Wer gewinnt?

Berlinale-Endspurt: Diese Filme sind einfach der Bären-Hammer!

Schon am Samstag werden die begehrten Berlinale-Bären verliehen. Favoriten? Gibt es bereits. Aber vor allem die Darsteller überzeugen.

Author - Karim Mahmoud
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Denise Weinberg in „The Blue Trail“ von Gabriel Mascaro.
Denise Weinberg in „The Blue Trail“ von Gabriel Mascaro.Guillermo Garza/Desvia

19 Filme, 19 Hoffnungen. Der Wettbewerb der 75. Berlinale schlingert mit Vollgas auf die Schlussgerade zu. Schon am Samstag werden die begehrten Bären verliehen. Und wie immer ist es schwer, Favoriten aus dem Feld herauszuschälen. Einige Kritiker bemängeln in diesem Jahr, dem ersten von Neu-Intendantin Tricia Tuttle, die Qualität des Wettbewerbs. Das kann man so nicht sagen. Was aber auffällt, ist, die Figuren, um die es geht, haben oft einen mittelschweren Knacks. Und mal ehrlich: Wer kann es ihnen übelnehmen, in dieser frostigen Zeit?

Einige Wettbewerbsbeiträge stechen trotzdem hervor, wobei man sagen muss: Besonders starke Filme liefen und laufen auch in anderen Sektionen. Zum Beispiel das Pflege-Notstands-Drama „Heldin“ mit Leonie Benesch (Berlinale Special Gala). Oder auch der Dokumentarfilm „Das Deutsche Volk“ (Berlinale Special) von Regisseur Marcin Wierzchowski über den rassistischen Anschlag in Hanau (Hessen, 2020), der auch Angehörige der Opfer zu Wort kommen lässt. Viele fühlen sich im Stich gelassen von Politik und Behörden.

Spaß gemacht hat anfangs die Idee von „Parasite“-Regisseur Bong Joon-ho, in „Mickey 17“ (Berlinale Special Gala) den Weltraum-Hero Robert Pattinson nach dessen Leinwand-Tod immer wieder neu zu klonen. So etwas Ähnliches gab es schon mal mit Tom Cruise in „Edge of Tomorrow“ (2014). Am Ende wirkt das Ganze aber doch ein bisschen ausgelutscht.

Ebenfalls gut an kam der Beitrag von James Mangold „A Complete Unknown“ in der Reihe Berlinale Special Gala. Das Biopic über den blutjungen Bob Dylan (Timothée Chalamet) ist schnörkellos geradeaus erzählt, und man kann sich als Zuschauer gut einfühlen in die frühen Sechzigerjahre und die inneren Kämpfe und Krämpfe des Provinz-Musikers. Weniger gut lässt sich nachvollziehen, welche kulturellen Auseinandersetzungen innerhalb der Branche Dylan zu dem gemacht haben, was er schließlich wurde: ein Weltstar. Das Werk ist bereits für acht Oscars nominiert, darunter „Bester Film“.

Nun zum Wettbewerb:

„The Blue Trail“: Brasilien mal nicht strahlend hell

In der Zukunftsvision „The Blue Trail“ geht es alten Menschen an den Kragen. Nicht so wie in den USA, wo Rentner ins Ghetto nach Florida kommen. Nein, hier werden die Alten konsequent von ihren Familien getrennt und in eine Kolonie verfrachtet. Die Kamera folgt Tereza (77), die im Amazonas abtaucht und dabei ganz neue Energien in sich entdeckt.

Regisseur Gabriel Mascaro geht es darum zu zeigen, wie Verrat und Bespitzelung zu einer totalitären Gesellschaft führen. Natürlich bleiben Anstand und Menschlichkeit nicht völlig auf der Strecke. Aber düster ist diese Vision allemal.

Gute Chancen auf den Silbernen Bären als beste Schauspielerin hat die Hauptdarstellerin Denise Weinberg. Sie bäumt sich nach und nach gegen die Unmenschlichkeit auf, und man schaut ihr bei dieser Entwicklung gern zu, auch wenn für einen selbst alles beim Alten bleibt.

Jessica Chastain im Wettbewerbsfilm „Dreams“ von Michel Franco.
Jessica Chastain im Wettbewerbsfilm „Dreams“ von Michel Franco.Teorema

Migrantenliebe „Dreams“ mit Jessica Chastain

Das kapitalismuskritische Migrantendrama „Dreams“ des mexikanischen Regisseurs Michel Franco fanden viele Kritiker cool. Der etwas konstruierte Film handelt von der Affäre zwischen einer begüterten US-Amerikanerin (Jessica Chastain) und einem Balletttänzer aus Mexiko. Das Werk ist eine clevere Sozialstudie und irgendwie auch ein Gegenentwurf zu der heraufziehenden Trump-Welt. Trotzdem endet er in einem schonungslos brutalen Finale. Kann man mögen, das breite Publikum wird aber genau das abstoßend finden.

