Dass die Leute hier am Wochenende prima eine Mini-Kreuzfahrt machen können, von Rahnsdorf aus auf der Müggelspree, solle man nicht sagen, meint Bernd Stoewehase. Das gibt Ärger mit den Lizenzen. Kreuzfahrt ist Kreuzfahrt und hier ist Fährverkehr. Ganz normaler Fährverkehr, beauftragt von der Berliner BVG, durchgeführt von der Weißen Flotte mit Sitz in der Hansestadt Stralsund.
BVG-Tickets sind auf der Fähre gültig
„Eine Mini-Fährfahrt zum Preis eines Bustickets, kann man aber sagen, oder?“ – „Ja, kann man so sagen.“ Bernd Stoewhase – Matrose in der DDR-Handelsmarine gelernt, die Welt gesehen – ist nun verantwortlich für die Fährlinien im Berliner Osten, da geht es korrekt zu.
Stoewhase schwärmt von den vier Elektrosolarfähren, von denen die ersten schon seit 2014 im Einsatz sind. Er kennt seine Fährlinien im Schlaf: F11 Baumschulenweg–Wilhelmstadt, F12 Wendenschloss–Grünau, F21 Große Krampe–Schmöckwitz. Und dann natürlich die F23 und die F24, wegen der heute alle hier an der Haltestelle Kruggasse sind.

Die F24 ist Deutschlands kleinste Ruderfähre, die in den öffentlichen Nahverkehr eingebunden ist. Im Stundentakt rudert meist Fährmann Marcel Franke die Gäste in seinem roten Boot „Paule III“ ans andere Ufer. Nur wenn er mal krank ist oder Urlaub hat, übernimmt ein anderer Fährmann.
Und weil am 1. Mai Saisonauftakt ist und drüben beim Rahnsdorfer Fischer schon alle zu Altberliner Weisen Weiße mit Schuss trinken und für Räucherfisch anstehen, und weil Hinz und Kunz und der NDR Marcel Franke beim Rudern filmen, fragen und fotografieren wollen, beantwortet der Mann im Hintergrund, Bernd Stoewhase, alle weiteren Fragen.

Wo Berlin auf dem Wasser am schönsten ist
Eine echte Schweißarbeit sei das Rudern, sagt er. Besonders die Wellen auf dem kurzen Stück von Ufer zu Ufer sind schwer zu nehmen. Partyboote schippern an uns vorbei, Marcel Franke wartet mit seiner nächsten Fuhre geduldig ab. Nicht alle hier haben den Sportbootführerschein Binnen, die Wochenendskipper der schrankwandgroßen Flöße mit Bier in der Hand wissen nicht, dass „Paule III“ als Berufsschifffahrt (mit drei f) eigentlich Vorfahrt hätte.
Herrentag ist der schlimmste Tag.
Ein Kasten Mineralwasser, still, steht in dem Pausenhäuschen der Fährmänner, bei der Hitze muss man ordentlich trinken. „Herrentag ist der schlimmste Tag“, sagt Fährmann Marcel Franke während einer kurzen Pause und nimmt einen Schluck. „Nicht die besoffenen Vatis auf Tour sind anstrengend, sondern eher die Nüchternen, weil sie nicht verstehen, dass das mit dem Ein- und Aussteigen mit ein paar Bierchen intus eben etwas länger dauert.“
Ein sonniger Tag im Mai ist aber auch nicht ohne, immer wieder kommen Stammgäste, begrüßen die Fährmänner freudig und werden prompt übergesetzt. Einmal in der Stunde fährt „Paule III“, so steht es auf dem Fahrplan. Dass in Wirklichkeit öfter gefahren wird, solle man gar nicht so laut sagen, meint Bernd Stoewhase. Er müsse seinen besten Mann Marcel schließlich schonen und bei Laune und Gesundheit halten. So viele wollen nicht jedes Wochenende auf dem Kahn unterwegs sein. Marcel Franke aber sagt, er mache den Job mit viel Liebe und Herzblut.
Die Preise für seine schweißtreibende Dienstleistung sind unschlagbar. Bernd Stoewhase verkauft Kurzstreckentickets Berlin AB für 2,40 Euro. Auch im Berlinticket oder im Deutschlandticket ist die Fährfahrt enthalten. Besonders beliebt sind Kombifahrten mit der F23, die 25 Minuten die Müggelspree hoch- und wieder runterfährt.
Anwohner kämpften um den Erhalt der Fähre
Bei der nächsten Runde ans andere Ufer ist Jutta Bendix-Ulrich an Bord geklettert. Die Rahnsdorferin kennt die Fähre schon lange. 2015 hat sie gemeinsam mit dem umtriebigen Heimatverein Köpenick und dem Bürgermeister Oliver Igel um ihr Bestehen gekämpft und gewonnen. Die Senatsverwaltung für Bauen und Verkehr wollte sie wegen zu weniger Passagiere einstellen. Heute fährt die Seniorin einfach so mit über die Müggelspree. Weil Saisonauftakt ist.
Vor über 100 Jahren sei die Fähre 1911 als Bedarfsverbindung entstanden, erzählt sie auf der 36 Meter kurzen Strecke. Der Fischer ruderte Leute bei Bedarf von einem Ufer ans andere. Mehr als 20 Jahre lang, zwischen 1978 und 2002, hat Fährmann Paul Rahn das Boot gesteuert und ist so zur Legende geworden. Nach ihm ist auch das heutige Boot benannt: „Paule III“.

Die Verbindung über die Müggelspree verbindet Rahnsdorf auf kurzem Weg mit Müggelheim. Mit dem Auto müsste man mindestens 20 Kilometer Umweg über die Köpenicker Altstadt oder Erkner fahren. Mit dem Fahrrad kann man aber auch über die Brücke nach Müggelheim gelangen. Die große Fähre, die F23, nimmt auch Räder mit auf die andere Seite nach Neu Helgoland. Etwa 200 Leute nimmt Marcel Franke an guten Tagen mit an Bord.
Die F24 wird jedes Jahr von einer vierstelligen Anzahl Fahrgäste genutzt. Wie viele es am Ende genau seien, hänge gerade bei den stark von Ausflüglern genutzten Saisonfähren natürlich auch vom Wetter an den Betriebstagen ab, heißt es von der BVG. Längst hat man dort erkannt, welch niedlicher, kleiner Schatz die Ruderfähre F24 ist.
Es ist zwölf Uhr mittags, auf der „Bonita“ schippert der Käpt’n schon oben ohne. Der Hauptmann von Köpenick gibt beim Fischer seine Geschichten zum Besten. Bernd Stoewhase meckert ein bisschen, weil eine Stand-up-Paddlerin sich auf dem Steg der F24 ausruhen will. „Bei den Bewertungen im Internet bin ich der böse Fährmann“, kichert er. Dabei tut ein bisschen Berliner Schnauze ganz gut in diesem idyllischen Winkel. Man müsste sonst überlegen, ob man dauerhaft herzieht. ■
Die Fährlinien der BVG im Überblick finden Sie hier.