Der Videobeweis ist auch sieben Jahre nach seiner Einführung vielen Fußballfans in Deutschland noch ein Dorn im Auge. Die Abneigung ist bei Union-Fans aus guten Gründen besonders stark ausgeprägt. Doch zur Wahrheit gehört trotz des VAR-Ärgers auch, dass der 1. FC Union auch mit Videobeweis mehr von Fehlentscheidungen profitierte als viele andere Klubs in den vergangenen Jahren.
Keine Frage, der VAR (Video Assistant Referee) ist an der Wuhle in etwa so beliebt wie Fußpilz. Im Stadion An der Alten Försterei ist es bereits seit Jahren Tradition, den Video-Schiedsrichter, obwohl er gar nicht anwesend ist, besonders lautstark auszupfeifen. Doch nicht nur in Köpenick wird protestiert. Auch im Ausland regt sich Widerstand.
England stimmt über VAR-Abschaffung ab
In Schweden nimmt man von der bereits geplanten VAR-Einführung wieder Abstand. Und im Mutterland des Fußballs, in Englands Premier League, droht dem Videobeweis sogar das Aus. Am 6. Juni kommt es auf Initiative von Nottingham Forest zu einer Abstimmung. Findet sich eine Zweidrittelmehrheit, ist der VAR auf der Insel Geschichte.

Die Gründe des Unmuts sind auch in der Bundesliga bekannt: Durch die Einführung in der Saison 2017/2018 sollte alles gerechter werden. Zwar wurde die Anzahl korrekter Entscheidungen durch den VAR von 82 auf 96 Prozent auch gesteigert. Dennoch gibt es fast an jedem Spieltag VAR-Ärger. Denn Fakt ist: Zwei fast identische Szenen werden auf verschiedenen Plätzen komplett unterschiedlich bewertet. Dazu fehlt weiterhin eine einheitliche und nachvollziehbare Einordnung vieler Szenen, ganz egal ob Handspiel, Rote Karten, Elfmeter oder sogar Abseits.
1. Union profitiert trotz VAR von Fehlentscheidungen
Doch so groß die Ablehnung des Videobeweises auch sein mag, der 1. FC Union gehört zu den Klubs, die trotz der VAR-Einführung weiterhin am meisten Schiedsrichterglück hatten. Sechs Punkte hatten die Eisernen in den vergangenen fünf Bundesliga-Spielzeiten dank Fehlentscheidungen zu viel auf dem Konto (Spitzenreiter ist der SC Freiburg mit elf Zählern).
In der gerade abgelaufenen Saison hatte der 1. FC Union mächtig Dusel, dass der VAR beim 1:1 in Mainz am 7. Februar nicht eingriff. Robin Knoche hatte Mainz-Stürmer Ludovic Ajorque im Strafraum heftig ins Gesicht getreten. Ohne den Punkt bei den Rheinhessen hätte der 1. FC Union wohl am Ende der Spielzeit mit dann nur 32 Punkten in die Relegation gemusst.
VAR hilft 1. FC Union beim Bundesliga-Aufstieg
Apropos und überhaupt: Ohne den VAR wäre der 1. FC Union, der für die Zweitliga-Einführung des Videobeweises stimmte, wohl gar nicht in die Bundesliga aufgestiegen. Eingefleischte Unioner werden sich erinnern. Im Relegationsrückspiel 2019 traf der VfB Stuttgart nach dem 2:2 im Hinspiel in der Alten Försterei früh zum 1:0. Das direkte Freistoßtor von Dennis Aogo zählte aber wegen einer Abseitsstellung nicht – allerdings nur, weil sich der VAR einschalte und der Schiedsrichter den Treffer erst daraufhin zurücknahm. Der Beginn einer wundersamen eisernen Reise. Auch dank des Videobeweises.
Doch Glück hin oder her: Vielen Fans, auch den Unionern, geht es um etwas ganz anderes: Durch den VAR wird der Fußball seiner Emotionen beraubt. Durch die teils minutenlange Überprüfungen der Szenen oder Tore wird enthemmtes Jubeln immer seltener, weil es ja doch noch anders kommen könnte. Stattdessen kommt es immer häufiger zu Jubel-Frust oder eben Frust-Jubel. Damit kennt man sich auch beim 1. FC Union bestens aus. ■