„Living the Land“: Dorf-Alltag als Gesellschaftspanorama?

Die Chinesen sind nicht nur als Berlinale-Sponsoren, sondern immer auch für einen Bären gut. Und mit dem Provinz-Epos „Living the Land“ kann das mal wieder gelingen. Episch breit lässt Regisseur Huo Meng die Kamera die Perspektive eines kleinen Jungen einnehmen, der mit den Veränderungen des Alltags eines Dorfs im China des Jahres 1991 konfrontiert ist. Klar, dass Korruption und Machtmissbrauch zum Thema werden. Aber auch die sprunghafte technologische Entwicklung und die grassierende Landflucht. Kein echtes Gesellschaftspanorama, aber eine gelungene Milieustudie in 132 Minuten.

Frankreich-Star Marion Cotillard in „La Tour de Glace“ von Lucile Hadžihalilović.
Frankreich-Star Marion Cotillard in „La Tour de Glace“ von Lucile Hadžihalilović.3B-Davis-Sutor Kolonko-Arte-BR

„La Tour de Glace“: Marion Cotillard lässt uns frösteln

Frankreich-Star Marion Cotillard ist unglaubhaft schön. Das passt natürlich wunderbar zu einem Film, der einfach nur schön sein will. Die französische Regisseurin Lucile Hadžihalilović verfilmt mit „La Tour de Glace“ Hans Christian Andersens Märchen „Die Schneekönigin“. Dabei geht es ihr vor allem um das Erwachen weiblicher Sexualität. Für deutsche Zuschauer interessant: Der Berliner Schauspieler August Diehl ist wieder in einer internationalen Produktion zu sehen. Und sehenswert ist der immer.

Margaret Qualley und Ethan Hawke im Film „Blue Moon“ von Richard Linklater.
Margaret Qualley und Ethan Hawke im Film „Blue Moon“ von Richard Linklater.Sabrina Lantos/Sony Pictures Classics

„Blue Moon“: Ethan Hawke komplett verwandelt

Schauspieler Ethan Hawke („Boyhood“) spielt in „Blue Moon“ von Richard Linklater den 1943 verstorbenen Musical- und Song-Textdichters Lorenz Hart („My Funny Valentine“). Mehr als 1000 Lieder hat der einst verfasst. Das Werk spielt in einer New Yorker Bar, fast handelt es sich um einen Monolog. Allerdings um den Monolog eines Gescheiterten. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schreibt dazu: „Hawke begeistert mit einer packenden Charakterstudie voller Licht und Schatten – und hätte den Berlinale-Schauspielpreis verdient.“ Hawke wirkt in dieser Rolle tatsächlich komplett verwandelt.

Rose Byrne in „If I Had Legs I’d Kick You“ von Mary Bronstein.
Rose Byrne in „If I Had Legs I’d Kick You“ von Mary Bronstein.Logan White/A24

„If I Had Legs I’d Kick You“: Mutter am Rand des Nervenzusammenbruch

Im Mutter-Tochter-Schocker „If I Had Legs I’d Kick You“ von Regisseurin Mary Bronstein macht die Australierin Rose Byrne einen tadellosen Eindruck als Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Natürlich geht es dabei ums Kind und um den Ex. Die Tochter ist chronisch krank, dann führt ein Loch in der Wohnung zu extremem Motel-Stress. Und dass Byrne im Film Psychotherapeutin ist, hilft am Ende auch nicht wirklich.

„Byrne gilt vielen als heiße Anwärterin auf eine Auszeichnung mit dem Schauspielpreis. Ihre Leistung ist das A und O, fesselt von der ersten bis zur letzten Szene“, schreibt dpa.

Hinzu kommt aber auch, dass die Festivalchefin Tricia Tuttle Byrne gern beim Spielen zuguckt und das auch früh genug bekannt machte.

Am Mittwoch wurde noch mit Spannung der Wettbewerbsbeitrag „Kontinental `25“ von Radu Jude erwartet. Jude führte 2021 Regie bei der Gesellschaftssatire „Bad Luck Banging or Loony Porn“, die den Goldenen Bären gewann. In „Kontinental `25“ geht es um eine Gerichtsvollzieherin (Eszter Tompa), die täglich harte Entscheidungen treffen muss – und irgendwann nicht mehr damit klarkommt.

Im Wettbewerb der 75. Berlinale haben wir bisher also vor allem herausragende Darstellungen gesehen. Als heißer Anwärter auf den Goldenen Bären hat sich noch kein Film wirklich hervorgetan. Aber es sind ja auch noch ein paar Eisen im Feuer.

So kommen Sie an Berlinale-Tickets:

Der Verkauf der Berlinale-Tickets startete online. Die Karten sind immer drei Tage im Voraus, jeweils ab 10 Uhr, verfügbar. Pro Person und Vorstellung können maximal zwei gekauft werden – für 15 oder 20 Euro das Stück.