Zeitlos erfolgreich

Für Christopher Trimmel waren der 1. FC Union und Österreich einmal eins

Als es für den 1. FC Union im Kampf um den Klassenerhalt um alles ging, wuchs Christopher Trimmel als Anführer über sich hinaus. Nur für die EM mit Österreich hat es nicht gereicht.

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Christopher Trimmel feiert den Klassenerhalt mit dem 1. FC Union und freut sich auf eine weitere Saison in der Bundesliga.
Christopher Trimmel feiert den Klassenerhalt mit dem 1. FC Union und freut sich auf eine weitere Saison in der Bundesliga.Contrast/Imago

Womöglich war es dieses lange gesuchte Puzzleteilchen. Zumindest kann man das nach dem glücklichen Ende der Saison beim 1. FC Union so interpretieren. Es war ein klein wenig der im Stadion An der Alten Försterei beheimatete und immer wieder beschworene Fußball-Gott. Noch viel mehr aber war es Christopher Trimmel. Der Kapitän. Der Anführer. Der Oldie. Der mit 37 Jahren fünftälteste Spieler des zurückliegenden Jahres in Deutschlands Eliteliga.

Das Kommando hatte er übernommen. Offiziell waren es Marco Grote, nach der Trennung von Nenad Bjelica zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres der Interimstrainer, seine Assistentin Marie-Louise Eta und natürlich Rückkehrer Sebastian Bönig, die für die letzten beiden Spiele die Verantwortung übernahmen. Im Hintergrund – und nicht nur da – aber gab Trimmel den Wegweiser.

Nie war der Kapitän derart wertvoll wie in dieser Rolle. Er trommelte die Mitspieler nicht nur einmal an einen Tisch, redete ihnen ins Gewissen und las ihnen auch ein wenig die Leviten. Um Zusammenhalt ging es ihm, um das große Ganze und darum, alle möglichen Egos unter einen Hut zu bekommen.

Der Kapitän des 1. FC Union hätte sich auch gut ei der EM gemacht

Einer, der sich auch gut in Österreichs Team während der Europameisterschaft gemacht hätte. Zum einen hätte Trimmel Deutschland-Erfahrung mitgebracht, zum anderen die von der vergangenen EM, als er im Team Austria seinen sportlichen Höhepunkt erlebte. Dabei war sein Traum als Nationalspieler fast schon ausgeträumt. Zwischen seinem dritten Länderspiel, einem Ein-Minuten-Einsatz beim 2:1 über Dänemark, und seinem vierten, einem 3:1 in der EM-Qualifikation gegen Israel, liegen neuneinhalb Jahre.

Franco Foda hatte ihn, kaum waren die Eisernen 2019 in die Bundesliga aufgestiegen, zurück ins Team geholt. Weitere 21 Einsätze folgten, die letzten sogar unter Foda-Nachfolger Ralf Rangnick. Gut und gern hätte sich Trimmel in einer ähnlichen Rolle wohlgefühlt, die nun der verletzte David Alaba einnimmt – als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainerteam.

Als er seine letzten Länderspiele absolvierte, 35 war er da, war er ohnehin schon der Älteste im Team. Längst war da für ihn klar: „Ich muss bei Union meine Leistung abrufen und ich muss sie im Nationalteam abrufen. Nur darum geht es im Fußball. Das Alter ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Zahl.“ Gestaunt haben die Jungspunde damals schon, dass der Alte so gut drauf war. Manchmal oder oft fast besser als sie. „Es geht mir einfach körperlich sehr gut“, hatte er seinerzeit schon festgestellt, „zu mir kommen manche jungen Spieler, wenn sie muskuläre Probleme haben, und erkundigen sich.“

Christopher Trimmel ist der König der Standardsituationen beim 1. FC Union. Seine Ecken und Freistöße sind Präzisionsarbeit.
Christopher Trimmel ist der König der Standardsituationen beim 1. FC Union. Seine Ecken und Freistöße sind Präzisionsarbeit.Einer/Imago

Mit Disziplin beim 1. FC Union zum Erfolg

Ein weiteres Geheimnis seines zeitlosen Erfolges ist ziemlich simpel, in der Moderne aber fast aus der Zeit gefallen: Disziplin. Und zwar – im Zusammenhang mit den Köpenickern mehr als nur ein Wortspiel – eiserne. „Ich lasse da einfach nicht locker“, sagt er. „Wichtig ist in meinem Fall auch, die nötige Schnelligkeit zu erhalten. Ich habe in den letzten Jahren zudem vermehrt auf die Ernährung geachtet. Da zieht meine Frau mich immer wieder mit.“

Totgesagt war er manchmal trotzdem schon. Umgehend aber ist er wieder auferstanden zu einem noch immer unverzichtbaren Teil der Union-Familie. Längst ist der einst von Rapid Wien nach Köpenick gekommene Schienenspieler zu den legendären Figuren der Eisernen aufgestiegen. In einem Atemzug wird er genannt mit den Helden von damals. Er ist einer, der sich mit dem Verein nicht nur identifiziert, sondern der Union mit jeder Faser seines Körpers lebt. Er ist der Prototyp des Immer-Unioners.

Es ist vielleicht nur Zufall. Aber wenn, dann einer, der viel Raum zur Deutung bietet. Als es für den 1. FC Union am vorletzten Spieltag der zurückliegenden Saison in Köln fast schon um alles ging, um eine gute bis sehr gute Ausgangsposition für das Finale, führte Trimmel ein Team in Müngersdorf auf den Platz, das die Gunst der Stunde zunächst zu nutzen wusste. Wenigstens mit dem 2:0-Vorsprung sah es auch vom Ergebnis her günstig aus wie zuletzt nur noch selten.

Sogar den 2:1-Anschlusstreffer steckten die Köpenicker halbwegs unbeschadet weg. Auch dank Trimmel, der auf seiner rechten Flanke für Stabilität sorgte, den einen oder anderen Gegenangriff teils durch seine Routine, teils aber auch durch seine noch immer enorme Schnelligkeit ablief und immer wieder auch das Zuspiel nach vorn forcierte.

Christopher Trimmel macht auch im Trikot der österreichischen Nationalmannschaft eine gute Figur.
Christopher Trimmel macht auch im Trikot der österreichischen Nationalmannschaft eine gute Figur.Buzzi/Imago

Der Trimmel aus dem Abstiegsfinale des 1. FC Union hätte Österreich auch gut getan

Dann aber musste der Kapitän, obwohl einer der Besten, vom Platz. Angeschlagen sei er gewesen, hieß es. Nur noch eine kurze Zeit war zu absolvieren. 18 Minuten plus Nachspielzeit lagen vor dem dritten Auswärtssieg der Saison, der so etwas wie ein Befreiungsschlag hätte werden sollen. Das Ende ist nahezu brutal, denn mit Trimmel ging nicht nur der Anführer vom Feld, es kam zugleich Chaos in die Abwehr, die sich zwei späte Gegentore einbrockte und den Oldie nahezu sprachlos zurückließ.

Trimmel aber wäre nicht der Capitano, wüsste er nicht auch darauf eine Antwort. Zwei Tage vor dem Saison-„Endspiel“ gegen Freiburg, das mit dem 2:1 den Klassenerhalt brachte und bei dem er neunzig Minuten plus Nachspielzeit wie in Dauerschleife durchhielt, hatte er seinen Vertrag verlängert. In seine elfte Saison geht er mit dem 1. FC Union. Schon jetzt ist er ein Methusalem und von nichts kleinzukriegen. Vielleicht hätte Rangnick doch gut daran getan, Trimmel in sein Team einzubauen. Und sei es als Maskottchen.