Hildegard Knef hat sich immer wieder neu erfunden. Sie war Hollywoodschauspielerin, die laut der Jazz-Legende Ella Fitzgerald „beste Sängerin ohne Stimme“ und erfolgreiche Buchautorin. Ihr Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ ist ein Klassiker. Vor 100 Jahren, am 28. Dezember 1925 kam Hildegard Knef in Ulm zur Welt. Aufgewachsen ist sie aber in Berlin, der Stadt, die sie prägte und die sie nie losließ. In mehreren Berliner Kinos wird sie heute auch gefeiert.
Berühmt wurde die Knef zunächst als Schauspielerin – aber auf eine Weise, die ihr Leben noch lange Jahre prägte. Mit der Rolle der Prostituierten Marina im Film „Die Sünderin“ stand Hildegard Knef 1950 schlagartig im Mittelpunkt des ersten großen deutschen Filmskandals der Nachkriegszeit.
Riesenskandal zum Karrierebeginn
Eine wenige Sekunden lange Nacktszene und der dargestellte gemeinsame Suizid der Hauptfiguren reichten aus, um die Republik in Aufruhr zu versetzen. Bischöfe wetterten von den Kanzeln, vor Kinos kam es zu Demonstrationen, Schaukästen wurden zerschlagen.

Die damals 25-Jährige verstand die Erregung kaum – die Folgen trafen sie dennoch mit voller Wucht. Aus Erfolg wurde Verfolgung. In ihrer Autobiografie „Der geschenkte Gaul“ schrieb sie später, ihre tägliche Lektüre habe aus „Drohbriefen, Morddrohungen, im Detail aufgeführte Anliegen zahlloser Sexualverrückter“ bestanden.
Dabei hatte ihre Karriere noch so märchenhaft begonnen. Bereits 1946 spielte sie im ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ eine KZ-Überlebende. Der Film machte sie international bekannt und öffnete ihr die Türen nach Hollywood. Damals war sie mit dem jüdischen US-Presseoffizier Kurt Hirsch verheiratet, der ihre Karriere unterstützte.
Nach dem Skandal um „Die Sünderin“ verlagerte Knef ihren Schwerpunkt endgültig in die USA. Sie drehte Filme, stand am Broadway auf der Bühne und feierte als erste Deutsche dort Erfolge – unter anderem als Ninotschka im Musical „Silk Stockings“ von Cole Porter.

Ihre Popularität machte sie sogar zur politischen Figur. Willy Brandt ernannte sie 1962, nach dem Mauerbau, zur Sonderbotschafterin Berlins. In den USA sollte sie für die geteilte Stadt werben. Ihre Auftritte erzeugten Mitgefühl – konkrete politische Initiativen der amerikanischen Regierung blieben jedoch aus.
Hildegard Knef kämpfte früh mit Krankheiten
Privat war ihr Leben von Brüchen und Verlusten geprägt. Nach dem frühen Tod des Vaters zog ihre Mutter mit dem Säugling nach Berlin. Die wichtigste Bezugsperson wurde der Großvater Karl Groehn. Sie habe ihn „mehr geliebt als irgendeinen anderen Menschen in meinem Leben, außer meiner Tochter“, sagte sie später. In Interviews beschrieb sie sich als „trauriges Kind“, „voller Sehnsucht nach einer kuscheligen Familie“. Hinzu kamen schwere Krankheiten. Eine frühere Polio-Erkrankung hinterließ ein um 1,5 Zentimeter verkürztes Bein. Mit Disziplin, Gymnastik und Willenskraft kämpfte sie dagegen an.
Für eine Zeichnerinnen-Ausbildung kam die junge Hildegard Knef zur Trickfilmabteilung der NS-gesteuerten Filmproduktionsfirma Ufa und schaffte den ersehnten Sprung ins Filmgeschäft. Sie bekam einen Schauspiel-Ausbildungsvertrag, befürwortet von NS-Propagandaminister Goebbels. Zu Beginn ihrer Filmlaufbahn musste sie für Werbeaufnahmen im Badeanzug in ein Bassin hüpfen.

Das Ende des Krieges beschreibt sie in „Der geschenkte Gaul“: Zusammen mit ihrem damaligen Liebhaber Ewald von Demandowsky, einem Filmproduzenten und überzeugten Nazi, kämpfte sie in Uniform und mit der Waffe im „Volkssturm“, geriet als Mann verkleidet für kurze Zeit in russische Gefangenschaft.
Nach dem Krieg wurde Hildegard Knef dennoch sofort Ensemble-Mitglied in den Berliner Bühnen Tribüne und Schloßparktheater. Bei einer Premiere bekam sie im Juni 1945 die Schreckensnachricht vom Suizid des geliebten Großvaters. „Ich bin zu alt, um die Grausamkeiten vergessen zu können, und auch, um Dir noch nützlich zu sein“, zitierte sie später aus dessen Abschiedsbrief.
Hildegard Knef feierte Erfolge als Autorin
Im Laufe ihres Lebens wurde Hildegard Knef zu einer Kosmopolitin mit wechselnden Staatsbürgerschaften, auch durch ihre Ehen mit Kurt Hirsch (1947–1952), dem englischen Schauspieler David Cameron (1962–1976) – dem Vater ihrer Tochter Christina – und Paul von Schell (1977–2002). Neben der Schauspielerei startete sie eine zweite Karriere als Sängerin und Autorin.

„Der geschenkte Gaul“ (1970) wurde zu einem großen Erfolg, und „Das Urteil“ (1975), in dem sie sich mit ihrer Krebserkrankung auseinandersetzte, schaffte es auf den zweiten Platz der US-Bestsellerliste. Als Sängerin umfasste ihr Repertoire 320 Titel, zu 130 davon hatte sie selbst die Texte geschrieben. Viele Lieder sind absolute Klassiker geworden. Sie schrieb Texte, die schonungslos ehrlich waren – über Krankheit, Scheitern und das Weitermachen.
Zur Beerdigung regnete es rote Rosen für Hildegard Knef
Am 1. Februar 2002 starb Hildegard Knef an den Folgen einer langjährigen Lungenerkrankung. Die leidenschaftliche Raucherin wurde 76 Jahre alt. Die Trauerfeier in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche fand am 7. Februar statt – exakt 77 Jahre nach ihrer Taufe. Berlin verneigte sich vor einer Frau, die unbequem war, verletzlich, stolz. Und die sich nie verbiegen ließ.
Bei der Beisetzung regnete es rote Rosen. Genau 1000 Rosen warf die Trauergemeinde am 7. Februar 2002 in das offene Ehrengrab auf dem Friedhof Berlin-Zehlendorf. Hildegard Knef war tot – und Deutschland nahm Abschied von einer Frau, die geliebt, bewundert und angefeindet worden war wie kaum eine andere.
Der Trauergottesdienst im Februar 2002 wurde zum nationalen Ereignis, live übertragen von der ARD. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, einer ihrer größten Chanson-Erfolge, war da schon längst Teil des kollektiven Gedächtnisses: lakonisch, schnoddrig, voller Haltung – so wie sie selbst.




