Union-Kolumne

Der 1. FC Union zeigt, es geht auch ohne „Feuerzeugskandal“

Sicherungen müssen nicht durchbrennen: Zwischen Freiburg und dem 1. FC Union stand wie immer viel auf dem Spiel. Und doch ging Lächeln vor Lamento.

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So viel Zeit für Fairness muss sein. Unions Trainer Steffen Baumgart gibt Freiburgs Keeper Noah Atubolu ein paar Worte bei der verletzungsbedingten Auswechslung mit.
So viel Zeit für Fairness muss sein. Unions Trainer Steffen Baumgart gibt Freiburgs Keeper Noah Atubolu ein paar Worte bei der verletzungsbedingten Auswechslung mit.Arne Amberg/Imago

Manchmal sind es die kleinen Gesten, die in Erinnerung bleiben. Wenn in den letzten Momenten eines Spiels, da die meisten längst im sauren Bereich sind, jemand beim Gegenspieler den Krampf in der Wade löst. Oder wenn sich ein Spieler bei seiner Auswechslung von seinem Gegenüber, mit dem er sich rassige Duelle geliefert hat, mit Handschlag verabschiedet. Dazu zählt nach Schlusspfiff auch das gegenseitige Auf-die-Schulter-klopfen, die Anerkennung.

Nicht immer aber gelingt es, dass man die Lage emotional beherrscht. Hin und wieder gibt es die Situation gerade nicht her. Da ist das zuvor versprühte Gift doch zu toxisch und das gegenseitige Macho-Gehabe – aufgepumpte Brust, geschwollener Kamm, gehässige Sprüche – zu aufgeplustert. Derart viel Adrenalin, dass jemand seine gute Kinderstube bis zur Selbstaufgabe vergisst, kann doch nicht einmal ein bis zur Kasteiung austrainierter Körper produzieren. Oder doch?

Der 1. FC Union und Freiburg haben gezeigt, dass es anständig geht

Dass es eben anders geht, anständiger, so wie anfangs erwähnt, haben am zurückliegenden Sonntag im Breisgau der SC Freiburg und der 1. FC Union gezeigt. Auch da ging es wie meist in dieser Phase der Saison um sehr viel. Die einen schnuppern am erstmaligen Erreichen der Champions League, die ihnen vor zwei Jahren ausgerechnet die Eisernen vor der Nase weggeschnappt hatten. Die wiederum sind trotz des 2:1-Erfolges noch längst nicht aller Abstiegssorgen ledig. Also ist es wie fast immer: Jeder gewonnene Zweikampf zählt, jeder Meter Raumgewinn auch und Tore sowieso.

Auch Freiburgs Trainer Julian Schuster (r.) kann Fairplay, erkundigt sich bei Unions Woo-Yeong Jeong, was los ist.
Auch Freiburgs Trainer Julian Schuster (r.) kann Fairplay, erkundigt sich bei Unions Woo-Yeong Jeong, was los ist.Sportfoto Rudel/Imago

Und doch war es diesmal ein wenig entspannter. Zu hoch sollte man es wiederum auch nicht hängen, aber da waren durchaus Gentlemen am Werk. Erst einmal wurde das Spiel angehalten, als Woo-Yeong Jeong sich verletzt auf den Rasen gesetzt hatte.

Später, nachdem Noah Atubolu bei einer Faustabwehr neben dem Ball auch seinen Innenverteidiger Philipp Lienhart abräumte, sich selbst an der Hüfte verletzte, zunächst die Zähne zusammenbiss, dann aber doch aufgeben musste, hatte selbst der Gegner tröstende Worte für ihn. Steffen Baumgart, Unions Trainer, hätte den Freiburger Schlussmann, kaum war der vom Rasen, fast in den Arm genommen. Michael Gspurning wiederum, Trainer der eisernen Torhüter, gab dem Pechvogel einen wohlwollenden Klaps mit auf dessen Weg in die Kabine. Nette Gesten am Rande. Im Vorübergehen. Aber mit einem Lächeln. Einem Augenzwinkern. Einem Wunsch auf baldige Besserung.

Trainer-Team des 1. FC Union zeigte Fairplay

Es muss nicht erst etwas ganz Tragisches passieren, um zu den Worten zu finden, die man dann nahezu automatisiert benutzt. Nach denen es Wichtigeres gibt als Fußball. Derart winzige Augenblicke wie die im Europa-Park-Stadion schon machen es aus, dass man anders über die neunzig Minuten denkt. Ganz egal, wie sie ausgegangen sind. Dass es neben dem Gegeneinander auch ein Miteinander und Füreinander geben sollte. Oder hatte es damit zu tun, dass sich Breisgauer wie Köpenicker selbst in Zeiten, in denen die umgesetzten Millionensummen pro Verein jährlich satt dreistellig ausfallen, noch immer ein wenig der Romantik verpflichtet fühlen?

In anderen Sportarten, in denen es ebenso um WM- und EM-Titel sowie um olympisches Gold geht und in denen es teils deutlich körperlicher zugeht als im Fußball, wird es vorgemacht, ohne dass sich jemand einen Zacken aus der Krone bricht. Man schaue nur mal zum Handball und da speziell zu dem, was rund um den Kreis passiert. Außerdem macht dort ein Torhüter selbst dann weiter, wenn er einen Ball mit Karacho ins Gesicht bekommt. Kurz geschüttelt, die Entschuldigung des Werfers angenommen – schon kann, als sei nie etwas gewesen, der nächste Wurf kommen. Statt eines Lamentos gibt es auch da manchmal sogar ein schnelles Lächeln.

Diese Kurve drehe ich mit voller Absicht, weil es ja noch immer die Sache mit einem bestimmten Feuerzeug gibt, die durch Präsident Dirk Zingler in der vorigen Woche fristgemäß in der nächsten Runde gelandet ist. Mit Noah Atubolu, dem 22-Jährigen, der in dieser Saison schon in zehn Spielen die Null gehalten hat und dem Kenner den Sprung ins DFB-A-Team zutrauen, wäre es dazu wahrscheinlich nie gekommen. Man sollte andernorts mal kurz darüber nachdenken. Um es wiederum nicht zu übertreiben, darf man sich das Lächeln und die Lockerheit in diesem Fall sogar für später aufheben. ■