Union-Kolumne

Erfahrung gegen Ergebnisdelle: Die Oldies des 1. FC Union müssen es richten

Mit der Routine von Trimmel, Bonucci und Co. sollten die Köpenicker die Kurve kriegen.

Teilen
Unions Oldies Kevin Behrens, Christopher Trimmel und Leonardo Bonucci (v. l.) suchen den Weg des Erfolgs.
Unions Oldies Kevin Behrens, Christopher Trimmel und Leonardo Bonucci (v. l.) suchen den Weg des Erfolgs.Matthias Koch/Imago

Erfahrung ist ein hohes Gut. Auch im Fußball und gerade in einer derart verzwickten Situation wie der, in der der 1.FC Union gerade steckt. Werden junge Spieler schneller hibbelig und möchten auch dann, wenn es nicht läuft, am liebsten mit dem Kopf durch die Wand, strahlen Haudegen eine gewisse Ruhe und Souveränität aus. Oder andersherum: Ein U23-Team, sei es noch so talentiert, wird niemals Meister. Das ist schier ausgeschlossen. Zumindest ist es noch nie vorgekommen und wird auch nie vorkommen. Das lehrt – was wohl? – die Erfahrung.

Nun steckt im 1.FC Union derart viel Erfahrung wie in kaum einem anderen Team der Bundesliga. Das schon seit Jahren. Auch beim jüngsten 2:4 in Dortmund brachte Trainer Urs Fischer ganz viel Routine auf den Platz, so viel wie in keinem anderen Spiel der bisherigen Saison. Auf 29,7 Jahre brachten es die Eisernen. Angeführt wurden sie von den 36-jährigen Christopher Trimmel und Leonardo Bonucci, auch Kevin Behrens (32) und Frederik Rönnow (31) befinden sich im vierten Jahrzehnt, Robin Gosens, Janik Haberer (beide 29) und Sheraldo Becker (28) sind nicht weit entfernt. Mit 24 war Diogo Leite in der Startelf der Jüngste.

Trotzdem hat es die wettbewerbsübergreifend siebte Niederlage gegeben. Das kratzt nicht nur am Selbstverständnis, das hinterlässt durchaus tiefe Rillen. Nicht so sehr beim Trainer. Der ist mit seinen 57 Jahren nach dem Freiburger Christian Streich erstens der zweitälteste Coach in Deutschlands höchster Spielklasse, zweitens einer der gelassensten. Realist, der er von Grund auf ist, gibt er zu, dass nach „fünf Jahren auf der Überholspur eine gewisse Unsicherheit da ist“. Dabei hatte er stets den Ball flachgehalten. Selbst als Tabellenführer, der die Rot-Weißen allein in der vorigen Saison an sieben Spieltagen waren, „war ich nicht so euphorisch. In dieser Phase nun bin ich nicht zu Tode betrübt.“

Beim 1. FC Union braucht es jetzt den gesunden Menschenverstand

Wahrscheinlich ist es das, was die Männer aus dem Südosten der Stadt derzeit am meisten brauchen: den gesunden Menschenverstand. Diejenigen, die vor zwölf Monaten meinten, dass die Eisernen nicht so gut seien wie ihre damalige Spitzenposition, haben ebenso recht wie nun diejenigen, die behaupten, dass sie nicht so schlecht seien wie ihr 13. Tabellenplatz. Wie so oft im Leben sollte die Wahrheit in der Mitte liegen.

Worauf aber könnte sich der Trainer stützen, wer könnte für die sportliche Wende sorgen? Am ehesten wohl die Routiniers, von denen die Eisernen doch so viele haben. Trimmel, der Kapitän, geht immer voran, er würde für das Ende der Durststrecke wahrscheinlich sein schönstes Tattoo hergeben (flugs könnte er sich ja ein noch schöneres stechen). Behrens auch, weil er mit der Einladung zum Nationalteam gerade sein persönliches Märchen erlebt, mit der daraus resultierenden Hochstimmung seine Mitspieler noch mehr mitreißen sollte und von seinem Naturell sowieso ein grenzenloser Optimist ist. Auch Rönnow, einer der Überflieger des vorigen Spieljahres, hat ziemlich viel Luft nach oben. Um Punkte wartet der Däne, das wurmt einen Torhüter am meisten, noch immer auf seine erste Null. Mit anderen Worten: Die eisernen Oldies müssen es richten.

Spannendste Frage beim 1. FC Union: Wann kommt Bonucci in die Gänge?

Was aber ist mit Leonardo Bonucci? Gelingt es diesem Haudegen, der bisher immer nur um Titel und Trophäen spielte, mit einer für ihn sportlich als auch örtlich völlig neuen Situation so souverän umzugehen, dass er die zehn anderen, die mit ihm gemeinsam auf dem Platz sind, derart stimuliert, dass die an ihr Können glauben und es im entscheidenden Moment auch abrufen? Bisher hat es trotz seines in Dortmund durchaus kaltschnäuzig verwandelten Elfmeters nicht geklappt. Womöglich steckt in der Personalie des Europameisters das größte Potenzial.

„Es ist nicht einfach“, sagt Fischer und hat Verständnis für die Umstände, „denn er hatte keine Vorbereitung und musste auch eher rein, weil Robin Knoche ausgefallen ist.“ Dennoch hat der Coach an den Erfahrensten in seinem Team diese Forderung: „Bonucci muss führen!“

Dem 1. FC Union kommt die Pause nicht ungelegen

Das wird, so die Hoffnung, in näherer Zukunft leichter. Von Knoche und von Rani Khedira kommt mehr als nur der Fingerzeig, dass sie vor ihrem Comeback stehen. Beide gehören, oft genug ist das betont worden, zu den Eckpfeilern des bisherigen Köpenicker Erfolgsweges. Wenn gleich zwei derartige Stützen, die gleichfalls über eine riesige Portion Erfahrung verfügen – Knoche ist 31 und hat 286 Bundesligaspiele bestritten, Khedira ist 29 mit 203 Erstligaeinsätzen –, über Wochen und Monate ausfallen, können schon mal Risse im Gefüge entstehen.

Insofern kommt den Eisernen die Länderspielpause nicht ungelegen. Nur sollten sie danach tatsächlich alles mit wieder ein wenig mehr Überzeugung angehen. Auch sollten sie ihre Erfahrung wieder zu einem noch höheren Gut machen.