Alle vier Minuten kracht es im Schnitt auf Berlins Straßen. Bei Verkehrsunfällen mit Blechschaden ist die Hauptstadt bundesweit spitze. Das gilt auch für die illegalen Autorennen, die oft zu Crashs führen. Nicht zu vergessen die Fahrzeuge, die in der Stadt regelmäßig angezündet werden. Das, was PS-Protzer und Hassbrenner an Schäden anrichten, kommt die über 900.000 kaskoversicherten Berliner Autofahrer teuer zu stehen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat jetzt ihre Kasko-Regionalklassen für 2025 noch höher gestuft.
In Berlin sind knapp 1,6 Millionen Autos, Lkw, Motorräder und weitere Fahrzeuge zugelassen. Und deren Besitzer bezahlen schon seit Jahren bundesweit die höchsten Kfz-Versicherungsbeiträge. Mit den neuen Regionalklassen, die der GDV am Donnerstag für alle Gebiete Deutschlands festlegte, können sie noch teurer werden.
Bei der Vollkaskoklasse, die auch die Schäden bei Bränden durch Vandalismusschäden zahlt, werden die Berliner Kfz-Versicherten um eine weitere Stufe erhöht. Damit ist die Hauptstadt nun in der höchsten Stufe 9 angekommen. Bei Teilkasko-Schadensfällen wird Berlin ebenfalls um eine Position hochgesetzt und steht dort ab 2025 in der Regionalklasse 11 von insgesamt 16 Klassen. Die Kaskoversicherungen bieten Leistungen nach selbstverschuldeten Unfällen, Autodiebstähle oder Schäden durch Naturereignisse.
Bei den Haftpflichtversicherungen (sie zahlt Versicherungsleistungen für geschädigte Dritte nach Verkehrsunfällen) ändert sich nichts. Hier gilt für Berlin schon länger die höchste Regionalklasse 12.

Erhöhung der Berliner Kfz-Regionalklassen: Dafür sorgten 134.136 Verkehrsunfälle im Jahr 2023
Bei der Festlegung haben die Experten sich natürlich genau das Unfallgeschehen in der Stadt vom vergangenen Jahr angeschaut. 2023 gab es laut Statistik insgesamt 134.136 Verkehrsunfälle. Meistens waren es nur Sachschäden (120.407 Unfälle). Bei 13.729 Unfällen wurden Menschen verletzt. 33 Tote gab es zu beklagen.
Die häufigsten Gründe für Unfälle waren Fehler beim Abbiegen, Nichtbeachten der Vorfahrt, zu schnelles Fahren sowie Alkoholeinfluss. Dazu kommen 593 verbotene Autorennen, die die Polizei registrierte. 262 Fahrerfluchten gab es dabei. 170 Mal ging es um klassische Rennen zweier Fahrer gegeneinander. In 161 Fällen raste jemand alleine durch die Gegend. Die Straßen mit den häufigsten Rennen waren die Stadtautobahn, die Landsberger Allee und die Nonnendammallee.
Und die PS-Protze machen weiter. Bis Ende April registrierte die Berliner Polizei insgesamt 224 verbotene Wettfahrten, davon 80 Einzelrennen, 98 Fluchten vor polizeilichen Kontrollen sowie 46 Kfz-Rennen mit mindestens zwei oder mehr Beteiligten. Im Frühjahr gab es bei einem Crash nach einem Alleinrennen wieder Tote. Ein Mann (27) und eine Beifahrerin (18) starben.

Höhere Kfz-Regionalklassen: Die Schäden der Berliner gehen in die Millionen
Die Schäden, die Berliner verursachen, und für die meist die Kfz-Versicherungen aufkommen, gehen in die Millionen. Dazu gehört auch die aktuelle irre Raserfahrt eines Audi-Fahrers auf der Neuköllner Sonnenallee, der in mehrere parkende Autos krachte und die Fahrzeuge in Schrott verwandelte.
Auch Diebstähle werden zur Festlegung der Regionalklassen einbezogen. Im Schnitt werden in Berlin im Schnitt täglich 21 Fahrzeuge geklaut. Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 7781 Fahrzeuge entwendet, 40 Prozent mehr als 2022.
Die Hauptstadt weist bundesweit die zweitschlechteste Schadensbilanz hinter Offenbach aus. Bei den Großstädten mit mehr als 300.000 Einwohnern ist Berlin sogar Spitzenreiter. Die Schäden lagen rund 37 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, teilt der GDV mit.
Wie tief müssen denn nun die Berliner Autofahrer im kommenden Jahr bei den Kfz-Beiträgen in die Tasche greifen? „Das kann man pauschal nicht sagen“, erklärt der Verbandssprecher. Denn nicht nur die Höhe der Regionalklasse bestimmt den Beitrag. Dazu kommen das Alter des Fahrzeugs, das Alter des Fahrers und wie viele Personen das Fahrzeug benutzen. Eingerechnet werden auch gefahrene Kilometer pro Jahr oder wo das Auto geparkt ist (Garage oder Straße).
Dennoch gibt es einen ungefähren Richtwert. „Je nach Wohnort und Kfz-Versicherung machen Regionalklassen teilweise deutliche Preisunterschiede bei der Prämie aus – bis zu 60 Prozent im bundesweiten Vergleich. Das heißt: Bei ansonsten identischen Versicherungsbedingungen kann Ihr Beitrag aufgrund der Kfz-Regionalklasse um 200 Euro oder mehr abweichen“, heißt es auf der Internetseite der Allianz-Versicherung.
Bis zu 200 Euro und mehr: Deutliche Preisunterschiede bei Regionalklassen

Das Vergleichsportal Verivox rechnete aus, dass in Berlin-Mitte die Haftpflichtversicherung für einen VW Passat für einen 45-jährigen Alleinfahrer mit 15.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr im Schnitt mehr als die Hälfte teurer ist als im ostfriesischen Emden. Wie viel mehr die Berliner tatsächlich zahlen müssen, erfahren sie im Herbst, wenn die Versicherer die Kfz-Beiträge für 2025 mitteilen.
Was viele Autofahrer wurmt: Dass sie mit den hohen Beiträgen auch für die hohen Schäden der Raser und Hassbrenner bluten müssen. Ist das gerecht? „Leider ja“, sagt ein Experte. „Das System jeder Versicherung funktioniert so, dass die Beitragszahler die Kollektivschuld der Schadensverursacher mittragen. Wäre das nicht so, würden Versicherungen etwa für Schäden, die Raser oder Brandstifter angerichtet haben, nicht zahlen.“ Außerdem seien die Regionalklassen, die der Verband jetzt festlegte, für die Kfz-Versicherer nicht bindend. Sie entscheiden allein, ob sie dem folgen oder nicht.
Kfz-Regionalklassen: Brandenburger Autofahrer kommen günstig weg
Übrigens stehen die Brandenburger Autofahrer besser da. Im Nachbarland der Berliner gelten bei der Haftpflichtversicherung in zwölf der 18 Zulassungsbezirken weiterhin die niedrigsten Regionalklassen 1 bis 3. Damit bleibt es dort 2025 bei überwiegend günstigen Einstufungen in der Kfz-Versicherung.
Denn Brandenburg weist eine geringe Schadensbilanz aus. Der dortige Elbe-Elster-Kreis weist dort sogar bundesweit die beste Schadensbilanz aus. Hier sind die Schäden dem GDV zufolge um 30 Prozent niedriger als im Durchschnitt. ■