Union-Kolumne

Ein Hauch eines Weltmeisters: In David Odogu steckt auch etwas 1. FC Union

Der Verteidiger, der mit der deutschen U 17 gerade den WM-Pokal gewann, spielte einst beim 1. FC Union. Als Bundesliga-Schlusslicht haben die Eisernen aber keinen Sinn für Talente.

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Verteidiger David Odogu (r.), einst für ein Jahr beim 1. FC Union, gewann mit der U17 des DFB die WM in Indonesien.  
Verteidiger David Odogu (r.), einst für ein Jahr beim 1. FC Union, gewann mit der U17 des DFB die WM in Indonesien. MIS/imago

Mit dem Hauch eines Weltmeisters David Odogu, der mit der deutschen U 17 gerade den WM-Pokal gewann, spielte einst beim 1. FC Union. Als Bundesliga-Schlusslicht haben die Eisernen aber keinen Sinn für Talente

Wir sind Weltmeister! Im Fußball! Was für ein unerwarteter Moment! Auch wenn es „nur“ die U 17-Junioren sind. Das klingt wie damals, als Joseph Kardinal Ratzinger im April 2005 zu Benedikt XVI. wurde und Deutschlands Boulevardblatt Nummer 1 titelte: Wir sind Papst!

Der DFB steht doch vor einer goldenen Zukunft

Das stimmt und das stimmt auch wieder nicht. Wie oft im Leben gibt es natürlich mehrere Wahrheiten. Jemand, der einem anderen Glauben anhängt als dem christlichen, und davon gibt es in Deutschland viele Millionen, kann mit Papstsein wenig anfangen. Selbst ein Christ, ist er Protestant und damit Martin Luther nahe, wird nie ernsthaft behaupten, etwas mit dem Heiligen Stuhl zu haben.

Weltmeister also. Wir! Sind! Weltmeister! Von einer Spielergeneration ist die Rede, die für eine goldene Zukunft steht. Noch ist damit allein die Hoffnung verbunden, auch der Wunsch. Beides kann Realität werden, muss es aber nicht. Es kann auch in die Hose gehen.

Einige Berliner Atzen wurden bereits Weltmeister

Als die BRD-deutsche U 20-Auswahl 1981 Weltmeister wurde, es war der bis zum vorigen Wochenende einzige WM-Titel eines Nachwuchsteams aus Germany, standen im Aufgebot von Trainer Dietrich Weise vom Frankfurter Holger Anthes bis zum Dortmunder Michael Zorc 18 Talente voller Träume. Nur zwei, neben Zorc noch Roland Wohlfarth, der damals für den MSV Duisburg stürmte, schafften später den Weg ins A-Nationalteam. Sie brachten es auf zusammen (!) neun Länderspiele. Dass jemand aus diesem Team an die Tür jener Mannschaft geklopft hätte, die 1990, nur neun Jahre später, Weltmeister wurde – nicht die Bohne. Ingo Aulbach zum Beispiel blieb zeit seiner Karriere Viktoria Aschaffenburg treu. Andere, so Bernhard Scharold vom Hamburger SV und Martin Hermann vom 1. FC Nürnberg, sucht man in Statistiken von Spielen in der Bundesliga gleichfalls vergebens.

Verteidiger David Odogu spielte eine starke U17-WM, krönte sich mit seinen Mitspielern in Indonesien zum Weltmeister. 
Verteidiger David Odogu spielte eine starke U17-WM, krönte sich mit seinen Mitspielern in Indonesien zum Weltmeister. Xinhua/imago

Dafür gibt es in jenem WM-Jahrgang zwei Berliner Burschen, die ihren Weg gingen, jedoch nicht für einen Berliner Verein den Titel holten. Es sind Rüdiger Vollborn, der Torhüter, der bei Bayer Leverkusen Karriere machte, und Thomas Herbst, der damals schon für Bayern München spielte und später für Mönchengladbach. Das erinnert sehr an Pierre Littbarski und Thomas Häßler 1990 in Rom sowie an Jerome Boateng 2014 in Rio, die den WM-Pokal zwar als Berliner Atzen in die Höhe reckten, es aber für Köln und für die Bayern taten.

U17-Weltmeister David Odogu spielte für den 1. FC Union

Es ist verrückt, aber bei den U 17-Junioren wiederholt sich dieses Phänomen. Diesmal ist sogar der 1. FC Union involviert. Da gibt es zum einen Winners (was für ein siegträchtiger Vorname für einen Sportler) Osawe, der beim Berliner AK ausgebildet wurde, nun aber bei RB Leipzig spielt. Zudem ist da David Odogu vom VfL Wolfsburg. Dieser Abwehrspieler, der nach dem Triumph wissen ließ, dass „wir nie an uns gezweifelt haben“, machte seine ersten Schritte als Fußballer zwar beim Steglitzer SC Südwest 1947, kickte aber als 13-Jähriger eine Saison in Köpenick und wechselte erst dann in die Autostadt.

Dürfen die Eisernen damit wenigstens einen Hauch von Verdienst an diesem WM-Titel haben? Naja, es wäre wohl ein wenig zu doll um die Ecke geschossen.

Ein anderes Problem aber tut sich dennoch auf. Das mit dem Nachwuchs. Es hat vier Jahre gedauert, bis mit Aljoscha Kemlein ein Talent aus dem eigenen Nachwuchs in der Bundesliga angekommen war. Wenn vorerst auch nur halbwegs. Auf zwei Kurzeinsätze hat es der 19-Jährige bisher gebracht und auf einen bei Real Madrid im ersten Spiel in der Champions League. Bei der deutschen U 20-Auswahl ist der Mittelfeldspieler dagegen Stammkraft.

Talente haben es beim 1. FC Union schwer

Generell aber tun sich die Eisernen schwer mit ihren Talenten. Zudem haben sie aktuell, nach zehn sieglosen Spielen in der Bundesliga mit gerade einem Punkt, gar keinen Sinn für sie. Es ist als Tabellenschlusslicht ein Harakiri-Risiko, auf sie zu setzen: keine Erfahrung, kaum Stabilität, fehlende Wettkampfhärte im Männerbereich …

Deshalb müssen es im Jahres-Endspurt mit den Geht-es-nach-oben-oder-bleibst-du-im-Keller-Spielen am Sonnabend gegen Mönchengladbach, eine Woche später in Bochum und vier Tage vor Weihnachten gegen Köln die Alten richten. Christopher Trimmel und Leonardo Bonucci sind gefragt, Frederik Rönnow und Robin Knoche, Rani Khedira und Sheraldo Becker, Kevin Behrens und Kevin Volland, eigentlich alle. Egal ob mit oder ohne WM-Hauch.