Die Spree, die Havel, viele Seen: Berlin ist mit Erholungsgebieten am Wasser reich gesegnet. Doch wer dort als Badender oder auf dem Boot nach Ruhe sucht, erlebt dort im Sommer die Hölle. Auf Party-Flößen krakeln Jugendliche, Wasser-Rambos rasen mit ihren Motorbooten über die Gewässer, bringen sich und andere in Gefahr. Die bisherige erschreckende Bilanz: 800 Rettungseinsätze, acht Badetote.
Allein auf dem Wannsee herrschte an diesem Wochenende der Ausnahmezustand. Mit einer Länge von 2,5 Kilometern gehört er zu einer der wichtigsten Wasserstraßen Berlins. Kein Wunder, dass hier neben Dampfer und Fähren auch jede Menge Freizeitkapitänen mit Jachten, schnellen Motor- und Segelbooten oder Paddler auf Schwimmboards unterwegs sind. Dazu kommen noch viele Touris, die auf Party-Flößen auf einem der größten Gewässer der Stadt ihren Spaß suchen.

Das Problem: Nicht alle halten sich an den Regeln, die nun einmal auf Gewässer gelten. So mancher Freizeitkapitän lässt seine Motoren aufheulen, jagt mit Boot oder Jetski über das Wasser, nimmt dabei gefährlich die Vorfahrt anderer Wasserfahrzeuge, achtet nicht darauf, ob Menschen im Wasser sind. Und auf den Party-Flößen machen die dort Feiernden nicht nur höllisch Lärm und trinken Alkohol. Oft ankern sie in Fahrrinnen und springen ins Wasser. Dass da noch andere Boote unterwegs sind und es zu gefährlichen Unfällen kommen kann, wird dabei gar nicht beachtet.

Leichtsinn pur, den die Wasserschutzpolizei auf ihren Kontrollfahrten auf den Berliner Gewässern vermehrt feststellen muss. Eine der Beamten ist Sabine Schumann. „Die Menschen haben Berlin als Event- und Veranstaltungsfläche vereinnahmt“, sagt sie, berichtet von einer Zunahme von Lärmbelästigungen und Geschwindigkeitsverstößen auf den Gewässern.
Leichtsinn auf Berlins See: Schon acht Tote in diesem Jahr
Und diese haben Folgen: Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ist in diesem Jahr schon zu 760 Rettungseinsätzen auf Berliner Gewässern gerufen worden. Acht Badetote gab es, zwei weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2023 starben 21 Menschen beim Schwimmen und Baden in Berlin, teilt die DLRG mit.
Die Gesamtzahl der Rettungseinsätze in diesem Jahr erhöht sich sogar auf über 800. Denn auch die Berliner Feuerwehr hat auf den Gewässern viel zu tun. In diesem Jahr wurde sie schon zu 45 Einsätzen (88 waren es insgesamt 2023) gerufen. Der Sprecher konnte aber nicht sagen, ob bei allen gemeldeten Einsätzen tatsächlich ein Mensch aus dem Wasser gerettet werden musste.

Die Wasser-Rambos in der Hauptstadt sind nicht nur diejenigen, die mit Rennbooten oder Jetskis über das Wasser heizen – meist aus Profilierungssucht, ähnlich wie bei den Autorennen auf der Straße. Zu den Rambos gehören auch die Leute, die mit den Party-Flößen unterwegs sind.
Zunächst ist da der Mega-Lärm, den sie auf diesen Wasserfahrzeugen veranstalten. Die Leute machen sich keine Vorstellung davon, dass der Schall von Musik und Gesang nicht geschluckt werde, so Schumann. Dadurch komme es zunehmend zu Konflikten mit Anwohnern, Freizeitsportlern oder Erholungssuchenden.
Hobbykapitäne halten sich nicht an den Vorschriften
Urlaub auf dem Wasser boomt seit Corona in Berlin. Als man in der Pandemie-Zeit nicht verreisen konnte, auch die Ferien an der Ostsee zeitweise tabu waren, zogen immer mehr Menschen an die Gewässer der Hauptstadt, um sich dort zu vergnügen. Verleihstationen von sogenannten Party-Flößen schossen wie Pilze aus dem Boden.
Das Problem: Die meisten dieser Boote sind mit Motoren bis zu 15 PS ausgerüstet. Für diese brauchen Hobbykapitäne keinen Führerschein. Und so stehen meistens Frauen und Männer am Steuer, die gar keine Ahnung vom Führen eines Bootes haben.
Sie erhielten oft nur von den Verleihern eine kurze Einweisung und die Gäste an Bord seien oft alkoholisiert und in Partylaune, kritisiert Wasserschutzpolizistin Schumann. „Da werden dann Badeverbote nicht beachtet, die Leute fahren kreuz und quer und kennen keine Vorfahrtsregeln“, sagt Schumann.
Häufig würden Gefahren ausgeblendet oder unterschätzt – etwa, welche Folgen Sog- und Wellenschlag haben können. Im vergangenen Jahr haben sich nach Angaben der Polizistin Menschen verletzt, als sie bei laufendem Motor vom Floß ins Wasser gesprungen sind und in die Schraube des Motors gerieten.
Ein anderer Rettungseinsatz sei erforderlich gewesen, weil Menschen auf dem Dach eines Floßes im Liegestuhl saßen – und nicht auf niedrige Brücken bei der Durchfahrt geachtet haben.

Um diesen Rambos auf dem Wasser das Handwerk zu legen, will die im Senat mitregierende SPD nun die Handhabe mit dem führerscheinlosen Fahren von Partybooten und Motorbooten verschärfen. Künftig sollen Berliner nur noch Boote mit bis zu 5 PS statt mit bis zu 15 PS ohne Führerschein fahren dürfen, wie es bisher eine bundeseinheitliche Regelung vorsieht.
Um die Vorschrift zu ändern, braucht es nicht unbedingt die Zustimmung des Bundes. Auch auf dem Rhein und dem Bodensee ist bereits ab 5 PS ein Sportbootführerschein vorgeschrieben.

Derzeit geht die Wasserschutzpolizei verschärft mit Kontrollen vor, um für Sicherheit auf den Berliner Gewässern zu sorgen. Schwerpunkte sind dabei die Untere Havel-Wasserstraße inklusive Wannsee sowie der Müggelsee, die Müggelspree und der Rummelsburger See.
Wasser-Rambos in Berlin: 8.188 Boote kontrolliert
2023 wurden 8.188 Sportboote unter die Lupe genommen. Bilanz: 885 Ordnungswidrigkeiten – der Großteil wurde im Zeitraum April bis Oktober registriert. In 807 Fällen ging es dabei um Verstöße rund ums Schiff, in 71 Fällen um Lärmverstöße.

Zudem hat die Polizei 337 Strafanzeigen gestellt. Neben Diebstählen ging es dabei 104-mal um den Missbrauch von Notrufen, dazu zählt auch, wenn ein Rettungsring nur aus Spaß ins Wasser geworfen wird. Zudem gab es 101 Anzeigen wegen Gewässerverunreinigungen. „Je mehr Menschen auf dem Wasser sind, desto herausfordernder ist es, für die Sicherheit aller zu sorgen“, sagt Polizistin Schumann.
Überraschend: Alkohol am Steuer spielt bei den Verstößen kaum eine große Rolle. Trotz vieler Kontrollen seit dem Jahr 2019 seien jährlich knapp ein Dutzend Alkohol- und Drogendelikte festgestellt worden. 2023 waren es 11. „Die Gäste sind zwar angetrunken“, so Schumann. „Aber wir stellen inzwischen fest, dass meist einer nüchtern bleibt.“