Der klare KURIER-Kommentar

1. Mai friedlich wie nie: Berlin braucht ein wenig Abrüstung

Keine Krawalle, kaum Straftaten: Da stellt sich die Frage, ob Berlin im nächsten Jahr wirklich wieder mehr als 6000 Polizisten auf die Straßen schicken muss?

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Einsatzkräfte der Polizei und Teilnehmer der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ am Südstern in Kreuzberg. Laut Polizei zogen mehr als 11.000 Menschen vom Südstern nach Neukölln, von wo der Zug im Verlauf des Abends wieder zurück zum Ausgangspunkt führte. Ohne große Zwischenfälle.
Einsatzkräfte der Polizei und Teilnehmer der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ am Südstern in Kreuzberg. Laut Polizei zogen mehr als 11.000 Menschen vom Südstern nach Neukölln, von wo der Zug im Verlauf des Abends wieder zurück zum Ausgangspunkt führte. Ohne große Zwischenfälle.Hannes Albert/dpa

Donnerstagmorgen, unsere große Morgenkonferenz und die große Frage: Was kommentieren wir heute? Sport: Das Kommunikationschaos beim 1. FC Union? Lokales: Den neuen Spielplatz im Thälmannpark? Stadtpolitik: Die Bilanz der 1.-Mai-Demos? Ist doch nix passiert. Kein Krawall, kaum Festnahmen, alles verlief so ruhig wie noch nie. Und genau das sollte das Thema sein.

Muss Berlin wirklich noch über 6000 Polizisten auf die Straße schicken, Kollegen aus anderen Bundesländern anfordern und Unmengen Geld ausgeben, das anderswo vielleicht nötiger wäre?

Von Jahr zu Jahr passiert in Berlin weniger am 1. Mai

Ein Thema, das anscheinend in der Luft lag. Eine Stunde später vermeldete die Nachrichtenagentur dpa: Nach dem friedlichen Verlauf der Mai-Demonstrationen in Berlin stellt die Linke den alljährlichen massiven Personaleinsatz der Polizei infrage. „Wir könnten doch gemeinsam hinterfragen, ob wirklich jedes Jahr am 1. Mai über 6000 Kolleginnen und Kollegen in der prallen Sonne herangezogen werden müssen“, sagte der Sprecher der Linken-Fraktion für Arbeit, Damiano Valgolio, in einer Debatte im Abgeordnetenhaus.

Valgolio stellte die Frage, ob das noch zeitgemäß sei. „Oder ob wir nicht längst an einem Punkt sind, wo wir das schrittweise zurückfahren können, diese Polizeipräsenz.“

Mehr los als bei den Demos: Partystimmung am 1. Mai im Görlitzer Park.
Mehr los als bei den Demos: Partystimmung am 1. Mai im Görlitzer Park.Nadja Wohlleben

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sieht das allerdings anders. Für ihn sei die Einschätzung der Polizei entscheidend – das könnten Politiker nicht beurteilen, weder aus der Opposition noch aus der Regierung. „Wenn die Polizeiführung dazu kommt, dass wir wieder 6000 Kräfte brauchen, dann werden wir diese 6000 Kräfte zur Verfügung stellen“, so Wegner.

Aber dieses Jahr war ja kein Ausreißer. Von Jahr zu Jahr passiert weniger am 1. Mai, ist das Bohei davor, das Bangemachen vor dem, was passieren könnte, viel größer als das, was wirklich passiert. In diesem Jahr wurden 39 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten eingeleitet. Im Vorjahr waren es noch 117, früher meist viele Hundert.

In diesem Jahr marschierte bei der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ nicht mal mehr ein schwarzer Block mit. Na klar, das hat auch etwas mit der Polizeipräsenz zu tun. Aber manchmal ist ein wenig Abrüstung auch gut zur Befriedung. ■