Poller zur Verkehrslenkung in Berlins Bezirken erhitzen die Gemüter: Anwohner-Initiativen und konservative Bezirkspolitiker machen Stimmung gegen die Verdrängung des Autoverkehrs aus Wohnstraßen – und beschwören Gefahren für Leib und Leben. Ein Vorfall in Friedrichshain mit einem Rettungswagen wirft Fragen auf: Kamen die Retter tatsächlich nicht durch, wie eine CDU-Politikerin behauptet? Der KURIER hat beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nachgefragt.
Heute am Poller an der Jungstrasse.
— Felix (@_felix_BLN_) June 18, 2025
Feuerwehr, Rettungsdienste stand vor dem Poller und kamen mal wieder nicht durch.
Zum Einsatzort wird gelaufen und Patienten über das Kopfsteinpflaster gerollen. Poller müssten weg.@ElMario26244862 @cduxhainbvv @maritafabeckcdu #poller pic.twitter.com/RIAOgJP5o9
Auf dem Netzwerk X kursieren Fotos eines Rettungswagens an der Schwarnweberstraße Ecke Jungstraße in Berlin-Friedrichshain. Ein X-User namens Felix behauptet am Dienstag, „heute“ sei ein Rettungswagen der Feuerwehr nicht durch die dort angebrachten Poller gekommen. „Zum Einsatzort wird gelaufen“, Patienten habe man über das Kopfsteinpflaster rollen müssen. Deshalb müssten die Poller weg. Im Post markiert: eine Petition gegen Poller, die CDU Kreuzberg-Friedrichshain und die CDU-Politikerin Marita Fabeck.
Friedrichshain: Rettungskräfte sollen bei Notfall-Einsatz in Schule von Pollern ausgebremst worden sein
Fabeck bezieht sich offenbar nicht auf denselben, sondern einen anderen Einsatz, der sich ihr zufolge am vergangenen Samstag ereignet habe: Die Rettungskräfte seien auf dem Weg zu einem Notfall an der Jane-Goodall-Grundschule an der Scharnweberstraße gewesen. Fabeck sieht in der vermeintlichen Behinderung des Einsatzes durch Poller ein Szenario, „vor dem die Anwohner schon seit Längerem gewarnt hatten“.
⛔️Es war nur eine Frage der Zeit: Am Samstag blieb ein #Rettungswagen an den #Pollern in der #Scharnweberstraße stecken — auf dem Weg zu einem #Notfall an der Jane-Goodall-#Grundschule. Damit wurde ein Szenario Realität, vor dem die Anwohner schon seit Längerem gewarnt hatten. /1 pic.twitter.com/ghjPd2prz4
— Marita Fabeck (@maritafabeckcdu) June 18, 2025
In einem Folgetweet wirft Fabeck die unbeantwortete Frage auf, woran es gelegen habe, dass die Retter nicht durchkamen: „Ob es an fehlenden Schlüsseln lag oder daran, dass die Poller zu schwer zu öffnen waren, muss aufgeklärt werden.“ Fakt sei aber: „Der Rettungswagen kam nicht durch. Manchmal zählt im Notfall jedoch jede Minute.“
Der KURIER wollte vom zuständigen Bezirk Berlin-Friedrichshain wissen, wie er den Vorfall einordnet. Ein Sprecher der Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) stellt bereits die Behauptung in Frage, die Poller hätten den Rettungseinsatz behindert: „Dem Bezirksamt liegt in diesem Fall keine Beschwerde vor.“ Denkbar sei, dass die Besatzung des Rettungswagens es bevorzugt habe, die wenigen Meter zu Fuß zurückzulegen, anstatt die Poller herauszunehmen.
Poller-Debatte: Wurden Rettungskräfte tatsächlich behindert? Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain widerspricht
Tatsächlich liegt die Jane-Goodall-Grundschule direkt gegenüber der Stelle, an dem der Rettungswagen an den Pollern parkte. Das Kopfsteinpflaster an der Jungstraße, von dem der User Felix berichtete, ist in dem Foto von Marita Fabeck nicht zu sehen – das Foto wurde aus einer anderen Perspektive, der Scharnweberstraße, aufgenommen. Dort sind keine Kopfsteinpflaster angebracht.
Das Bezirksamt weist darauf hin, dass bereits im Oktober das für die Schule zuständige Schul- und Sportamt in die Pollerpläne involviert gewesen sei. „Die Schulgemeinschaft war an der Ausgestaltung der verkehrsberuhigten Fläche von Beginn an beteiligt und die Umgestaltung ist ein großer Mehrwert für die Sicherheit der Schulkinder.“
Umlegbare Poller in Berlin-Friedrichshain: Alle Rettungsdienste haben einen Schlüssel
Damals sei es um Essensanlieferung für die Schule gegangen – der Caterer habe selbst vorgeschlagen, in Ladezonen der Jung- und Finowstraße zu parken und Transportboxen „nur ein paar Meter weiter über den Gehweg“ zu schieben. Auch Feuerwehr, Polizei und BSR seien an der Detailplanung der Verkehrsberuhigung eingebunden gewesen.
Der Bezirk geht davon aus, dass es die Rettungskräfte ebenso gehalten hätten wie die Caterer, weil es praktikabel ist. Selbst wenn die Rettungskräfte es bevorzugt hätten, zur Schule vorzufahren, wäre dies dem Bezirk zufolge kein Problem gewesen: Vor Ort sind nur herausnehmbare Poller vorhanden. Diese Poller können von einer Person herausgenommen werden. „Die Poller werden mit einem Dreikant-Schlüssel geöffnet. Dieser ist der übliche Schlüssel für Poller im ganzen Bezirk. Alle Rettungsdienste haben einen solchen Schlüssel.“
Anmerkung: In einer ersten Version hieß es im Artikel, dass das von Marita Fabeck gepostete Foto nicht dem Ort zugeordnet werden konnte. Der KURIER hat es vor Ort überprüft: Es wurde auf der Scharnweberstraße an der Ecke Jungstraße aufgenommen.