BR Volleys

Bahnhofsmission am Zoo: Heute Stullen vom Pokalsieger

Sportler der BR Volleys arbeiten einen Tag in der Bahnhofsmission am Zoo mit.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Ruben Schott und Anselm sprechen über das Leben.
Ruben Schott und Anselm sprechen über das Leben.Markus Wächter

Anselm sitzt an einem der Tische in der Bahnhofsmission am Zoo und beißt in sein Käsebrötchen. Neben ihm Ruben Schott, der Kapitän der berühmtesten Volleyballer Deutschland, der BR Volleys. 13-facher Deutscher Meister sind die Volleys, gerade haben sie den Sieg im DVV-Pokal errungen. 

Dass die beiden Männer, der junge, erfolgreiche und der ältere mit viel Lebenserfahrung da sitzen und lange reden, hat einen Grund. Die Volleyballer der BR Volleys haben an diesem Mittwoch die Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo unterstützt. Stullen schmieren, Kleidung ausgeben, Kaffee einschenken, den Einlass an der Tür regeln: Sie haben die Arbeiten übernommen, die an jedem Tag hinter dem Bahnhof Zoo für Obdachlose und Bedürftige einen Unterschied machen. Dass sie an diesem Tag nicht nur anderen etwas geben, sondern vor allem für sich selber jede Menge Erkenntnis mitnehmen, ahnen sie vielleicht im Vorfeld, am Ende des Tages sind sie ganz sicher.

Zwei Welten: Ruben Schott hält den Siegerpokal in den Händen.
Zwei Welten: Ruben Schott hält den Siegerpokal in den Händen.Uwe Anspach/dpa

Die Welten, in denen sich der 66-jährige Anselm und Ruben Schott und sein internationales Team bewegen, sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Er komme ab und zu in die Bahnhofsmission am Zoo, um sich mit Essen zu versorgen, sagt Anselm. Derzeit schlafe er mal hier, mal da bei Freunden auf der Couch. Aber auch das Leben auf der Straße kennt er. Winternächte im Tiergarten oder das Misstrauen, wenn man auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz ist. „Ich schau’ immer, dass mit keiner folgt“, erklärt er Ruben Schott, der aufmerksam zuhört. Sich mit Alkohol und Drogen zu betäuben, komme aber nicht infrage, sagt Anselm. Einmal habe jemand zu ihm gesagt, er habe ja noch viel zu viele Ansprüche an das Leben. Ein Kompliment.

Kämpfen für den Titel, kämpfen auf der Straße

„Wenn man sich aufgegeben hat, dann hat man schon verloren“, sagt Anselm. Das Kämpfen und Weitermachen, das kennt auch Ruben Schott, wenn auch in einem ganz anderen Kontext. Sein Lohn für die täglichen Mühen im Training ist das unbeschreibliche Gefühl vor großem Publikum zu gewinnen. 

Bedürftige stehen in der Schlange der Essensausgabe an der Bahnhofsmission am Zoo.
Bedürftige stehen in der Schlange der Essensausgabe an der Bahnhofsmission am Zoo.dpa

Anselms Höhepunkte finden eher im Stillen statt. Wenn er einmal Lust auf Kultur hat, findet er sie in einer Stadt wie Berlin. In die Philharmonie gehen und einfach die Atmosphäre da aufsaugen, Gymnastik in einem der vielen Parks, ein gutes Buch in der Bibliothek lesen. Ein Tag will gut geplant sein, er braucht Struktur. Es gehört eine Menge Disziplin dazu, ein Leben auf Trebe mit Würde zu gestalten.

Anselms Motor ist die Neugier: „Es gibt immer noch so viel, was ich nicht weiß“, sagt Anselm. Er lese viel. Ruben Schott lauscht den Erzählungen des Älteren und ist dankbar für die vielen neuen Eindrücke, die dieser Tag ihm und seinen Teamkollegen schenkt.

Die BR Volleys helfen bei der Essensausgabe in der Bahnhofsmission.  
Die BR Volleys helfen bei der Essensausgabe in der Bahnhofsmission. Markus Wächter

In der Bahnhofsmission finden Frauen und Männer wie Anselm einen Ansprechpartner, wenn sie es wollen. Die 600 Schrippen, die sie hier täglich schmieren, sind so etwas wie ein Lockmittel für die Einsamen auf der Straße. „Je härter das Leben draußen, desto mehr wird man zum Einzelkämpfer“, weiß Tim, der die Ehrenamtlichen koordiniert. Ohne die ginge hier gar nichts. 1000 feste Mitarbeiter gibt es bei der Stadtmission, die die Bahnhofsmission und weitere Einrichtungen in der ganzen Stadt betreibt, und 2000 Ehrenamtliche. 

Teambesprechung der BR Volleys in der Bahnhofsmission. 
Teambesprechung der BR Volleys in der Bahnhofsmission. Markus Wächter

„Alle, die hier helfen, wollen anderen etwas geben“, sagt Tim.  „Aber eigentlich tut man sich selber am meisten Gutes.“ Die Arbeit in der Bahnhofsmission erdet und rückt so manche Befindlichkeit ins rechte Verhältnis. Das geht auch den Volleyball-Profis so.

Auch Leon Dervisaj, Zuspieler bei den BR Volleys, ist von dem Vormittag, den er in der Bahnhofmission verbracht hat, beeindruckt. „Es ist das erste Mal, dass ich in so einer Einrichtung bin“, sagt er. Schön sei es gewesen und erschreckend zugleich. Am Morgen hat er Menschen, die nach einem Gürtel und nach Handschuhen fragten, helfen können. „Es tut gut, zu sehen, dass auch kleine Dinge etwas bewirken“, sagt Leon Dervisaj.

Leon Dervisaj geht mit vielen neuen Eindrücken nach Hause.
Leon Dervisaj geht mit vielen neuen Eindrücken nach Hause.Markus Wächter

Es sei gut, auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, das sei etwas, was er von diesem Tag mitnehme. Und natürlich den Auftrag, Schuhe in großen Größen zu besorgen. Die sind in der Bahnhofsmission nämlich immer sehr begehrt. Die Befürchtung, die Gäste hier könnten aggressiv sein, hat sich nicht bewahrheitet. Alles geht ruhig seinen Gang: Immer neue Menschen, die meisten von ihnen Männer, gut die Hälfte der Gäste mit nicht deutschem Hintergrund, kommen in den Raum, holen sich Brot, Tee oder Kaffee und setzten sich an die Tische. Die Schlange draußen wird nur langsam kleiner.

Anselm kennt Berlin wie seine Westentasche. Die schönen Seiten und die dunklen.
Anselm kennt Berlin wie seine Westentasche. Die schönen Seiten und die dunklen.Markus Wächter

Und jeder hier hat, wie Anselm, seine eigene Geschichte im Gepäck. „Früher bin ich oft Fallschirm gesprungen, das war mein Sport“, sagt Anselm gerade. „Echt, das habe ich mich noch nie getraut“, erwidert Ruben Schott. ■