Man möchte nicht wissen, was im Hintergrund gelaufen ist, bevor eine Meldung ploppt wie die, die Benedict Hollerbach betrifft. Nicht nur beim 1. FC Union kann man die Uhr danach stellen. Diese Art Nachrichten sind so alt wie der Vertragsfußball und sie haben immer etwas von Geschachere. Nur hat all das an innerer Schärfe und an äußerer Verlogenheit zugenommen. Einst hieß es, als Wechsel ins Ausland positiv dargestellt werden sollten, dass es darum gehe, eine andere Sprache, und, das klingt noch besser, einen anderen Kulturkreis kennenlernen zu wollen.
Jetzt heißt es: „Es fällt mir nicht leicht, diesen Verein zu verlassen, aber ich freue mich auf die neue Aufgabe in Mainz und auf die Chance, mich dort auch auf europäischem Parkett beweisen zu können.“ Das sind, damals wie heute, blumige Worte. Im Klartext dagegen heißt es beide Male: War ganz nett bei euch, doch jetzt könnt ihr mich mal.
Schon macht das Klischee vom Profi Nimmersatt die Runde. Vielfach ist es kein Klischee, sondern blanke Realität. Allerdings sind dem Verein dabei ziemlich die Hände gebunden, zumal es oft um fette Ablösesummen geht und es sich nicht gut macht, am Vertragsende leer auszugehen. Es ist und bleibt ein Teufelskreis, bei dem sich zumeist die Spieler behaupten.
Ousmane Dembélé trieb es zu bunt
Im schlimmsten Fall, so einst bei Ousmane Dembélé und Borussia Dortmund, schwänzt der Spieler, dessen Einsatz pro Spieljahr mindestens siebenstellig vergütet wird, mit einer Ausrede, die nicht einmal in der Grundschule durchgehen würde, und bekommt nach kürzerem oder längerem Tauziehen doch seinen Willen. Vertrag? Ach, ist ja nur so ein Papier. Meine Unterschrift? Hey, seid mal nicht kleinlich.

Nun sollte man Hollerbach nicht mit Dembélé, der gerade mit Paris St.-Germain die Champions League gewonnen hat, vergleichen. Der, seit Sonntag muss man sagen, Ex-Unioner ist 24. Dembélé war, als er sich zum Wechsel nach Barcelona mobbte, gerade 20 und wahrscheinlich ferngesteuert. Vom Schotter ganz abgesehen. Beim Franzosen war die Rede von 105 Millionen Euro Ablöse plus Bonuszahlungen von bis zu 42 Millionen Euro.
10 Mio. sind für Union eine Größenordnung
Wem wird da nicht schwindlig? Wer wird, zumal in jungen Jahren, da nicht süchtig? Auch wenn die zehn Millionen Euro, die bei Hollerbach fließen sollen, in diesem Geschäft fast als Trinkgeld gelten, schmeicheln sie dem Spieler. Für einen Verein wie den 1. FC Union ist es ohne Frage eine Größenordnung, bei der es sich nachzudenken und nachzugeben lohnt. Immer beängstigender fühlt es sich dennoch an, wie schnell bei manchen Spielern das Herz von Vereinslogo zu Vereinslogo hüpft.
Natürlich ist es im bezahlten Fußball seit Menschengedenken so, dass manche Vereine Spieler ausbilden, weiterentwickeln, ins Schaufenster stellen und andere sich gegen gutes Geld bedienen. Markantestes Beispiel der Bundesliga-Anfangsjahre: Borussia Mönchengladbach. Weil die Spieler jung und hungrig waren, entstand der Begriff von der Fohlen-Elf. Mit Albert Brülls, der als einer der ersten Deutschen nach Italien ging, und Horst-Dieter Höttges, der nach Bremen wechselte, begann es noch vor der Bundesliga-Premiere.
1. FC Union muss seine Rolle finden
Selbst Jupp Heynckes ging mal nach Hannover. Richtig Fahrt nahm das Karussell mit Günter Netzer, Henning Jensen, Uli Stielike, Rainer Bonhof und Allan Simonsen auf, die nach Spanien gingen, die drei ersten zu Real Madrid, Bonhof nach Valencia, Simonsen nach Barcelona. Auch Lothar Matthäus brachte den Fohlen mit seinem Wechsel nach München ein dickes Plus. Nur, so haben sich die Zeiten geändert: Alle zusammen, darunter mit Netzer, Bonhof und Matthäus drei Weltmeister und mit Simonsen ein späterer Fußballer des Jahres in Europa, haben einen Bruchteil dessen gebracht, was Mainz nun für Hollerbach bezahlt.
