Wohnungsmarkt

93 Prozent zu teuer: Sind Berliner Mieten wirklich außer Kontrolle?

Die Zahlen einer Prüfstelle des Senats sind wirklich alarmierend. Das Problem aber: Es wurden nur wenige Fälle untersucht.

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In Berlin sind die Mieten in den vergangenen Jahren oft massiv gestiegen.
In Berlin sind die Mieten in den vergangenen Jahren oft massiv gestiegen.imago images

Die Hauptstadt und ihre Mieten: ein Dauerbrenner, für viele ein Ärgernis – und mal wieder gibt es neue Zahlen, die alarmieren: Die neue Mietpreisprüfstelle des Senats stellt fest, bei mehr als 93 Prozent der geprüften Fälle wurde zu viel Miete verlangt. Und die Miete lag teilweise sehr hoch über dem erlaubten Limit.

Seit März geht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Bausenator Christian Gaebler (SPD) härter gegen überzogene Mieten vor. Die neue Prüfstelle nimmt Beschwerden auf – und die ersten Ergebnisse sind eindeutig: Von 190 geprüften Fällen waren 177 überhöht, 120 davon sogar um mehr als 50 Prozent über dem erlaubten Mietpreis.

Juristisch steht die Sache fest: Überschreitungen von mehr als 20 Prozent gelten laut Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz als „Mietpreisüberhöhung“ – das ist eine Ordnungswidrigkeit und kann richtig teuer für Vermieter werden. In 48 Fällen wurde das bereits festgestellt. Dann können Mietsenkungen verlangt und Rückzahlungen gefordert werden.

Mieterverein warnt vor System

Sebastian Barthels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zeigt sich wenig überrascht: „Fast alle Auswertungen zeigen, dass es gravierende Verstöße gibt.“ Er fordert: Der Senat müsse endlich durchgreifen. „Es reicht nicht aus, Appelle an Vermieter zu richten, sondern von behördlicher Seite muss aktiv und wirksam gegen Mietwucher vorgegangen werden.“

Der Bausenator aber gibt zu bedenken: „Uns fehlen auf Landesebene die Instrumente, dagegen vorzugehen. Wir können die Mieterinnen und Mieter nur ermutigen, sich schlau zu machen und sich zu wehren.“

Das Problem an den Zahlen ist: Sie stammen nur aus Beschwerden, also von Menschen, die sich wegen zu hoher Mieten an den Senat gewandt hatten. Sie sind damit keinesfalls repräsentativ.

Und doch sehen die Berater, die mit den Betroffenen gesprochen haben, eine klare Tendenz: Es gäbe auch Vermieter, die aus Unkenntnis zu hohe Mieten verlangten, sagt Knut Beyer von der Gesellschaft für angewandte Stadtforschung und Mieterberatung (Asum). „Aber insbesondere große Wohnungsunternehmen verstoßen immer wieder bewusst gegen die Vorgaben, in der Hoffnung, dass sich die Mieterinnen und Mieter nicht wehren.“

Wohnungswirtschaft äußert Zweifel

Aufseiten der Vermieter wird beschwichtigt. David Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) meint: „Bei 1,6 Millionen Mietverhältnissen in Berlin ist die Aussagekraft von 190 Fällen nicht sehr hoch.“ Es sei wichtig, dass die Mieter ihre Rechte kennen und wissen, wie sie die durchsetzen können. „Aber für unsere Unternehmen, die immerhin 45 Prozent des Berliner Mietwohnungsmarktes bewirtschaften, gehen wir ganz fest davon aus, dass sich alle an Recht und Gesetz halten.“

Die Prüfstelle erstellt am Ende ein Schreiben für die Betroffenen – mit dem offiziellen Briefkopf des Senats. Den können Mieter an ihren Vermieter schicken, um eine Mietsenkung zu verlangen. Doch: Der Brief hat keine Rechtskraft. Er kann durchaus eine Hilfe sein – mehr aber nicht.

Mieterverein will schärfere Kontrolle

Deshalb fordert der Mieterverein: Berlin muss digital nachrüsten. Als ein Vorbild wird Freiburg genannt. Dort scannt eine Software die Online-Angebote für Wohnungen in der Stadt. Im Zweifelsfall werden dann Vermieter und Makler angeschrieben. Sebastian Barthels sagt: „Uns wurde berichtet, dass dann die Mieten oft auch korrigiert und sogar proaktiv vor der Vermietung nach unten angepasst wurden.“

Doch für dieses Modell müsste der Senat viel mehr Personal einstellen, die Bürokratie wächst. Das findet der Mieterverein in Ordnung: „Es wäre sinnvoll. Denn viele Berliner können sich die Mieten in ihrer Stadt nicht mehr leisten.“