Böser Verdacht

Bauschaum-Angriffe vor Bundestagswahl: Geheimdienst-Spur nach Russland

Hunderte Fahrzeuge wurden bei der Anschlagsserie mit Bauschaum besprüht. Kam der Auftrag aus Russland?

Author - Stefan Doerr
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Autohasser hatten bei der Anschlagsserie Fahrzeuge mit Bauschaum besprüht.
Autohasser hatten bei der Anschlagsserie Fahrzeuge mit Bauschaum besprüht.Morris Pudwell

Knapp ein Jahr nach den rätselhaften Bauschaum-Attacken auf 276 Autos in vier Bundesländern verdichtet sich der Verdacht: Hinter der Serie könnte ein ausländischer Einflussversuch auf die Bundestagswahl gesteckt haben. Was zunächst wie banale Sachbeschädigung wirkte, wird nun als mögliches Werkzeug einer gezielten Manipulationskampagne bewertet.

Zwischen dem 8. und 11. Dezember 2024 stopften Täter den Auspuff zahlreicher Fahrzeuge mit Montageschaum und klebten Aufkleber mit dem Konterfei von Robert Habeck und dem Schriftzug „SEI GRÜNER!“ an die Wagen. Die Schäden reichten von ärgerlich bis kostspielig: Ist der Schaum einmal ausgehärtet, lässt er sich nur schwer entfernen.

Die Attacken zogen sich quer durch die Republik: 113 zerstörte Autos gab es laut Polizei im Raum Ulm, 43 in Schönefeld, 110 in Berlin, dazu zehn Fälle in Bayern. Ein Zufall? Für die Ermittler spricht inzwischen vieles dagegen.

Auftrag kam von serbischem Mann aus Russland

Einen brisanten Hinweis lieferte ein 18-jähriger Verdächtiger. Laut Staatsanwaltschaft Ulm erklärte er, „dass die Taten durch einen wohl serbischen Staatsangehörigen aus Russland, dessen Identität noch ungeklärt ist, in Auftrag gegeben worden seien, um das Wahlverhalten der Bundesbürger und dadurch das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23.02.2025 zu beeinflussen.“ Für jedes sabotierte Auto soll es 100 Euro gegeben haben. Bestätigt ist diese Aussage jedoch nicht, wie Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger betont: „Diese Angaben konnten bislang durch weitere Beweismittel aber nicht bestätigt werden.“

Silke Willems, Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, vermutet, dass die Gesellschaft durch solche Attacken gespalten werden soll.
Silke Willems, Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, vermutet, dass die Gesellschaft durch solche Attacken gespalten werden soll.Soeren Stache/dpa

Auch die übrigen vier Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Dennoch sehen Sicherheitsbehörden Muster, die sie aus Einflussoperationen kennen. Die Kombination aus plakativem politischen Motiv und dem kurzen Zeitraum vor der Bundestagswahl sei kein Zufall, heißt es aus Ulm. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht sogar weiter: „Aktionen wie diese, sollen die Gesellschaft polarisieren und spalten“, sagt BfV-Vizepräsidentin Silke Willems.

Man greife aktuelle Themen auf – in diesem Fall Klimapolitik – und versuche, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Dafür rekrutiere man „Low-Level-Agenten“, also Menschen, die im Auftrag fremder Dienste Straftaten begehen, ohne selbst Teil des Apparats zu sein. Geworben werde oft über soziale Medien.

Drei Männer in Transporter geschnappt

Ins Rollen kam der Fall, als eine Streife in Schönefeld einen Transporter stoppte, besetzt mit drei jungen Männern – im Gepäck mehrere Dosen Bauschaum. Kurz darauf gingen die ersten Anzeigen ein. Bei den Tatverdächtigen handelt es sich um einen 17-jährigen Bosnier, einen 20-Jährigen mit serbisch-kroatischer Staatsangehörigkeit sowie einen 18-jährigen Deutschen. Ihre Erklärungen für den Bauschaum wirkten wenig überzeugend.

Währenddessen warnt der Verfassungsschutz erneut vor russischen Rekrutierungsversuchen für Sabotage und Spionage. Solche Taten seien Teil einer hybriden Bedrohung, der Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs verstärkt ausgesetzt sei. Die Mischung aus Desinformation, psychologischer Einflussnahme und kleinen, aber öffentlichkeitswirksamen Straftaten soll verunsichern – bis hin zur Destabilisierung ganzer Gesellschaften.