Berliner Fußgänger sauer

Alle 100 Meter ein E-Scooter im Weg: Verband bittet Verleiher zur Kasse

Laut FUSS e.V. wurden innerhalb einer Woche über 30.000 falsch abgestellte Leihräder und -roller im gesamten Stadtgebiet festgestellt. Es fehlen Stellplätze. Und dafür sollen Verleiher und nicht das Land zahlen.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Ein E-Scooter liegt umgekippt mitten auf dem Gehweg in Berlin-Friedrichshain – keine Seltenheit in der Hauptstadt.
Ein E-Scooter liegt umgekippt mitten auf dem Gehweg in Berlin-Friedrichshain – keine Seltenheit in der Hauptstadt.Jens Kalaene/dpa

Sie sind ein großes Ärgernis in Berlin. Die E-Scooter, die achtlos auf Bürgersteigen abgestellt werden, so die Fußgänger behindern. Im täglichen Verkehr auf den Straßen der Stadt sind sie vor allem für Sehschwache und Blinde gefährliche Stolperfallen. „Fast alle 100 Meter steht so ein Ding im Weg“, moniert der Berliner Fußgängerverband FUSS e.V. jetzt in einer aktuellen Studie. Weil der Stadt das Geld für mehr Rollerstellplätze fehlt, bittet nun der Fußgängerverband die E-Scooter-Verleiher zur Kasse.

Der Verband untersuchte  in Mitte, Schöneberg und Alt-Tempelhof zwischen dem 24. und 28. August das Verhalten von E-Scooter-Fahren. Das Ergebnis: Hochgerechnet auf das gesamte Stadtgebiet wurden in diesem Zeitraum über 30.000 Roller falsch abgestellt.

 Nach Angaben von FUSS eV. standen allein in den Untersuchungsgebieten Schöneberg und Tempelhof 72 Prozent der Fahrzeuge im Weg. „Im Durchschnitt alle 103 Meter sind die Menschen dieser Stadtplage ausgesetzt“, sagt Fußgängerverband-Vorstand Roland Stimpel.

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Laut der Studie sei es im innerstädtischen Altbauquartier rund um die Hauptstraße in Schöneberg am schlimmsten. „Hier ist die Wohn- und Geschäftsdichte hoch, aber auch das öffentliche Nahverkehrsnetz dicht und die Frequenz hoch. U- oder S-Bahn sind maximal 300 Meter entfernt; durch das Gebiet fahren stündlich rund 60 Busse. Es gibt keine Lücke, die mit Sharing-Zweirädern gefüllt werden müsste.“

Trotzdem stehen und liegen hier Leihräder und -roller auf den Gehwegen in großer Zahl, heißt es weiter. „Im Durchschnitt alle 65 Meter ist ein Gerät störend im Weg; blinde Menschen sind sogar alle 59 Meter gefährdet und behindert. Mehr als 70 Prozent der Kunden von E-Scootern, Fahrrädern und Mopeds brechen Verkehrsregeln und Sondernutzungs-Auflagen. Das Gebiet hat ein besonders starkes Missverhältnis zwischen geringem Mobilitätsnutzen und starker Mobilitätsstörung.“

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All das passiert, obwohl das Land Berlin den Verleiher-Firmen klare Vorgaben mit der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Vermieten von über 43.000 E-Rollern und E-Rädern stellte. Doch der Senat ist gegen ein Roller-Verbot wie in Paris und in Madrid.

Die Situation mit dem Abstellen der Leihfahrzeuge sei nur dort besser, wo es Abstellstationen gibt, die vor allem im Stadtzentrum wie in Berlin-Mitte liegen, so der Fußgängerverband. Dort seien daher wild abgestellte Roller und Räder von den Gehwegen fast verschwunden.

Fußgängerverband-Vorstand Roland Stimpel
Fußgängerverband-Vorstand Roland StimpelVolkmar Otto

Doch für mehr solcher Stationen, wie die „Jelbi“-Haltepunkte der BVG, fehlt dem Senat aufgrund fehlender Milliarden im Haushalt das Geld. Im Doppeletat 2022/2023 standen noch 8,8 Millionen Euro für Jelbi-Stationen zur Verfügung. Dagegen sind im Doppelhaushalt 2024/2025 nur 3,5 Millionen Euro eingeplant.

Der FUSS e.V. fordert, dass die Verleiher künftig die Abstellplätze für ihrer Fahrzeuge finanzieren sollen. Das sei mehr als gerecht. Denn die Stationen müssen nicht nur ausschließlich von den Steuergeldern der Berliner bezahlt werden wie bisher, so Verbandsvorstand Stimpel und bittet daher die Anbieter zur Kasse.  „Sie haben das Chaos angerichtet und machen Geschäfte auf öffentlichen Grund“, sagt Stimpel.

So geht es auch: E-Roller stehen ordentlich an einer Jelbi-Station  am Nollendorfplatz (Schöneberg). Doch für mehr Abstellflächen fehlt dem Senat das Geld.
So geht es auch: E-Roller stehen ordentlich an einer Jelbi-Station am Nollendorfplatz (Schöneberg). Doch für mehr Abstellflächen fehlt dem Senat das Geld.Jürgen Held/imago

Aber sie würden für den größten Teil der Fläche im Stadtgebiet (außerhalb des S-Bahn-Ringes) „bisher keinen Cent“ an Sondernutzungsgebühren zahlen, für die kleineren Bereiche innerhalb des S-Bahn-Ringes „nur drei Euro pro Fahrzeug und Monat“. „Stationen auf Staatskosten sind so, als würde ein Gastronom für sein Straßencafé nicht nur ein Stück Gehweg fordern, sondern auch Tische, Stühle und Biergläser auf Staatskosten“, sagt Stimpel.

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Insgesamt seien dadurch im vergangenen Jahr 700.000 Euro gezahlt worden. Das reicht nicht, um weitere Stationen aufzubauen. Daher fordert der Verband Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) auf, die Verleiher stärker zur Kasse zu bitten.

„Im März 2025 laufen ihre Sondernutzungs-Genehmigungen aus“, sagt Stimpel. „Wenn Senatorin Bonde neue gibt, dann hat sie die Wahl: Entweder sie setzt die Menschen weiter dem Chaos aus.  Oder sie schwingt den Besen und erteilt die Auflage, dass die Anbieter feste Plätze finanzieren müssen“, sagt der Verbandschef.

Sollte diese Forderung auf Widerstand beiden Verleihern stoßen, „dann können sie sich aus Berlin verabschieden“. „Es wäre kein Verlust: Nur etwa 0,3 Prozent aller Wege in der Stadt werden mit Leih-E-Scootern zurückgelegt“, sagt Stimpel. „Vermissen würden die E-Scooter nur wenige. Dagegen gewinnt die große Mehrheit der Menschen, die auf ihren Wegen von Störern entlastet sind.“