Sex kostet extra und wird direkt bei den Prostituierten gezahlt.

Bordell in Weinhandlung: Seit fünf Jahren verweigern Behörden den Antrag

2009 kauften die beiden Betreiber die jetzt strittige Lagerhalle mit 4000 Quadratmetern Fläche in der Nähe. 2017 beantragten sie den Bau eines achtgeschossigen Bordells. Wegen der Höhe wurde das abgelehnt.

2019 beantragten sie, nur die Halle auszubauen. 32 Zimmer für die Prostituierten und ihre Kunden soll es geben, sogenannte Verrichtungszimmer. Außerdem Zimmer für die Frauen, die dort auf Selbstständigen-Basis arbeiten sollen, zum Schlafen und Ausruhen.

Das Objekt der Begierde: Während der Gerichtsverhandlung vor Ort sah man sich genau in der alten Weinhandlung um, die nun ein Liebesnest werden soll.
Das Objekt der Begierde: Während der Gerichtsverhandlung vor Ort sah man sich genau in der alten Weinhandlung um, die nun ein Liebesnest werden soll.Thomas Meyer/Ostkreuz

Die Richterin betonte, bei der ersten Ablehnung sei es eigentlich nur um die Gebäudehöhe gegangen. Nun spielten plötzlich weitere Aspekte eine Rolle. Dabei sei der Zweck des Gebäudes derselbe geblieben.

Auch der Schallschutz nach außen gegen die Autobahn und auch innerhalb spielte eine Rolle. „Daran haben Sie doch bestimmt gedacht“, sagte die Richterin. „Sie wollen ja nicht, dass eine Dame mit einem Kunden durch den Lärm der anderen Dame und ihrem Kunden gestört wird.“ Die Antwort des Bordellbetreibers: „Selbstverständlich.“

Blick auf das Großbordell Artemis am Autobahndreieck Funkturm: In der Nähe befindet sich die alte Weinhandlung an der Halenseestraße.
Blick auf das Großbordell Artemis am Autobahndreieck Funkturm: In der Nähe befindet sich die alte Weinhandlung an der Halenseestraße.Thomas Meyer/Ostkreuz

Nach mehr als zwei Stunden mit Rundgang auf dem Gelände bei winterlichen Temperaturen und der eigentlichen Verhandlung in der ebenfalls eiskalten Halle stellte die Richterin mit Blick auf die ebenfalls wippenden und zitternden Prozessteilnehmer erst mal fest: „Oh, ist mir kalt!“ Erleichtert verließen alle den Ort.

Bordell-Betreiber zogen vor Gericht

Das Artemis war auch 2016 durch eine große Razzia der Polizei in die Schlagzeilen geraten. Mehrere Männer und Frauen wurden festgenommen und in Untersuchungshaft gesperrt. Die Staatsanwaltschaft sprach unter anderem von Verbindungen zur Organisierten Kriminalität. Doch die Vorwürfe fielen in sich zusammen.

Die Betreiber zogen vor Gericht und setzten nach mehreren Jahren durch, dass das Land Berlin sich 2023 entschuldigte und 250.000 Euro Entschädigung zahlte. Nach eigenen Angaben spendeten sie daraufhin 350.000 Euro an das Kinderkrankenhaus der Uniklinik Charité.

Und nun siegen die Artemis-Betreiber wieder vor Gericht. Am Montagnachmittag steht fest: Die geplante Erweiterung des Großbordells Artemis durch den Umbau einer nahe gelegenen Lagerhalle ist baurechtlich zulässig. Das Land Berlin und der zuständige Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wurden zur Erteilung der Baugenehmigung verpflichtet. Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.