Union-Kolumne

Sebastian Bönig: Der Mann für den Bundesliga-Jackpot des 1. FC Union

Mit der Rückkehr des Co-Trainers könnte dem 1. FC Union im Kampf um den Klassenerhalt der wichtigste Schachzug gelungen sein.

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Sebastian Bönig (42) hat seine Sportsachen dabei, wird unter Marco Grote im Saisonendspurt wieder als Co-Trainer beim 1. FC Union arbeiten. 
Sebastian Bönig (42) hat seine Sportsachen dabei, wird unter Marco Grote im Saisonendspurt wieder als Co-Trainer beim 1. FC Union arbeiten. Matthias Koch/imago

Undenkbar schien es noch vor einem Jahr. Undenkbar auch vor neun Monaten. Nun aber haben es die Eisernen aus Köpenick schon wieder gemacht. Zum zweiten Mal nicht einmal innerhalb eines halben Jahres. Wie Mainz, neben Sonnabend-Gegner Köln der wahrscheinlich letzte Konkurrent um den Klassenerhalt oder darum, wer in die Strafrunde, genannt Relegation, gegen den Zweitligadritten muss. Sie haben also noch einmal den Trainer gewechselt.

Fußball, das ist schon lange klar, ist ein Spiel der Füße mit dem und gegen den Ball. Glaubt man. Das meiste passiert tatsächlich mit den unteren Extremitäten, die meisten Zuspiele, die Mehrzahl der Abwehraktionen, das Laufen, haha, sowieso. Trotzdem gibt es ein Körperteil, dem kommt immer wieder ganz besondere Bedeutung zu. Außergewöhnliche schier. Vor allem in einer derart brenzligen Situation wie der, in der sich der 1. FC Union seit Wochen und Monaten befindet und die sich zwei Spieltage vor Ende der Saison, nicht nur aufgrund des nahezu aberwitzigen 3:4 gegen Bochum, auf dramatische Weise zugespitzt hat: In vielen Fällen nämlich ist Fußball eine Sache des Kopfes.

1. FC Union: Mentalität schlägt Qualität

Mentalität heißt so etwas. Häufig soll sie die Qualität schlagen. Das sagen sogar Haudegen von Trainern. Die sollten es wissen und vor allem sollten sie es beherzigen. Normalerweise geht einer, der diesen Sport zwar liebt, ihn aber eher von der Couch oder im sportlichsten Fall aus der Fankurve, in diesem Fall von der Waldseite, verfolgt, davon aus, dass Profis auch im Kopf jene Helligkeit besitzen, die sie in der Krise am dringendsten brauchen. Ganz abgesehen davon, dass selbst bei ähnlicher Klasse und bei gleicher Qualität zwei Teams oder gar drei absteigen müssen. Diese Spielregel kennt aber auch jeder.

Andererseits ist völlig klar, dass die Leistung steigt, wenn jemand die Seele gestreichelt bekommt. Vor allem dann, wenn das Ego gerade zur Talfahrt angesetzt hat. Egal, wie viele Millionen derjenige bekommt. Irgendwann, so die Erfahrung, spielt in diesem Business Geld nicht mehr die alles entscheidende Rolle. Satt zu essen haben alle und in den meisten Fällen auch Kinder und Kindeskinder. Dann sind Titel und Pokale die wichtigere Währung. Bei Spielern, denen das nicht vergönnt ist, ist es, manchmal sogar höher einzuschätzen, der Nicht-Abstieg.

Sebastian Bönig gibt 1. FC Union Rückenwind

Genau hier scheint die Krux zu stecken, die dem 1. FC Union zusetzt wie nie. Nachdem sie Urs Fischer, zu dem viele in all den Jahren bei allem Chef-Sein ein väterlich-freundschaftliches Verhältnis pflegten, diesen Bessermacher, verloren hatten, mit ihm auch Markus Hoffmann und Sebastian Bönig, zuletzt sogar Michael Parensen, hatten sie, so scheint es, keinen Spielerversteher mehr. Keinen verschwiegenen Beichtvater und keinen empathischen Mülleimer, keinen alles schluckenden Frustlöser und keinen, der dicke Luft in ein Sauerstoff-Inhaliergerät leitet und daraus Rückenwind gewinnt.

Spieler selbst auf höchstem Niveau sind, wenn es hart auf hart kommt und wie abgebrüht sie auch tun, Sensibelchen. Nicht alle, Robert Andrich, den sie in Köpenick auch mal bei sich hatten, vielleicht nicht. Sonst aber die meisten. Deshalb braucht es überall jemanden, der die Sache in die Hand nimmt. Als Moderator, als Ombudsmann, als Vermittler. Oder nur als verstehender Zuhörer, der beide Ohren öffnet, den Mund bei Bedarf aber geschlossen hält.

Grote, Eta, Bönig: Ein Trio soll Union retten

Zu allen Zeiten hat es in jedem Team so einen gegeben. Manchmal der dritte Assistent, gern der Torwarttrainer, noch lieber der Physiotherapeut oder der Zeugwart. Einer, der nah genug dran, aber auch weit genug weg ist. Und der nicht gleich Meldung in der Kabine des Trainers macht. Das soll in keiner Weise an der Kompetenz von Marco Grote und Marie-Louise Eta rütteln, nur: Vielleicht ist die Rückkehr von Sebastian Bönig ans Team der fast noch schlauere Schachzug. Für den Kopf. Für die Seele. Letztlich auch für die Füße. Wie haben sie von ihm noch im Vorjahr geschwärmt. Ein Tüftler vor allem bei Standards sei er, ein Fuchs, wenn es um Kleinigkeiten geht, die zugleich so wichtig sein können und an denen es in diesem Spieljahr vorn wie hinten fehlt.

Gespielt hat Bönig mit keinem aus dem aktuellen Kader. Aber er kennt sie und die meisten kennen ihn. Sollte es mit ihm und dem Klassenerhalt klappen, wäre, sofern es nach Fußball-Gott eine gibt, die nächste Stufe auf der Legendenskala fällig.